# taz.de -- Brasilien nach der Präsidentenwahl: Jede Menge Holz
       
       > Regenwald retten, Indigenenrechte stärken, Armut bekämpfen: Lula hat viel
       > vor. Die Verhältnisse im Parlament werden es ihm schwer machen.
       
 (IMG) Bild: Nach Bolsonaros Abwahl: 26 Punkte für den Regenwald
       
       São Paulo taz | Wenn man sich die ersten Reden Lulas nach der Stichwahl
       anhört, wird klar: Brasiliens künftiger Präsident hat sich viel
       vorgenommen. Er wolle das gespaltene Land einen, den Rassismus bekämpfen
       und die Gewalt gegen Frauen beenden. Besonderen Fokus will Lula, der aus
       einer bitterarmen Familie aus dem Nordosten stammt, auf die Bekämpfung der
       Armut legen.
       
       Zwar ist die Inflation in den vergangenen Monaten leicht zurückgegangen,
       und im kommenden Jahr wird mit zaghaftem Wirtschaftswachstum gerechnet.
       Doch die Verarmung hat landesweit zugenommen. Alltägliches wie Gaskanister
       zum Kochen ist für viele nicht mehr erschwinglich, 33 Millionen
       Brasilianer*innen sind laut Studien am Hungern. Während seiner letzten
       Amtszeit war es Lula tatsächlich gelungen – auch dank eines Rohstoffbooms
       –, die Armut drastisch zu senken. Seine Sozialprogramme verschafften ihm
       internationales Renommee. Daran will Lula anknüpfen. So erklärte er etwa,
       das Wohnungsbauprogramm Minha Casa, Minha Vida (Mein Haus, mein Leben)
       wieder einführen zu wollen.
       
       Doch wie viel Spielraum hat Lula, um seine Pläne umzusetzen? Wirtschaftlich
       geht es dem Land schlecht, die goldenen Zeiten sind längst vorbei. Obwohl
       Lulas Arbeiterpartei, die PT, zulegen konnte, wird die Partei des
       unterlegenen Jair Bolsonaro die stärkste Fraktion im Abgeordnetenhaus
       stellen. Etliche Rechte schafften ebenfalls den Einzug in den Senat und
       punkteten auch bei den Gouverneurswahlen.
       
       So wird Lula trotz des Wahlsiegs viele Zugeständnisse an seine
       konservativen Partner*innen machen und im stark zersplitterten Parlament
       hart um Mehrheiten kämpfen müssen. Allzu große Veränderungen werden deshalb
       kaum umsetzbar sein.
       
       ## Linke Alarmglocken
       
       Um zurück an die Spitze des größten Landes Lateinamerikas zu gelangen,
       hatte Lula ein breites Bündnis geschmiedet. Sein Vize war der konservative
       Ex-Gouverneur von São Paulo, Geraldo Alckmin. Auch Wirtschaftsliberale wie
       der Ex-Präsident der Zentralbank sagten Lula ihre Unterstützung zu. Während
       die Finanzmärkte erfreut auf den Schulterschluss reagierten, schrillen bei
       Linken die Alarmglocken.
       
       Die Befürchtungen sind groß, dass Lulas Amtszeit von einer orthodoxen
       Finanzpolitik geprägt sein könnte. Der Ex-Gewerkschafter wollte sich kurz
       nach der Wahl noch auf keinen Wirtschaftsminister festlegen – die
       Nominierung dürfte aber entscheidend sein für den Kurs der künftigen
       Regierung.
       
       Lula versprach zudem, gegen die Abholzung im Regenwald des Amazonasgebiets
       vorzugehen. Unter dem rechtsradikalen Präsidenten Bolsonaro nahm die
       Zerstörung drastisch zu, auch weil dieser Schutzbehörden entmachtete und
       überall linientreue Funktionär*innen einsetzte. Lula suchte in den
       letzten Wochen die Nähe zu seiner Ex-Umweltministerin Marina Silva.
       Zusammen mit der prominenten Umweltschützerin aus dem Amazonas-Bundesstaat
       Acre legte er einen 26-Punkte-Plan vor. Er enthält ehrgeizige Ziele zur
       Reduzierung von Treibhausgasen sowie die Einrichtung indigener und
       ökologischer Schutzzonen. Mehrfach betonte Lula zudem, ein
       Indigenenministerium einzurichten – mit einer Indigenen oder einem
       Indigenen an der Spitze.
       
       Doch auch Lula wird nicht an der Agrarlobby vorbeiregieren können.
       Mindestens 158 Abgeordnete werden einer überfraktionellen
       Interessenvereinigung des Agrobusiness im Kongress zugerechnet, ihr
       Einfluss ist groß. Zumindest auf die Unterstützung aus dem Ausland wird
       sich Lula verlassen können. Während Bolsonaro das Land mit seiner
       Umweltpolitik international isoliert hat, pflegt Lula gute Kontakte zu
       Staatschefs rund um die Welt – etliche davon gratulierten ihm noch am
       Sonntag zum Wahlsieg.
       
       31 Oct 2022
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Niklas Franzen
       
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