# taz.de -- Beobachter über Israels Siedlungspolitik: „Keine Chance auf Zweistaatenlösung“
       
       > Israels Regierung legalisiert Außenposten – und zerstört damit die Chance
       > auf eine politische Annäherung, sagt Dror Etkes von der israelischen NGO
       > Kerem Navot.
       
 (IMG) Bild: Auf dem Weg zu einer Protestaktion gegen die neue errichtete Siedling Kalandia bei Ramallah
       
       taz: Herr Etkes, Sie verfolgen seit zwanzig Jahren intensiv den
       Siedlungsbau im Westjordanland. Was beobachten Sie seit Amtsantritt der
       neuen Regierung?
       
       Dror Etkes: Wir sehen bislang mitunter widersprüchliche Entwicklungen:
       Einerseits treibt die Regierung in schnellem Tempo den Ausbau von
       Siedlungen und die Legalisierung von Außenposten voran: Am Sonntag die
       Erklärung, dass zehn Außenposten legalisiert werden sollen, kurz darauf
       folgte die Ankündigung, dass der für die Siedlerbewegung zentrale
       Außenposten Homesch, von dem auch viel Siedlergewalt ausgeht, legalisiert
       werden soll. Und südlich von Hebron, etwa in Massafer Yatta, werden nahezu
       täglich Häuser von Palästinenser*innen abgerissen.
       
       Und andererseits? 
       
       Andererseits könnte diese Regierung ironischerweise sogar weniger in Sachen
       Siedlungsbau unternehmen als ihre Vorgängerregierung – wegen des
       internationalen Drucks. Wir haben gesehen, dass sie vor einigen Wochen
       einen neuen Außenposten sehr schnell geräumt haben. Dass sie Angst haben,
       Khan al- Ahmar, ein beduinisches Dorf im Osten von Jerusalem, das
       zwangsgeräumt werden soll, anzutasten. Und am Mittwoch haben sie Hunderte
       von Bäumen ausgerissen, die Siedler*innen in der Nähe der Siedlung von
       Shiloh gepflanzt hatten.
       
       Außenposten sind selbst nach israelischem Recht illegale „wilde“ Siedlungen
       im Westjordanland. Was ändert sich, wenn sie nun nach israelischem Recht
       legal sind? 
       
       Zunächst einmal ist die Botschaft, dass Israel entschieden ist, jede Chance
       auf eine Zweistaatenlösung zu zerstören. Ansonsten ist die Ankündigung über
       Siedlungsbau und die Legalisierung von Außenposten für den Eigenbedarf. Die
       Regierung spielt mit der nationalistischen politischen Basis. Sie gibt der
       ultranationalistischen Öffentlichkeit in Israel, die „Rache“ will, damit
       Futter. Es ist ein Zeichen dafür, dass die Regierung das erfüllt, wofür
       sie gewählt wurde: mehr Siedlungen. Mehr Unterdrückung.
       
       Noch ist der Legalisierungsprozess nicht abgeschlossen. Um wirklich
       legalisiert zu werden, muss die Regierung beweisen, dass die Siedlungen
       nicht auf Privatland von Palästinenser*innen gebaut sind. Ist das
       Formsache? 
       
       Das kann lange Jahre dauern. Für Netanjahu ist es nicht wichtig, ob die
       Außenposten am Ende tatsächlich legal sind oder nicht. Ihm geht es jetzt um
       die Politik. Er ist schwach und verletzlich …
       
       Er steht derzeit [1][in drei Korruptionsfällen vor Gericht] und dürfte
       darauf hoffen, dass seine Partner ihm helfen, ihm ein Immunitätsgesetz zu
       verschaffen … 
       
       Richtig, und er muss seine Partner irgendwie bei Laune halten. Und er tut
       dies eben genau so. Was mit der tatsächlichen Legalisierung passieren wird,
       ist ihm egal.
       
       Viele der Außenposten sind auf palästinensischem Privatland gebaut. 
       
       Ja, und mit einigen der Außenposten werden sie es schwerer haben: Givat
       Harel, Sde Boaz. Haroe, Malachei Hashalom. Andere werden leichter sein.
       Aber wie gesagt, Netanjahu kümmert das nicht. Er muss der Öffentlichkeit,
       die sein Lager unterstützt, etwas zuwerfen.
       
       Nach welchen Kriterien hat die Regierung die zu legalisierenden Außenposten
       ausgewählt? 
       
       Die sind meines Erachtens willkürlich ausgewählt. Es sind solche dabei, die
       vor längerer Zeit gegründet wurden, und jüngere. Einige sind Bauernhöfe,
       andere reguläre Außenposten. Aber es war der Regierung wohl wichtig, dass
       sie überall in der Westbank verteilt sind und tief ins Westjordanland
       reichen.
       
       Die Regierung ist derzeit dabei, [2][das Oberste Gericht zu entmachten].
       Die Siedlerführer haben ihr eigenes Interesse an diesem Schritt. 
       
       Ja, die Siedler hassen den Obersten Gerichtshof, weil sie keine
       Einschränkungen wollen. Sie können einfach nicht akzeptieren, dass ein
       säkularer Richter ihnen sagt, dass ein Teil von Eretz Israel nicht ihnen
       gehört.
       
       Die internationale Gemeinschaft hat den Schritt ungewöhnlich harsch
       kritisiert. Kann die Entscheidung durch [3][internationalen Druck] noch
       rückgängig gemacht werden? 
       
       Internationaler Druck ist wohl das Einzige, was noch etwas ausrichten kann.
       In Israel wird niemand dagegen ankämpfen, außer einer sehr kleinen Gruppe
       der Linken.
       
       17 Feb 2023
       
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