# taz.de -- Eröffnung der Frankfurter Buchmesse: Dolmetschen zwischen den Systemen
       
       > Die Frankfurter Buchmesse rückt 2022 die Arbeit von Übersetzer*innen
       > in den Fokus. Gastland Spanien präsentiert sich bei der Eröffnung
       > facettenreich.
       
 (IMG) Bild: Das spanische Königspaar kommt bei der Besichtigung des spanischen Pavillons auf der Buchmesse nicht so locker rüber
       
       Der bewegende Auftritt [1][von Kim de l’Horizon bei der Verleihung des
       Deutschen Buchpreises] stellte einen starken Auftakt dar für die
       diesjährige Frankfurter Buchmesse. Die Erwartungen an die Eröffnungsfeier
       waren dementsprechend hoch. Doch trotz oder vielleicht gerade wegen des
       royalen Besuchs vom spanischen Königspaar blieb die Stimmung förmlich.
       
       „Translate. Transfer. Transform.“ Mit dem Motto der 74. Frankfurter
       Buchmesse steigt Mona Ameziane in die Moderation ein und ehrt sogleich
       jene, die an diesem Abend für die (Simultan-)Übersetzungen zuständig sind.
       Wie gut das klappt, lässt sich synchron zum Gesprochenen beobachten: Blickt
       man in die Gesichter derer, die Kopfhörer tragen, merkt man gleich, ob es
       gelingt, einen Witz oder eine Pointe so zu übersetzen, dass nicht nur das
       Gesprochene, sondern auch die Stimmung übertragen wird.
       
       Als „kongeniale Leistung“ würdigt Jürgen Boos, Leiter der Frankfurter
       Buchmesse, die Übersetzungsarbeit. „Übersetzung als Transformation“, nennt
       es auch die Frankfurter Bürgermeisterin Nargess Eskandari-Grünberg (Die
       Grünen) und hebt hervor, dass so neben dem Sprachlichen auch kulturelle
       Werte übermittelt werden können – essenziell für das Zusammenleben in einer
       modernen Gesellschaft.
       
       Durch Eskandari-Grünberg rückt an diesem Abend, der so fern von den realen
       aktuellen Krisen scheint, das politische Geschehen der vergangenen Wochen
       in den Fokus. Selbst 1965 in Teheran geboren, rief sie den Anwesenden in
       Erinnerung, dass es nicht selbstverständlich sei, in einer Gesellschaft mit
       demokratischen Werten zu leben, frei seine Meinung zu äußern, Bücher zu
       lesen und ein selbstbestimmtes Leben führen zu können.
       
       ## Iran und Ukraine überschatten die Messe
       
       Die Übersetzung als „Annäherung des Fremden und Einheimischen, des
       Bekannten und Unbekannten“, zitiert Irene Vallejo den all-time favourite
       der Dichter und Denker der Deutschen, Goethe. Die spanische
       Literaturwissenschaftlerin und Schriftstellerin hat mit „Papyrus“ nicht nur
       eines der erfolgreichsten Sachbücher Spaniens geschrieben, sondern der
       Geschichte des Buches ein Denkmal gesetzt. Sie ist eine von rund 200
       Kreativen aus der Delegation des Gastlandes.
       
       Dessen Repräsentation wird überschattet von den Protesten im Iran und dem
       Ukrainekrieg. Beidem möchte man thematisch Platz einräumen an diesem Abend,
       aber auch auf der Messe, die noch bis Sonntag andauert. Die Ukraine ist mit
       einem kleinen Stand vertreten, auch russische Dissident*innen werden zu
       Wort kommen. Die Podiumsdiskussion „Der Aufstand gegen das Mullah-Regime
       und was der Rest der Welt tun kann“ rückt Iran in den Fokus.
       
       Nicht nur in diesem Jahr sagte Teheran seine Teilnahme ab, auch 2015 wollte
       man nicht dabei sein, wegen eines Auftritts von Salman Rushdie. [2][Den im
       August bei einem Messerangriff schwer verletzten Rushdie] würdigte der
       spanische Schriftsteller Antonio Muñoz Molina in seiner Rede als
       „furchtlosen Schriftsteller“. Muñoz Molina schlug dabei den Bogen Richtung
       1991, als Rushdie wegen der gegen ihn ausgesprochenen Fatwa bereits seit
       zwei Jahren untergetaucht und Spanien zum ersten Mal Gastland bei der
       Buchmesse war.
       
       Zehn Jahre erst war Spanien damals eine Demokratie, fünf Jahre Mitglied der
       EU. Welch ein Privileg es ist, auch heute noch in dieser Sicherheit leben
       und arbeiten zu können, dessen sei er sich bewusst, so der 66-jährige
       Autor.
       
       Waren 1991 die literarischen Vertreter jedoch noch überwiegend männlich,
       präsentiert sich Spanien im fulminanten Gastlandpavillon heute
       pluralistisch: Die (binäre!) Geschlechterverteilung ist ausgeglichen,
       sprachlich sowie genretechnisch setzt man auf Diversität.
       
       19 Oct 2022
       
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