# taz.de -- Russische Drohungen mit Atomwaffen: Verhandlungen jetzt
       
       > Es muss alles dafür getan werden, um mit Putin ins Gespräch zu kommen.
       > Solange der Diktator am roten Knopf sitzt, droht die größtmögliche
       > Eskalation.
       
 (IMG) Bild: Präsident und Despot: Wladimir Putin
       
       Eins vorab, weil es wichtig ist: dies ist kein Putin-Versteher-Kommentar.
       Jedenfalls nicht in dem Sinne, dass er Putins Handeln für irgendwie
       angemessen oder gar entschuldbar hält. Was der russische Despot betreibt,
       ist ohne Wenn und Aber verwerflich. Der Angriff auf die Ukraine. Das
       Vernichten zehntausender Menschen dort, aber auch [1][zehntausender
       Russ:innen, die er an der Front verheizt]. Das Durchführen [2][irrer
       Scheinreferenden in Donezk und Luhansk]. Die [3][erwartbare Annexion dieser
       Gebiete]. Und nicht zuletzt die Drohung mit dem Einsatz von Atomwaffen.
       Deshalb hat die Ukraine selbstverständlich auch jedes Recht, sich zu
       verteidigen und besetzte Gebiete zurückzuerobern.
       
       Und dennoch lautet das Gebot der Stunde, dass alles, aber auch wirklich
       alles dafür getan werden muss, um mit Putin ins Gespräch zu kommen. Offene
       Verhandlungen ohne Vorbedingungen. Das muss die schärfste Reaktion des
       Westens sein. Warum? Weil sonst der Atomkrieg droht.
       
       Ist das nicht irre? Ja, leider. Aber wer auch nur ansatzweise versucht zu
       verstehen, wie Putin tickt, kommt schnell zu der Erkenntnis, dass sehr
       wenig, genauer genommen gar nichts dafür spricht, dass Putin auf den
       Einsatz von Atomwaffen verzichten würde. Denn offensichtlich ist ihm alles
       egal. Das Gleichgewicht des Schreckens? Nukleare Abschreckung funktioniert
       ja nur, wenn sie als solche auch wahrgenommen wird. Ansonsten ist sie ein
       Spiel mit der größtmöglichen Eskalation.
       
       Mit jeder an sich erfreulichen Erfolgsmeldung der ukrainischen Armee wird
       sie wahrscheinlicher. Gerade weil Putin in die Ecke gedrängt wird, macht
       ihn das unberechenbar. Gerade weil er mit der Einverleibung der Ostgebiete
       die Grenze und damit die rote Linie auf eine für die Ukraine nicht
       akzeptable Weise nach Westen verschoben hat. Dagegen hilft nur das
       schärfste Schwert der Demokratien: Reden.
       
       Der Westen ist schon längst erpressbar 
       
       Schon klar. Bisher hat Putin jedes Gespräch abgelehnt. Auch weil ihm –
       verständlicherweise – nichts geboten wurde. Deshalb müssen Gespräche so
       offen sein, dass alles auf den Tisch kommt. Und alles heißt auch: der
       Grenzverlauf. Krim. Donezk. Luhansk. Das ist unerträglich. Aber immer noch
       erträglicher als ein Atomkrieg.
       
       Wäre das nicht der Kniefall vor dem Despoten? Ja, aber … Würde das Putin
       besänftigen? Vielleicht nicht, aber… Würde er nicht später noch mehr
       fordern? Gut möglich, aber … Macht das den Westen nicht erpressbar? Hier
       wenigstens ein klares Nein. Der Westen hatte sich längst erpressbar gemacht
       – durch die Abhängigkeit von russischem Gas, Öl und anderen Rohstoffen. Und
       er wird erpressbar bleiben, solange Putin am roten Knopf sitzt.
       
       Die Eskalation kann man nur mit einer Waffe bekämpfen: Deeskalation. Denn
       wie enden Kriege? Entweder mit der Kapitulation einer Seite. Das erscheint
       hier undenkbar. Oder mit Friedensverhandlungen. Oder wenigstens mit
       Gesprächen über einen Waffenstillstand, der an Bedingungen geknüpft wird,
       die keiner Seite gefallen können, weil es immer ein für beide schmerzhafter
       Kompromiss ist. Nichts, das man will. Nichts, das man wirklich gutheißen
       kann. Und Nicht-Krieg ist auch noch lange kein Frieden. Aber immer noch
       besser als Atomkrieg.
       
       29 Sep 2022
       
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