# taz.de -- Bremer Mensen und Kantinen: Warten auf die Billigfleischbremse
       
       > Nachhaltiges Essen ist in Bremens Mensen oft noch Theorie, obwohl es seit
       > 2018 einen Aktionsplan gibt. Das Projekt verwässert im koalitionären
       > Streit.
       
 (IMG) Bild: So eine Currywurst soll es in Bremens Mensen nur noch geben, wenn sie bio ist
       
       Bremen taz | Ein bundesweiter Vorreiter wollte sie sein, die damals noch
       rot-grüne Bremer Landesregierung, und ließ sich dafür auch feiern: Die
       Gemeinschaftsverpflegung in Kliniken und Kantinen, in Schulen und Kitas
       soll schrittweise auf bis zu 100 Prozent Bio-Produkte umgestellt werden –
       so steht es im [1][Aktionsplan 2025].
       
       Viereinhalb Jahre sind schon vergangen, seitdem diese „Billigfleischbremse“
       beschlossen wurde. Doch die Umsetzung ist ein „Armutszeugnis“, wie Peter
       Bargfrede vom [2][Agrarpolitischen Bündnis Bremen (ABB)] kritisiert. In der
       rot-grün-roten Koalition gibt es deswegen seit Monaten Streit. In dieser
       Woche hat es eine Vorlage dazu immerhin in die wöchentliche Senatsrunde
       geschafft.
       
       Beschlossen wurde ein Prüfauftrag, in dem es um den Standort für ein
       „Kompetenzzentrum“ geht, das die Mitarbeiter:innen aller Bremer
       Gemeinschaftsküchen weiterbilden soll – damit sie den Aktionsplan auch
       umsetzen können. Sie sollen dort lernen, wie man „weitgehend kostenneutral“
       und ohne Lebensmittelverschwendung möglichst regional, saisonal und frisch
       kocht.
       
       Dieses Kompetenzzentrum, das nun „Forum für Küche im Wandel“ heißt, wurde
       früher mal „[3][Training Kitchen“] genannt – und hatte für [4][heftige
       Auseinandersetzungen zwischen der Bio-Branche und dem von den Grünen
       geführten Umweltressort] geführt.
       
       ## Chefs Culinar ist raus
       
       Denn das Konzept dafür sollte nach dem Willen der Behörde eine
       Consulting-Tochterfirma von Chefs Culinar schreiben, einem internationalen
       Unternehmen aus Kiel, das mit so umstrittenen Großkonzernen wie Tönnies,
       Nestlé und Unilever kooperiert. Das ist vom Tisch, es gibt nun ein
       regionales Konsortium für die Aufgabe, sagt Bargfrede vom ABB, der einer
       der Kritiker:innen war. Das Bündnis hatte 2015 mit einem erfolgreichen
       Bürgerantrag überhaupt erst den Anstoß für den Aktionsplan gegeben.
       
       „Ein Leuchtturmprojekt, um das uns viele in ganz Deutschland beneiden,
       droht jetzt von der SPD ausgebremst zu werden“, sagt Bargfrede – und meint
       die Bildungsbehörde, deren Senatorin mittlerweile Sascha Karolin Aulepp
       (SPD) ist. „Wir haben den Eindruck, dass sie das Thema einer gesunden
       Ernährung für Kita- und Schulkinder nicht ernst nimmt“, schreibt das ABB,
       das auch kritisiert, dass es seit fast zwei Jahren in Bremen – als einzigem
       Bundesland – keine „Vernetzungsstelle Schulverpflegung“ mehr gebe.
       
       Schon die Einstellung einer Fachkraft, die sich darum kümmern soll, dass
       der Aktionsplan in Kitas und Schulen umgesetzt wird, habe über ein Jahr
       gedauert. Auch aus dem Umweltressort dringt viel Kritik an der SPD – äußern
       will man sie aber nicht. Grünen-Politiker Jan Saffe, Vorkämpfer der
       Billigfleischbremse, will sich indes nicht mit Diskussionen aufhalten: „Ich
       weiß nicht, wer schuld hat. Mich interessiert, dass es jetzt vorangeht!“
       
       Zwar erfüllen die kommunalen Kliniken die von ihnen verlangten Quoten
       schon, [5][die Kitas und Schulen aber im Schnitt erst „zu etwa 40
       Prozent“], sagt Mücella Demir, Leiterin des [6][Projekts „Bio-Stadt“] im
       Umweltressort, dem Weser-Kurier. Belastbare Zahlen zu der Frage, wo wie
       viel bio gekocht wird, gibt es aber weder für Schulen noch für Kitas.
       
       ## Unzureichende Kontrolle
       
       „Die Kontrolle ist unzureichend“, sagt Mücella Demir. „Die Umsetzung des
       Aktionsplans ist in den einzelnen Einrichtungen sehr unterschiedlich“, gibt
       die Bildungsbehörde zu – und was die neue Planstelle betrifft: Trotz
       „mehrfacher Ausschreibungen“ habe sie niemanden gefunden. Immerhin würde
       auch das Bildungsressort deren Verstetigung „deutlich befürworten“. Im
       Übrigen verweist die Behörde auf die Folgen der Coronapandemie und die
       steigenden Betriebs- und Personalkosten. „Einige Ziele sind mittlerweile
       noch schwieriger umsetzbar“, verteidigt sich das Bildungsressort.
       
       Denn der Aktionsplan steht unter dem Vorbehalt der
       „Aufwendungsneutralität“: Alles soll bio sein und möglichst aus der Region
       kommen, aber nicht mehr kosten, schon gar nicht für die Eltern. „Das ist
       nicht nur aufgrund stark gestiegener Lebensmittelpreise nicht zu leisten“,
       sagt Bargfrede vom ABB, der auch im Projektbeirat sitzt. Dort habe sich
       diese Erkenntnis schon durchgesetzt, im Senat aber wohl nicht, zumindest
       rückt der Senatsbeschluss davon noch nicht ab.
       
       Vorerst geht es um die Frage, ob das neue Kompetenzzentrum nun in die
       Volkshochschule oder die ehemalige Kantine des Finanzsenators einzieht. Die
       Umbaukosten dort, zunächst mit 500.000 Euro veranschlagt, werden
       mittlerweile mit fast 1,3 Millionen Euro beziffert.
       
       21 Dec 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.biostadt.bremen.de/biostadt/aktionsplan-2025-9286
 (DIR) [2] http://www.buendnis-bremen.de/
 (DIR) [3] /Weiter-Streit-um-Billigfleischbremse/!5720726
 (DIR) [4] /Kompromiss-bei-der-Billigfleischbremse/!5715971
 (DIR) [5] https://www.weser-kurier.de/bremen/gesuendere-ernaehrung-bremer-aktionsplan-wird-unzureichend-kontrolliert-doc7nziqrjcvls10s7o3c98
 (DIR) [6] https://www.biostadt.bremen.de/biostadt-1459
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan Zier
       
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