# taz.de -- Diskussion über Einwanderung in den USA: Offene Grenzen wird es nicht geben
       
       > Republikanische Gouverneure in den USA benutzen Migrant:innen als
       > Druckmittel. Gleichzeitig sucht die Linke ihre Position zur Einwanderung.
       
 (IMG) Bild: Migrant*innen versuchen über den Rio Grande nach Texas zu gelangen
       
       Kürzlich habe ich einer vierköpfigen Familie aus Kolumbien geholfen, vier
       Flugtickets von Medellín nach Mexiko zu kaufen. Sie planen, von dort mit
       dem Bus an die US-Grenze zu fahren und dann zu Fuß nach Texas einzuwandern.
       Sie entschlossen sich zu der gefährlichen Reise, weil die Pandemie die
       wirtschaftlichen Probleme in Lateinamerika verschärft hat.
       
       Am härtesten traf dies Menschen aus Venezuela. Von der bergigen und
       sumpfigen Südgrenze Panamas wurde in den vergangenen Monaten gemeldet, dass
       viele von ihnen und viele andere aus Südamerika sich auf die Flucht in die
       Vereinigten Staaten gemacht haben.
       
       Aus Florida kommen Nachrichten über eine Eskalation der sogenannten
       Flüchtlingskrise. Floridas Gouverneur Ron DeSantis sorgte Anfang September
       für einen Proteststurm, als er etwa 50 Geflüchtete aus Venezuela [1][per
       Flugzeug nach Martha’s Vineyard bringen ließ], eine Insel vor
       Massachusetts, auf der viele liberale Prominente luxuriöse Sommerhäuser
       haben. Er folgte dem Beispiel Greg Abbotts, des gleichfalls
       republikanischen Gouverneurs von Texas, der Tausende Migrant*innen per
       Bus in progressive Großstädte wie Washington, D. C., oder New York
       verfrachten ließ.
       
       Seither wird hitzig über den Umgang mit Geflüchteten debattiert, stets mit
       den wichtigen Zwischenwahlen Anfang November im Blick. Als der bekannte
       Dokumentarfilmer Ken Burns auf CNN seine neue Dokumentation „Die USA und
       der Holocaust“ vorstellte, handelte er sich einen Shitstorm ein. Er hatte
       die Verschickung der Geflüchteten nach Martha’s Vineyard mit der Behandlung
       jüdischer Menschen durch die Nationalsozialisten gleichgesetzt. Es sei
       verstörend, wenn DeSantis Menschen aus politischen Motiven als Druckmittel,
       ja als Waffe missbrauche, erläuterte Burns.
       
       Auch mehrere bewaffnete Amokläufe des vergangenen Jahrzehnts wurden von den
       Tätern nicht nur rassistisch begründet, sondern richteten sich unmittelbar
       gegen Migrant*innen. Selbst die New York Times sprach in einem Kommentar
       von einem PR-Manöver des Gouverneurs von Florida, mit dem er nur vorgeblich
       den Migrant*innen helfen wollte. DeSantis hatte sich mit einer sehr
       lockeren Coronapolitik in Florida Sympathien bei seiner Wählerschaft
       erworben und ist ein möglicher Präsidentschaftskandidat der Republikaner.
       
       Einwanderung ist eine zentrale Frage, der sich die Linke stellen muss.
       Bislang ist nicht klar, wie eine emanzipatorische Antwort auf die
       Problematik aussehen soll. Die Linke in den USA ist tief gespalten: Sollte
       es offene Grenzen geben, oder reicht es aus, unerlaubte Grenzübertritte zu
       entkriminalisieren?
       
       Sozialdemokratinnen wie [2][die Autorin Angela Nagle] befürchten ähnlich
       wie Sahra Wagenknecht in Deutschland, dass [3][offene Grenzen sich negativ
       auf das Lohnniveau aller Beschäftigten auswirken]. Eher anarchistisch
       orientierte Stimmen wie Noam Chomsky warnen, dass schon eine Debatte über
       diese Frage Geflüchtete gefährde.
       
       Offene Grenzen wird es in einem kapitalistischen System aber nicht geben.
       Wir müssen uns eher mit den Bedingungen auseinandersetzen, die ständig
       Migrationsbewegungen in verschiedenen Regionen der Welt verursachen, und
       wir müssen dafür sorgen, dass es für sie legale Wege gibt, in
       entwickelteren und mutmaßlich stabileren Volkswirtschaften eingebürgert zu
       werden.
       
       Noch wichtiger ist, dass sich die Arbeiterklasse nicht durch Debatten über
       Einwanderung spalten lässt. Es muss sichergestellt sein, dass alle, die in
       die USA kommen, um hier zu arbeiten, volle Bürgerrechte erhalten,
       einschließlich des Rechts, für allgemeingültige Löhne zu arbeiten und ihre
       politischen Vertreter*innen wählen zu können.
       
       Aus dem Englischen von Stefan Schaaf
       
       1 Oct 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Migranten-in-den-USA/!5884554
 (DIR) [2] https://www.deutschlandfunk.de/angela-nagle-die-digitale-gegenrevolution-100.html
 (DIR) [3] https://americanaffairsjournal.org/2018/11/the-left-case-against-open-borders/
       
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 (DIR) Laurie Rojas
       
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