# taz.de -- Erdoğan spricht mit Putin in Sotschi: Dürre Erklärung
       
       > Die wirtschaftliche Zusammenarbeit ist nur Vorwand für das erneute
       > Zusammentreffen der Machthaber. Erdoğan geht es um den Einmarsch in
       > Syrien.
       
 (IMG) Bild: Das Treffen in Sotschi sorgte im Vorfeld für Spannung, das Ergebnis bleibt noch vage
       
       Istanbul taz | Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat sich am
       Freitag innerhalb von drei Wochen zum zweiten Mal persönlich mit dem
       russischen Präsidenten Wladimir Putin getroffen. Erdoğan reiste mit relativ
       kleinem Gefolge zu Putins Sommerresidenz am Schwarzen Meer nach Sotschi.
       Von nachmittags um 15 Uhr bis in den Abend wurde verhandelt, mal unter vier
       Augen, mal in einer größeren Gruppe.
       
       Am Ende veröffentlichte der Kreml eine dürre Erklärung, in der beide Länder
       verkünden, ihre wirtschaftliche Zusammenarbeit ausweiten zu wollen. Die
       Kooperation solle in den Bereichen Verkehr, Landwirtschaft, Finanzen und
       Bau vertieft werden. Allerdings gab es keine Pressekonferenz, und von
       türkischer Seite nahm niemand zu den Ergebnissen der Gespräche Stellung.
       
       Offiziell ging es auch um die von Erdoğan mit vermittelten
       [1][Getreidelieferungen aus ukrainischen Häfen] und eine Bestätigung dieses
       Deals auf höchster Ebene sozusagen. Putin dankte Erdoğan für sein
       Engagement in dieser Sache. Hauptthema des Treffens sollen aber die
       Wirtschaftsbeziehungen zwischen den beiden Ländern gewesen sein, in denen
       Erdoğan eine ganz neue Seite aufschlagen wollte. Tatsächlich sollen einige
       Vereinbarungen unterschrieben worden sein, vor allem im Energiebereich.
       
       ## Die Zusammenarbeit ist für Putin ein Erfolg
       
       Putin lobte die Zusammenarbeit mit der Türkei. Die TurkStream genannte
       Gaspipline, die von der südrussischen Küstenstadt Anapa aus durch das
       Schwarze Meer verläuft, sei die einzige noch gut funktionierende Gasleitung
       nach Europa, von der natürlich auch die Türkei erheblich profitiert.
       Billiges Gas aus Russland ist für die türkische Wirtschaft existenziell.
       Erdoğan versprach dafür, zukünftig auch einen Teil der Gasrechnung in Rubel
       zu zahlen. Außerdem soll der russische Atomkonzern Rosatom ein an der
       türkischen Mittelmeerküste im Bau befindliches Atomkraftwerk nun zügig
       fertigstellen.
       
       Diese öffentlich verkündeten Ergebnisse des Treffens in Sotschi können aber
       kaum der Grund gewesen sein, warum Erdoğan den russischen Kriegspräsidenten
       Putin so dringend innerhalb von drei Wochen erneut sprechen wollte und
       Putin, der seit seinem Einmarsch in die Ukraine persönliche Begegnungen
       eher meidet, auch bereit war, Erdoğan einzuladen. Für Putin ist es sicher
       ein Erfolg, dass das Nato-Land Türkei die ökonomischen Beziehungen mit
       Russland ausbauen möchte, während die übrigen Nato- und EU-Staaten gerade
       einen Wirtschaftskrieg gegen Russland führen.
       
       Doch das ist ja eigentlich nicht neu, die Türkei hat sich von Beginn an
       gegen Sanktionen ausgesprochen. Von russischer Seite war im Vorfeld des
       Treffens das Gerücht aufgebracht worden, Putin könnte mit Erdoğan über den
       Kauf bewaffneter Drohnen sprechen wollen. Die Türkei hat in der
       Vergangenheit das russische Raketenabwehrsystem S-400 gekauft und damit die
       USA nachhaltig verärgert. Der Verkauf von Kampfdrohnen an Putin zum Einsatz
       in der Ukraine wäre dann aber wohl doch ein Schritt zu weit für Erdoğan,
       der sich seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine geschickt
       zwischen beiden Seiten bewegt. Über das Thema sei auch nicht geredet
       worden, hieß es am Freitagabend denn auch aus russischen Quellen.
       
       ## Erdoğan geht es um Syrien
       
       Der eigentliche Grund, warum Erdoğan auf das Treffen gedrängt hat, dürfte
       ein anderer gewesen sein. Der türkische Präsident plant seit Wochen eine
       neue, vierte [2][Militäroperation in Nordsyrien] gegen die kurdische Miliz
       YPG. Vor allem die Stellungen der YPG westlich des Euphrats in Manbidsch
       und Tel Rifaat sollen angegriffen werden. Die türkische Armee und ihre
       syrischen Hilfstruppen stehen bereit, doch für den Angriffsbefehl braucht
       Erdoğan die Zustimmung Putins.
       
       Bei dem letzten [3][Treffen in Teheran vor drei Wochen] wollte weder der
       ebenfalls in Syrien engagierte Iran noch Putin dem Drängen Erdoğans
       nachgeben. Statt dass Erdoğan weitere Gebiete in Nordsyrien besetzt, will
       Putin, dass die Truppen seines Protegés Baschar al-Assad das Grenzgebiet
       zwischen Syrien und der Türkei wieder unter ihre Kontrolle bekommen. Doch
       Erdoğan wollte die Absage in Teheran nicht hinnehmen.
       
       Ob Erdoğan bei seinen stundenlangen Gesprächen mit Putin in Sotschi nun
       weitergekommen ist als in Teheran, wird sich erst in den kommenden Tagen
       zeigen. Die schriftliche Erklärung am Ende des Treffens blieb in dieser
       Hinsicht vage. Man habe sich darauf verständigt, den Terror in Syrien
       gemeinsam zu bekämpfen, hieß es. Das kann alles oder nichts bedeuten.
       Wahrscheinlich ist aber, dass ein türkischer Einmarsch näher gerückt ist.
       
       6 Aug 2022
       
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