# taz.de -- Strategie der Ampel gegen Personallücken: Millionen Fachkräfte gesucht
       
       > Im Bundestag wird über den Fachkräftemangel diskutiert und darüber, wie
       > er zu lösen sei. Am Ende ist es vor allem eine Debatte über Migration.
       
 (IMG) Bild: Arbeitsminister Hubertus Heil am 20. Januar im Bundestag
       
       Berlin taz | Die Sätze, mit denen der Bundesarbeitsminister seine
       Fachkräftestrategie bewirbt, sind inzwischen gut einstudiert.
       „Fachkräftesicherung ist Wohlstandssicherung“, sagt Hubertus Heil (SPD),
       als er [1][am Freitagmorgen im Bundestag ans Rednerpult tritt]. „Wenn wir
       jetzt nicht alle Register ziehen, fehlen uns bis 2035 sieben Millionen
       Fachkräfte.“
       
       Die Ampel setzt deswegen auf [2][unterschiedliche Maßnahmen]: Sie will die
       berufliche Ausbildung stärken und attraktiver machen. „Dieses Land braucht
       nicht nur Master, sondern auch Meister“, so Heil. Um angesichts von
       Digitalisierung und ökologischem Umbau die „Beschäftigungsfähigkeit“ der
       Menschen zu gewährleisten, müsse man auch auf Weiterbildung setzen – etwa
       durch ein Qualifizierungsgeld oder die [3][von Heil geplante Bildungszeit],
       in der Beschäftigte sich für bis zu zwölf Monate bezahlt weiterbilden
       können.
       
       „Menschen mit Behinderung haben eine Chance am Arbeitsmarkt verdient“,
       zählt Heil weiter auf. Unternehmen, die entgegen der schon bestehenden
       Verpflichtung keine Menschen mit Behinderung einstellen, sollen künftig
       diejenigen Unternehmen, die es tun, noch mehr unterstützen, so der
       Minister.
       
       Einen Bereich nach dem anderen geht der Minister durch. Menschen sollen
       gesund und bis zum Renteneintritt in Arbeit bleiben können – „Ältere sind
       kein altes Eisen, sie werden gebraucht.“ Die Frauenerwerbsarbeit sei
       „erfreulich gestiegen“, allerdings nicht im Volumen – im Gegensatz zu
       Männern arbeiten Frauen noch immer häufig in Teilzeit, „gewollt oder
       ungewollt“. Deswegen sei auch die [4][Vereinbarkeit von Familie und Beruf]
       ein zentrales Thema.
       
       ## Ohne Migration geht es nicht
       
       Aber: „Wenn wir alle inländischen Register gezogen haben, brauchen wir
       trotzdem zusätzlich Zuwanderung, um die Volkswirtschaft am Laufen zu
       halten“, sagt Heil und verweist auf das geplante [5][Gesetz zur
       Fachkräfteeinwanderung], das sich derzeit in der Ressortabstimmung
       befindet.
       
       „Wir müssen mehr tun als das, was die Regierung vorschlägt“, kritisiert
       Marc Biadacz. Es gehe nicht um einen Fachkräftemangel, sondern um eine
       „Fach- und Arbeitskräftekrise“, erläutert der CDU-Politiker. Der Bäcker in
       seinem Wahlkreis habe ihm gesagt, er könne „kein Brot und keine Brezeln
       verkaufen“, wenn ihm schlicht das Personal fehle.
       
       Jede dritte Erwerbsperson erreiche in den nächsten 15 Jahren das
       Rentenalter. 400.000 zugewanderte Fachkräfte pro Jahr seien nötig, um den
       Bedarf zu decken. Es müsse also viel mehr getan werden, um die inländischen
       Potenziale zu nutzen und dafür zu sorgen, dass gesteuerte, qualifizierte
       Zuwanderung funktioniere. Dazu müssten auch die „Flaschenhälse“ in den
       Ausländerbehörden und Visastellen aufgelöst werden, die zu langen
       Wartezeiten führten und Deutschland für ausländische Fachkräfte unattraktiv
       machten.
       
