# taz.de -- Karneval im Rheinland: Alaaf ist net ferkeet
       
       > Krieg, Erdbeben, Leid und Tod – und im Rheinischen tanzen die Jecken?
       > Sollen sie ruhig, denn der Karneval war und ist immer auch politisch.
       
 (IMG) Bild: Weiberfastnacht: Karnevalist:innen feiern vor dem Kölner Dom am 16. Februar
       
       Darf man hierzulande feiern, wenn anderswo Bomben fliegen, Häuser
       einstürzen, Menschen sterben, gefoltert und vergewaltigt werden? Kinder
       ihre Eltern verlieren und Abertausende ihre Existenz? In der Ukraine tobt
       seit einem Jahr ein fürchterlicher Krieg, in der Türkei und in Syrien hat
       es eins der schlimmsten Erdbeben der vergangenen einhundert Jahre gegeben.
       Und die Deutschen kommen auf die Idee, im Ritter- und Marienkäferkostüm auf
       den Straßen zu tanzen und sich dabei die Kante zu geben.
       
       Ja, die spinnen, die Kölner, Mainzer, Düsseldorfer – jedenfalls aus
       Berliner Sicht. Mit großen Augen schauen Nichtrheinländer:innen auf die
       „[1][fünfte Jahreszeit]“: Kinder bekommen in diesen Tagen schulfrei, sonst
       so unabkömmliche Manager:innen verabschieden sich in den Urlaub und
       schalten ihr Handy ab. Straßenbahnen fahren nicht, weil die Umzüge die
       Magistralen verstopfen, Straßenzüge werden für Karnevalsumzüge gesperrt und
       Busse umgeleitet.
       
       Aus ostdeutscher Perspektive mutet die [2][Karnevalsextase] ähnlich
       befremdlich an. Die Bürger:innen zwischen Dresden und Warnemünde haben
       beim Fasching früher auch die Sau rausgelassen. Aber auf die Idee, sich auf
       der Straße mit Bonbons zu bewerfen, sich in Kneipen zu quetschen, in die
       nicht mal mehr eine Maus passt, und dabei „Et jeilste Land“ und „Dicke
       Mädchen haben schön Namen“ zu trällern, kamen sie nie. Aber soll ja jede
       und jeder Spaß haben, wie es ihr und ihm gefällt. Gern auch im Hasenkostüm.
       Und wenn es unbedingt sein muss, auch mit Vollrausch. Das Vorhaben „nie
       wieder Alkohol“ hält in den meisten Fällen ohnehin nicht länger als bis zur
       Ausnüchterung.
       
       Die Vehemenz, mit der die Jecken – ja, so neckisch bezeichnen sich
       Karnevalist:innen selbst – jetzt ihre Ausgelassenheit zelebrieren, ist
       verständlich. Kontakt- und Feierverbote infolge der Pandemie haben die
       schunkelbedürftigen Seelen arg gebeutelt, drei Jahre ausgefallene
       [3][Narrenfreiheit] wollen nun heftiger denn je nachgeholt werden.
       
       Und ja, auch in Zeiten wie diesen – so zynisch das klingen mag. Der
       russische Angriffskrieg in der Ukraine ist nicht schneller beendet, wenn
       der Karneval aus politischen Gründen wieder nicht stattfindet. Und: Der
       Karneval war immer politisch – und ist es in diesem Jahr mehr denn je. So
       nimmt laut Karnevalsorganisation ein Umzugswagen Putin aufs Korn, man
       sieht, wie er die Erde durch einen Fleischwolf dreht. Die Erdbebenopfer in
       der Türkei und in Syrien werden solidarisch bedacht. Selbst beim
       Kinderkarneval spielt der Krieg eine Rolle: So sind in Kasseler Kitas
       diesmal Spielzeugpistolen verboten. Das sollte zwar grundsätzlich so sein,
       zeigt aber, dass sogar im Karneval etwas Lehrreiches steckt.
       
       18 Feb 2023
       
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