# taz.de -- Hanfparade in Berlin: Alles geht viel zu langsam
       
       > Bei der Hanfparade entlädt sich Unmut über die rot-grün-gelbe
       > Bundesregierung, die die Entkriminalisierung von Cannabis nicht
       > vorantreibt.
       
 (IMG) Bild: Selfie vor Hanfblatt
       
       Berlin taz | Die Band Raggabund ist noch bei der Arbeit und formuliert
       Textzeilen wie “die Joints sind am Brennen und wir schlagen Alarm“ oder die
       Forderung “Ganjapflicht für die Polizei“. Und dann betritt auch schon er
       die Bühne, [1][Burkhard Blienert] von der SPD, der Drogenbeauftragte der
       Bundesregierung. Die Hanfparade gibt es seit 25 Jahren und nie zuvor hat
       sich jemand in seiner Position getraut, dort aufzutreten. Warum auch?
       
       Um den Freunden des gepflegten Joints zu sagen: Saufen ist immer noch
       besser, Cannabis ist kein Brokkoli und die Legalisierung wird nie kommen?
       Auf diesem Niveau bewegte sich schließlich die Drogenpolitik der
       Regierungsverantwortlichen in den letzten Jahrzehnten.
       
       Jetzt aber ist ja alles anders. Die Prohibition von Cannabis soll beendet
       werden. Darauf hat sich [2][die Koalition aus SPD, FDP und den Grünen]
       geeinigt. Die Drogenpolitik soll ein ganzes Stück weit vernünftiger und
       pragmatischer werden. Auch Dank der unermüdlichen Aktivisten und
       Aktivistinnen, die Jahr für Jahr bei der Hanfparade auftraten und
       Aufklärungsarbeit leisteten in einem Land, in dem eine Partei wie die CDU
       immer noch so tut, als würde jeder, der sich gerne einen Feierabendjoint
       gönnt, sozusagen zwangsläufig als nächstes viel härtere Drogen konsumieren.
       
       Hanfparade und Drogenbeauftragter sitzen nun also im gleichen Boot, könnte
       man meinen. Er, der schlaksige SPD-Mann und die Kiffer, die sich hier zur
       Auftaktkundgebung der Hanfparade am Neptunbrunnen ganz in der Nähe des
       Roten Rathauses versammelt haben. Nicht wenige sind während Blienerts
       Auftritt gerade dabei, sich einen ordentlichen Spliff zu bauen, die Polizei
       hält sich schließlich angenehm zurück. Das war vor ein paar Monaten bei
       einer Kifferdemo vor dem Brandenburger Tor ganz anders, als überall
       nachgeschnüffelt wurde, ob da nicht was Illegales in der Selbstgedrehten
       gelandet ist.
       
       Wie ein Popstar indes wird der Politiker nicht gerade empfangen. Denn
       inzwischen gibt es einiges an Unmut innerhalb der Kifferszene darüber, wie
       seitens der Regierung an der Beendigung der Prohibition gearbeitet wird.
       Als es losging mit der Ampel, war die Euphorie noch groß. Manche dachten
       vielleicht sogar, es werde nur ein paar Wochen dauern, bis sie schönes Gras
       an zertifizierten Abgabestellen erwerben können. Während der Deutsche
       Hanfverband realistischer war und klar machte: Geduld, liebe
       Cannabis-Konsumenten, es gibt noch viele Fragen zu klären, das kann und
       soll auch noch ein wenig dauern.
       
       ## Auch der Hanfverband beschwert sich
       
       Inzwischen beschwert sich aber auch der Hanfverband, dass alles zu langsam
       voran gehe. Dass man von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD)
       weiterhin sehr viel über die neuesten Corona-Studien höre, aber so gut wie
       nichts zum Ziel, die Prohibition beenden zu wollen. Und auch der
       [3][Berliner Richter Andreas Müller, legendärer
       Entkriminialisierungsaktivist] und Dauergast auf den Hanfparaden, hat
       gerade eben erst in einem “taz“-Interview geäußert, dass jetzt endlich mal
       etwas voran gehen müsse.
       
       Somit wird Blienert bei seiner Rede sicht- und hörbar nicht als einer
       begrüßt, bei dem man sich vorstellen kann, ihm schon bald ein Denkmal zu
       bauen als Totengräber einer gescheiterten Drogenpolitik, sondern eher als
       Blah-Blah-Politiker, dem man kein Wort glauben kann. “Wir sind schon am
       Arbeiten“, sagt dieser, und “wir sind schon auf einem richtig guten Weg.“
       Daraufhin murrt die Menge und einer hält sein Schild noch höher: “SPD, FDP,
       Grüne – haltet eure Versprechen“, steht darauf.
       
       Es heißt, [4][dies könnte die letzte Hanfparade] überhaupt sein. Weil 2023,
       da sind sich die weiteren Redner trotz allem einig, wird ihr Ziel erreicht
       sein. Mal sehen. Man könnte es eigentlich auch als positives Zeichen
       werten, dass sich nach Polizeiangaben nur 1.500 Demonstrierende eingefunden
       haben, obwohl die Veranstalter mit weit mehr gerechnet haben. Viele
       scheinen eben doch zu glauben, die Sache ist schon gelaufen, Cannabiskonsum
       wird bald legal sein, da kann man auch daheim bleiben und einen rauchen.
       
       14 Aug 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Moegliche-Legalisierung-von-Cannabis/!5858164
 (DIR) [2] /Neue-Regierung-von-SPD-Gruenen-und-FDP/!5816977
 (DIR) [3] /Interview-mit-Richter-Andreas-Mueller/!5871530
 (DIR) [4] /Gruener-Vorstoss-zur-Hanf-Liberalisierung/!5874199
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Hartmann
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Cannabis
 (DIR) Hanfparade
 (DIR) Cannabis
 (DIR) taz Plan
 (DIR) Cannabis
 (DIR) Cannabis
 (DIR) Drogenkonsum
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Cannabis-Legalisierung: Chaos um legalen Bubatz
       
       Die Ampel will Cannabis legalisieren, nun gibt es angeblich ein erstes
       Eckpunktepapier. Es folgen Verwirrung und Empörung auf allen Seiten.
       
 (DIR) Kinotipp der Woche: Ungewisse Zone
       
       Das Lichtblick-Kino zeigt mit „Stalker“, „Solaris“ und „Nostalghia“ drei
       Filmklassiker des sowjetischen Sci-Fi-Meisters Andrei Tarkowski.
       
 (DIR) Interview mit Richter Andreas Müller: „Es wird friedlicher werden“
       
       Die Ampel will das Hanf freigeben. Doch am Ende könnte deutsche
       Gründlichkeit verhindern, dass das klappt, befürchtet der
       Legalisierungsbefürworter.
       
 (DIR) Grüner Vorstoß zur Hanf-Liberalisierung: Endlich ungestört kiffen
       
       Die Grünenfraktion macht einen drogenpolitischen Vorstoß: Kiffen solle in
       vielen Fällen gar nicht mehr verfolgt werden – auch nicht pro forma.
       
 (DIR) Veröffentlichung des UN-Drogenberichts: Kiffen wird beliebter
       
       Seit 2013 ist der Cannabiskonsum in Deutschland um 50 Prozent gestiegen.
       Auch durchs Kiffen verursachte Krankenhausaufnahmen haben zugenommen.