# taz.de -- Zukunftszentrum Deutsche Einheit: Überflüssiges Trösterchen
       
       > Das Zukunftszentrum Deutsche Einheit ist ein spätes Placebo für verletzte
       > ostdeutsche Seelen. Profitieren werden nur die Berufshelden von einst.
       
 (IMG) Bild: 1989 noch in Feierlaune: Deutsch-deutsches Treffen auf der Mauer am 9. November
       
       Déjà-vu, und zwar 2017 beim „Institut für gesellschaftlichen Zusammenhalt“.
       Erst kommen die Millionen aus Berlin, [1][dann wird um ein Konzept
       gestritten], dann hört man praktisch nichts mehr vom Projekt. 2022 heißt es
       „Zentrum für Deutsche Einheit und Europäische Transformation“, ein spätes
       Placebo für verletzte ostdeutsche Seelen. Es geht nicht mehr nur um 35,
       sondern um 220 Millionen Euro Investitionen.
       
       Wer braucht ein solches Zentrum jetzt noch? Laute Rufe aus der Bevölkerung
       sind nicht zu vernehmen. Revolutionsromantiker, die 1989 wirklich etwas
       riskiert haben, seufzen und versuchen auch 33 Jahre danach noch, sich im
       herbeigesehnten Paradies zu orientieren. Meine Friseurin, [2][wie alle
       Sachsen in die Apokalypse verliebt], prophezeit, der bevorstehende
       Krisenherbst werde „schlimmer als 1989“.
       
       Um die Kenntnisse der Nachgeborenen kümmern sich brauchbare Schullehrpläne
       und auch einige vorbildliche SED-Opferbeauftragte. Forschungen zu anderen
       osteuropäischen Transformationsgesellschaften gibt es seit vielen Jahren am
       Dresdner Hannah-Arendt-Institut und anderswo – nur nicht genügend beachtet.
       Welchen Mehrwert brächte ein aufgesetztes Prestigeprojekt, zumal es
       absehbar auch nur das seit 1990 dominierende Narrativ historisierend
       fortsetzen würde?
       
       Die Initiatoren meinten es 2019 gut, und auch den Bürgermeistern der
       sächsischen Bewerberstädte Leipzig und Plauen merkt man ehrliche Sorge um
       die mentalen Folgen der Vereinigungsbrüche an. Die aber kuriert eine
       weitere Gesprächswerkstatt nicht. Gefeiert wird die damalige erfolgreiche
       Renitenz der DDR-Bürger inzwischen wieder auf der Straße, leider von den
       Falschen. Im Bewusstsein, schon einmal ein System gestürzt zu haben, rufen
       Pegida und die Gegenallesmotzer die nächste Revolution herbei.
       
       Dagegen kommt kein Zukunftszentrum aufklärerisch an. Es nährt vielmehr den
       Verdacht, die Bundesregierung wolle sich mit einem „Wir tun was“ angesichts
       des latenten Unbehagens selbst beruhigen. Und dem „Aufarbeitungsgewerbe“,
       [3][den Berufshelden von einst], eine weitere Plattform sichern.
       
       8 Sep 2022
       
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