       Um all diese Probleme zu beheben, habe man in der letzten Legislatur
       bereits das Fachkräfteeinwanderungsgesetz auf den Weg gebracht. Dass
       [6][Expert*innen diesem Gesetz von Anfang an attestiert hatten, nicht
       weit genug zu gehen], zu hohe Hürden zu haben und zu bürokratisch zu sein
       und dass die SPD schon damals gerne weiter gegangen wäre, sich aber nicht
       gegen die Union durchsetzen konnte – zu all diesen Aspekten schweigt
       Biadacz.
       
       ## FDP pocht auf Rückführungen
       
       Auch die AfD lehnt die Fachkräftestrategie ab, weil sie partout keine
       Migration will. Eine Lösung hat der Abgeordnete René Springer auch parat:
       „Technisierung statt Zuwanderung, Maschinen statt Migration“.
       
       Dann müsse die AfD Wähler*innen aber auch erklären, dass sie dann halt
       länger arbeiten und später in Rente gehen müssten, kontert der
       FDP-Abgeordnete Lukas Köhler. Er macht aber auch klar, dass die FDP in der
       Ampel-Koalition noch einen anderen Schwerpunkt in der Migrationspolitik
       setzt als etwa die Grünen: [7][die Rückführungsoffensive]. Man müsse
       Fachkräfte nach Deutschland bringen, so Köhler. „Und wer illegal gekommen
       ist, wird entsprechend zurückgeführt.“
       
       Wenn die Bundesregierung nun „endlich Menschen echte Chancen am
       Arbeitsmarkt und guter Arbeit den Vorrang“ gebe, habe sie „die Linke an
       ihrer Seite“, bekräftigt Susanne Ferschl von der Linksfraktion. Doch dazu
       gehöre: die Tarifbindung zu stärken, prekäre Beschäftigung wie Leiharbeit
       einzudämmen und abzuschaffen, keine längeren Arbeitszeiten und kein höheres
       Renteneintrittsalter. Und „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“, gerade mit
       Blick auf Einwanderung.
       
       Fachkräfte aus dem Ausland beobachteten „sehr genau“, wie hierzulande mit
       Migrant*innen und Geflüchteten umgegangen werde. „Und dass hier Ayşe und
       Mustafa nicht willkommen sind, hat die Union mehr als deutlich gemacht“,
       erinnert Ferschl [8][an die Migrationsdebatten der vergangenen Wochen].
       
       Doch [9][auch die FDP] habe mit der Rede von „Einwanderung in die
       Sozialsysteme ins gleiche Horn gestoßen“, bilanziert die Linke. „Hören Sie
       auf, Menschen nach ihrer wirtschaftlichen Verwertbarkeit zu beurteilen: Die
       einen, die Sie gerne haben möchten, und die anderen, die Sie am liebsten
       übers Meer zurückschicken würden“, kritisiert Ferschl.
       
       20 Jan 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2023/kw03-de-fachkraeftestrategie-927016
 (DIR) [2] https://dserver.bundestag.de/btd/20/039/2003990.pdf
 (DIR) [3] /Anlauf-fuer-Weiterbildungsgesetz/!5906325
 (DIR) [4] /Beschaeftigungsquote-von-Frauen/!5804414
 (DIR) [5] /Fachkraefte-aus-dem-Ausland/!5907189
 (DIR) [6] /Migrationsexperte-ueber-Einwanderung/!5652161
 (DIR) [7] /Neue-Sonderbeauftragter-fuer-Migration/!5900750
 (DIR) [8] /Rassismus-in-Deutschland/!5905180
 (DIR) [9] https://www.merkur.de/politik/markus-lanz-christian-duerr-arbeitsmarkt-mirgration-fdp-afd-chrupalla-einwanderung-sozialsysteme-einbuergerung-zr-91952412.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dinah Riese
       
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