# taz.de -- LGBT in Russland: Gefängnis für die Liebe
       
       > Ein russischer Journalist im Exil hat geheiratet und sich geoutet. Er
       > setzt damit ein Zeichen gegen Putins Anti-LGBT-Kampagne.
       
 (IMG) Bild: Mit seinem Coming-out setzt Journalist Mikhail Zygar ein wichtiges Zeichen für die LGBT-Community
       
       Eine Nachricht hat mir diese Woche Tränen in die Augen getrieben.
       Freudentränen zur Abwechslung mal. Der russische Journalist Mikhail Zygar
       [1][gab bekannt], seinen Partner, den russischen Schauspieler
       [2][Jean-Michel Scherbak], geheiratet zu haben. Mit dieser Bekanntmachung
       outete sich Zygar gleichzeitig. Auf Instagram schrieb er: „Liebe, Freiheit,
       Wahrheit, Glück. Es ist an der Zeit, uns selbst zu befreien.“
       
       Zygar ist bald nach dem russischen Überfall auf die Ukraine ins Exil nach
       Berlin gegangen. Seit März schreibt er eine Kolumne für den Spiegel. Bis
       2015 war er Chefredakteur des [3][unabhängigen russischen Fernsehsenders
       Doschd] und schrieb zudem herausragende Bücher wie „Endspiel. Die
       Metamorphosen des Wladimir Putin“, das den Weg Putins hin zum
       „schrecklichen Zaren“ nachzeichnet und erklärt.
       
       Für die verbliebene LGBT-Community in Russland ist es ein wichtiges
       Zeichen, dass sich Prominente wie Zygar outen – auch wenn dies nur
       außerhalb ihrer Heimat möglich ist. Erst im Juli hatte die russische
       Tennisspielerin Darja Kassatkina (sie lebt in Dubai und Spanien) in einem
       Interview bekannt gemacht, dass sie homosexuell ist. Auch sie
       veröffentlichte später auf Instagram ein Foto von sich und ihrer Partnerin,
       der Olympia-Eiskunstläuferin Natalia Zabiiako.
       
       Seit dem 24. Februar sind die schönen Momente weniger geworden. Umso mehr
       freut mich die Nachricht über Zygars Coming-out. Auch deshalb, weil sie wie
       ein symbolischer Mittelfinger gegenüber dem russischen Terrorregime ist.
       Dieses Regime führt seit Jahren einen erbitterten Kampf gegen LGBT. Seit
       dem Verbot der sogenannten Homosexuellen-Propaganda 2013, mit dem sich
       Russland von „Gayropa“ abgrenzen wollte, das angeblich auf die Vernichtung
       traditioneller russischer Werte abziele, haben Gewaltverbrechen gegen LGBT
       in Russland zugenommen. Aktivist:innen werden körperlichem und
       psychischem Terror ausgesetzt und strafrechtlich verfolgt.
       
       ## LGBT-Feindlichkeit ist in Russland tief verwurzelt
       
       Wie ernst es der Staat meint, sieht man an der Aktivistin Yulia Tsvetkova.
       Gegen sie wurde 2019 ein Strafverfahren eröffnet. Tsvetkova hatte
       gleichgeschlechtliche Paare mit Regenbogen gemalt und auf ihrem
       VKontakte-Profil veröffentlicht. Sie wurde beschuldigt „pornografisches
       Material hergestellt und verbreitet“ zu haben. Nach mehreren Hausarresten
       droht ihr aktuell, [4][erneut inhaftiert zu werden].
       
       Zur traurigen Wahrheit gehört, dass sich an der Verfolgung von LGBT viele
       in Russland nicht stören. Putin weiß das. Schwulenfeindliche Witze gehören
       zum guten Ton. Schwule werden in einem Atemzug mit Pädophilen genannt.
       Unliebsame Personen diskreditiert man, indem man sie der angeblichen
       „Homo-Propaganda“ bezichtigt. So geschehen mit dem Journalisten und
       Youtuber Juri Dud. Er hatte sich öffentlich gegen den russischen Krieg
       gegen die Ukraine ausgesprochen.
       
       Allein gegen die Ukraine zu hetzen, reicht der Führung in Russland nicht
       mehr aus. Es läuft eine Kampagne gegen die LGBT-Community. Ein russischer
       Politiker sagte kürzlich, LGBT seien eine „hybride Kriegswaffe“ des
       Westens. Und von einem Vertreter der russisch-orthodoxen Kirche hieß es,
       die Verabschiedung des Gesetzes, dass „Homo-Propaganda“ nicht mehr nur für
       Minderjährige, sondern auch für Erwachsene verbieten soll, wäre mit einem
       großen militärischen Sieg vergleichbar. Ich kotze.
       
       Russland verwandle sich gerade in ein großes Gefängnis, schrieb Zygar im
       September in seiner Spiegel-Kolumne. Der Journalist konnte dieses Gefängnis
       noch verlassen. Sein Coming-out, die Hochzeit mit seinem Mann ist
       vielleicht auch eine Art Ausbruch aus einem Gefängnis, das Russland seit
       vielen Jahren für LGBT im Land geschaffen hat. Herzlichen Glückwunsch,
       Mikhail Zygar. Ich hoffe auf viele weitere Ausbrüche.
       
       29 Oct 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.instagram.com/p/CkJNv1WM3Q0/?igshid=YmMyMTA2M2Y%3D
 (DIR) [2] https://www.instagram.com/reel/CkJOBxtI3Kk/?igshid=MDJmNzVkMjY=
 (DIR) [3] /Russischer-Sender-TV-Doschd/!5758305
 (DIR) [4] https://www.amnesty.de/mitmachen/urgent-action/russland-aktivistin-droht-erneut-haft-2022-09-23
       
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 (DIR) Erica Zingher
       
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