# taz.de -- Kinotipp der Woche: The Sound of it All
       
       > Das Soundwatch Music Film Festival zeigt Musiker:innenporträts wie
       > „Ennio“ und den Sound in Städtchen und Städten – von Versailles bis Köln.
       
 (IMG) Bild: Giuseppe Tornatores Musikdoku „Ennio“ zeigt den brillianten Geist des Komponisten Ennio Morricone
       
       Das Genre Musikdoku boomt. Allein was da in der Arte-Mediathek ständig an
       Portraits über The Who bis Patti Smith herumschwirrt. Und wenn dann niemand
       Geringeres als Peter Jackson altes Filmmaterial zu „Get Back“ neu
       aufbereitet, das die Beatles beim Einspielen eines neuen Albums beobachtet,
       wird das zum Großereignis, auch wenn der Spaß auf ganze acht Stunden
       aufgebläht wurde. Das [1][Soundwatch Music Film Festival Berlin], das nun
       zum sechsten Mal statt findet, vom 8. bis zum 21. November, ist somit
       längst mehr als nur eine Nischenveranstaltung. Dafür spricht auch, dass es
       in gleich mehreren Berliner Kinos beheimatet ist und von einem Konzert und
       einer Ausstellung als Rahmenprogramm begleitet wird.
       
       Das Schöne an Musikdokus ist, dass sie, wenigstens wenn einen der
       Gegenstand der Betrachtung einigermaßen interessiert, gleichzeitig gut
       unterhalten und fortbilden und zudem noch mit interessanten Sounds locken.
       Prinzipiell gibt es, grob unterteilt, zwei Kategorien innerhalb des Genres:
       Das Musiker- oder Musikerinnenportrait und das Nachzeichen eines bestimmten
       Musikstils oder einer Szene. Von beidem bietet das Soundwatch wieder mehr
       als genug. „Energy“ etwa portraitiert in der Kategorie eins den
       unermüdlichen Damo Suzuki, der in den Siebzigern Sänger der Kölner Band Can
       war und sich danach aufmachte, die Welt immer und immer wieder zu betouren.
       
       Und dann wäre da noch „Ennio – der Maestro“, eine wirklich fantastische
       Dokumentation über Ennio Morricone, die darum bemüht ist zu zeigen, dass
       der Meister weit mehr drauf hatte, als Spaghetti-Western mit unsterblichen
       Melodien zu unterlegen. Allein die Auswahl der Talking-Heads ist exzellent,
       es kommen Bewunderer von Clint Eastwood bis Mike Patton zu Wort. Und die
       Musik ist sowieso zum Niederknien.
       
       ## French Touch und Kölner Sound
       
       Szene- und Genre-mäßig werden dagegen etwa 2 Tone, diese typisch britische
       Postpunkbewegung, die den jamaikanischen Ska für sich wiederentdeckte,
       beleuchtet. Und in „Why Versailles?“, einem ziemlich persönlichen Film von
       Marc Collin von der Band Nouvelle Vague, wird der Frage nachgegangen,
       welche Bedeutung ausgerechnet die schicke Stadt mit dem Schloss, nämlich
       Versailles, für die Entwicklung des sagenumwobenen sogenannten French Touch
       hatte.
       
       Der Sound, der dann spätestens Dank Daft Punk die Welt eroberte, hat seine
       Ursprünge schließlich weniger in Paris, als vielmehr in der kleinen
       Touristenstadt. Air, Phoenix, Étienne de Crécy und wie sie alle heißen,
       werkelten alle hier an ihren bahnbrechenden Sounds. Und man sieht auch, wie
       alles begann, wie die späteren French-Touch-Heroen sich erst in
       irgendwelchen New-Wave-Bands abmühten. Und vor allem: Was für herrliche
       Popperfrisuren sie als Jugendliche hatten.
       
       Auch „The Sound of Cologne“ ist so ein Film, der eine Stadt anhand ihrer
       Musikgeschichte erkundet. Allerdings geht er spannend los, um dann
       irgendwann der eigenen Erzählung zu misstrauen. Er beginnt mit dem Studio
       für Elektronische Musik und Karlheinz Stockhausen in den Fünfzigern. Köln
       wird zu einem weltweit bekannten Zentrum für innovative Klänge. Dann
       tauchen Can in den Siebzigern auf, wieder Avantgarde hoch zehn.
       
       In den Achtzigern schwappt Acid House nach Köln und dann geht es Schlag auf
       Schlag. Kompakt, Wolfgang Voigt, A-Musik, alles kommt vor, man erfährt zwar
       nichts, was man nicht schon wusste, befindet sich aber wenigstens auf einer
       einigermaßen vergnüglichen Zeitreise zurück in die Hochzeit des „Sound of
       Cologne“. Doch zunehmend saugt die Strahlkraft Berlins die Kreativimpulse
       der Stadt am Rhein ab. Mouse on Mars und die Spex-Redaktion ziehen hierher,
       Köln wird immer öder.
       
       Aber mit diesem Befund möchte die Doku nicht enden und schleppt sich jetzt
       noch eine halbe Stunde lang so hin, um zu berichten, dass es so schlimm
       dann doch nicht sei. „Ennio“ ist ein Film mit Überlänge, „The Sound of
       Cologne“ ist dagegen einfach nur zu lang.
       
       9 Nov 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://soundwatch.de/2022/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Hartmann
       
       ## TAGS
       
 (DIR) taz Plan
 (DIR) Filmfestival
 (DIR) Filmmusik
 (DIR) Postpunk
 (DIR) taz Plan
 (DIR) taz Plan
 (DIR) Belarus
 (DIR) Schwerpunkt Stadtland
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Kinotipp der Woche: Schlachtfeld der Liebe
       
       Die Französische Filmwoche zeigt aktuelle Filme des französischen und
       frankophonen Kinos und schlägt dabei auch queere Töne an.
       
 (DIR) Kinoempfehlungen für Berlin: Auf das Machbare beschränkt
       
       Die Doku „Heimatkunde“ erforscht die individuellen Erinnerungen an die
       Schulzeit in der DDR. „Unsere Herzen, ein Klang“ das gemeinsame Singen.
       
 (DIR) Belarussische Künstlerin im Exil: Aktiv gegen erzwungenen Stillstand
       
       DJ und Veranstalterin Ludmila Pogodina hält die subkulturelle Diaspora
       ihrer Heimat Belarus zusammen – vom Berliner Exil aus. Porträt einer
       Rastlosen.
       
 (DIR) Besondere Sauna in Berlin: Schwitzen statt Löschen
       
       Die Freie Internationale Tankstelle in Prenzlauer Berg ist ein
       eigenwilliger Ort für Kultur. Hier kann man auch in einem Feuerwehrauto
       saunieren.
       
 (DIR) Nico Sauer entwickelt ungewohnte Musik: Schall macht satt
       
       Nico Sauer, Komponist aus Berlin, versucht sich die Musik der Zukunft
       vorzustellen. Wie das klingt? Lässt sich erkunden im Zeiss-Großplanetarium.