# taz.de -- Rechtsextremer Hass im Netz: Jugendliche Terrorträume
       
       > In Potsdam steht ein 18-Jähriger vor Gericht, der in Chats rechten Terror
       > beschworen und Sprengstoff besorgt haben soll. Er ist kein Einzelfall.
       
 (IMG) Bild: Prozess hinter verschlossenen Türen: Amtsgericht Potsdam
       
       Berlin taz | Der Prozessauftakt am Amtsgericht Potsdam erfolgte hinter
       verschlossenen Türen. Am Montag wurde dort gegen Lutias F. die Anklage
       verlesen. Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat und
       Verstöße gegen das Waffengesetz wirft die Generalstaatsanwaltschaft dem
       Rechtsextremen vor. Weil Lutias F. aber erst 18 Jahre alt ist, findet die
       Verhandlung als Jugendstrafverfahren und nicht öffentlich statt.
       
       Die Vorwürfe gegen Lutias F. aber wiegen schwer. In Telegramkanälen soll er
       unter dem Alias „Der Forst“ zu Terrortaten angestachelt haben, als Anführer
       einer selbsternannten Gruppe namens „Totenwaffen“. Auch er selbst soll im
       Frühjahr 2021 einen Anschlag geplant haben, dessen Ort noch
       ausgekundschaftet werden sollte.
       
       F. hatte laut Anklage bereits mindestens vier Sprengsätze gebaut, die er
       auf einem verlassenen Kasernengelände bei Potsdam zündete. In den
       Chatgruppen [1][dokumentierte er dies auf Videos]. Auf dem Gelände war auch
       den Gruppennamen gesprüht. Ermittler fanden bei F. auch eine Anleitung zur
       Herstellung sogenannter Schießbaumwolle und ein noch nicht zündfähiges
       Vorläufergemisch.
       
       Über Monate soll F. dazu Gleichgesinnte in der „Totenwaffen“-Chatgruppe
       angestachelt haben. Mehrere Dutzend Mitglieder soll es dort gegeben haben,
       auch aus dem Ausland. In Potsdam und Berlin tauchten auch Plakate mit dem
       Gruppennamen auf. Im Juni 2022 wurde der Jugendliche schließlich in Potsdam
       verhaftet.
       
       ## Die Szene hofft auf einen Bürgerkrieg
       
       Sein Fall ist Beispiel für einen rechtsextremen Terror, der sich online
       formiert – ein militanter Akzelerationismus. Die Bewegung stammt aus den
       USA, von Vordenker James Mason und dessen Siege-Ideologie, die durch
       Anschläge einen Bürgerkrieg forcieren will. Sie findet zunehmend auch
       Anhänger:innen in Deutschland, vielfach sehr junge.
       
       Zu ihnen gehörte etwa der damals [2][27-jährige Halle-Attentäter]. Oder die
       Atomwaffendivison, bei der die Bundesanwaltschaft im April 2022 [3][mehrere
       Mitglieder durchsuchen ließ] – die Ermittlungen laufen weiterhin. Zuvor war
       ein Mitglied einer „Feuerkrieg Division“, [4][ein 23-jähriger Bayer], zu
       zwei Jahren Haft verurteilt worden, weil er einen Anschlag vorbereitete.
       Beide Gruppen waren online auch mit den „Totenwaffen“ in Kontakt und auch
       international.
       
       Zuletzt kam es im Ausland zu Anschlägen von Anhängern der Szene. [5][In
       Buffalo hatte im Juni 2022] ein 18-jähriger Rassist zehn Menschen in einem
       Supermarkt erschossen. In Bratislava erschoss ein 19-Jähriger zwei
       Homosexuelle in einem Café. „Nach einer Pandemiepause sehen wir seit dem
       Sommer 2021 wieder verstärkte Aktivitäten der Szene“, sagte Miro Dittrich
       [6][vom Thinktank Cemas], das Verschwörungsideologien, Antisemitismus und
       Rechtsextremismus erforscht. „Die Gefahr von Anschlägen ist gestiegen“,
       sagt Dittrich der taz.
       
       Er betont, dass sich viele sehr junge Deutsche in der Onlinecommunity
       bewegten. „Darüber herrscht weiter ein großes Unwissen. Die Behörden gehen
       viel zu wenig dagegen vor.“ Auch der Fall Lutias F. und dessen
       Sprengstoffbeschaffung zeige, dass es „nicht um Jugendstreiche, sondern um
       reale Gewalt geht“.
       
       ## Die „Totenwaffen“ verschwanden, andere machen weiter
       
       Lutias F. hatten die Behörden dagegen schon länger auf dem Schirm. Schon im
       Sommer 2021 war er erstmals durchsucht worden. Danach verschwand die
       „Totenwaffen“-Chatgruppe – die Mitglieder wanderten offenbar in andere
       Kanäle ab. F. selbst soll inzwischen als Gefährder eingestuft sein, dem
       schwere Straftaten zugetraut werden.
       
       Der Prozess gegen ihn ist bis Mai terminiert. Die Ankläger sehen in ihm
       einen Jugendlichen „mit Verantwortungsreife“. Das Gericht muss so auch
       entscheiden, ob F. zur Tatzeit einsichtsfähig war – ob er also erkennen
       konnte, dass er Unrechtes tat. Zumindest in seinen Chats soll er daran
       wenig Zweifel gelassen haben.
       
       13 Feb 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://twitter.com/democ_de/status/1533051328213180418
 (DIR) [2] /Nach-lebenslanger-Haft-fuer-Stephan-B/!5902538
 (DIR) [3] /Terrorverdacht-gegen-Rechtsextreme/!5847946
 (DIR) [4] /Terrorprozess-in-Nuernberg/!5736761
 (DIR) [5] /Rassistischer-Anschlag-in-Buffalo/!5855705
 (DIR) [6] https://cemas.io/publikationen/militanter-akzelerationismus/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Konrad Litschko
       
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