# taz.de -- Ökonom über drohenden Handelskrieg: „Weniger China, mehr USA“
       
       > Eine Abkopplung von China würde Deutschland sechsmal so viel kosten wie
       > der Brexit, sagt Ifo-Ökonom Florian Dorn.
       
 (IMG) Bild: Abhängig: Volkswagen erwirtschaftet fast die Hälfte seines Umsatzes in der autoritären Volksrepublik
       
       taz: Herr Dorn, Ihrer Studie zufolge würde ein Handelskrieg mit China die
       Deutschen fast sechsmal so viel kosten wie der Brexit. Die deutsche
       Wirtschaft büßte im Zuge des Brexits rund 0,14 Prozent an
       Wirtschaftsleistung ein. Warum halten Sie einen BIP-Verlust von knapp 0,9
       Prozent im Falle eines Handelskriegs mit China dennoch für dramatisch? 
       
       Florian Dorn: Das klingt zwar wenig. Die Prozentwerte beziehen sich aber
       auf einen langfristige Niveaueffekt der Wirtschaftsleistung. Die realen
       Wachstumsverluste in der Übergangsphase im Falle eines Handelskriegs mit
       China würden weitaus größer ausfallen. [1][Deutschland als Exportnation]
       müsste sein Geschäftsmodell neu ausrichten. Ganze Branchen würden Einbrüche
       erleben.
       
       Welche Branchen wären besonders betroffen? 
       
       Insbesondere Branchen im verarbeitenden Gewerbe, die stark im
       internationalen Handel verflochten sind. Der größte Verlierer wäre die
       Automobilindustrie. Hier würde es einen Wertschöpfungsverlust von rund 8,3
       Milliarden Dollar geben, das entspricht einem Minus von rund 8,5 Prozent.
       Auch die Maschinenbauer, die Transportausrüstung herstellen, wären mit
       einem Minus von über 5 Milliarden Dollar und Unternehmen massiv betroffen.
       Sie müssten auf günstige Vorleistungsgüter aus China verzichten, die sie
       dann teurer aus anderen Ländern beziehen müssten. Zugleich würde der große
       Absatzmarkt China für sie wegbrechen.
       
       VW, BASF oder Siemens produzieren für den chinesischen Markt zum großen
       Teil vor Ort. Würde ein Handelskrieg wirklich so viele Arbeitsplätze
       hierzulande vernichten? 
       
       Zwar produzieren diese Unternehmen in China. Aber trotzdem beziehen sie
       viele Vorprodukte von Fabriken und Zulieferern hier in Deutschland. Fallen
       diese Aufträge weg, würde das auch hier viele Arbeitsplätze kosten.
       
       Für wie wahrscheinlich halten Sie das Szenario eines Handelskriegs? 
       
       Darüber mag ich nicht spekulieren. Was wichtig ist – und das hat nicht
       zuletzt der Ukraine-Krieg gezeigt: Dass wir auf unterschiedliche Szenarien
       vorbereitet sind. Die aktuellen [2][Spannungen zwischen China und Taiwan],
       sowie China und den USA zeigen, wie groß das Konfliktpotenzial ist. Und
       Deutschland und Europa könnten da schnell mit einbezogen werden. Insofern
       sollten die Unternehmen lieber schon jetzt mit der Diversifizierung
       beginnen.
       
       Ist die Studie nicht Beleg dafür, dass die deutsche Abhängigkeit von China
       längst zu groß ist und wir uns deswegen auf keinen Fall an einem
       Handelskrieg beteiligen sollten? 
       
       Natürlich wäre es wünschenswert, Handelskriege zu vermeiden.
       De-Globalisierung oder Handelskriege machen immer ärmer. Aber man sollte
       nicht blauäugig in die Zukunft blicken und sagen: Das wird schon nicht
       passieren, weil das schadet ja beide Seiten. Die Entscheidung eines
       Handelskriegs wird aber nicht allein von Deutschland getroffen, sondern ein
       Handelskrieg kann auch umgekehrt von China gestartet werden. Sicherlich
       sollten sich Unternehmen nicht ohne Not von wichtigen Handelspartnern
       abwenden. Ich würde parallel dennoch bereits jetzt stärker auf
       Freihandelsabkommen mit gleichgesinnten Nationen wie etwa den USA setzen.
       Das sollte das Ziel der deutschen und europäischen Wirtschaftspolitik sein.
       
       Wäre eine Rückverlagerung vieler Betriebe aus China, also eine
       Nationalisierung von Lieferketten, keine Lösung? 
       
       Nein, im Gegenteil: Eine Rückverlagerung der Produktion nach Deutschland,
       in die EU oder auch in benachbarte Regionen, würde noch deutlich höhere
       Kosten für die Wertschöpfung in Deutschland bedeuten. Das liegt daran, dass
       die Produktion dadurch deutlich teurer wird. Wir würden in
       Wirtschaftsbereichen die Produktion und Beschäftigung hochfahren, die im
       Vergleich zu anderen Branchen hierzulande unproduktiv wäre. Außerdem würden
       wir die Preise unserer Produkte im Welthandel nach oben treiben und an
       Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Im Endeffekt würde es dabei zu weniger
       Nachfrage im In- und Ausland nach vielen dieser Waren kommen. Durch
       Rückverlagerung würde die deutsche reale Wirtschaftsleistung im Niveau um
       etwa 9,9 Prozent sinken. Wir würden also deutlich an Wertschöpfung und
       Wohlstand verlieren.
       
       Was wären dann die Alternativen zu China? 
       
       In einem Szenario haben wir die Entkopplung der westlichen Länder von China
       simuliert, kombiniert mit einem Handelsabkommen zwischen der EU und den
       USA. Ein solches US-europäisches Handelsabkommen könnte die negativen
       Auswirkungen der Entkopplung des Westens von China zwar nicht vollständig
       ausgleichen. Durch die erwarteten Gewinne im Handel mit dem großen Markt
       der USA würden die Kosten netto aber auf einem ähnlichen Niveau liegen wie
       die erwarteten Kosten des Brexits. In diesem Szenario wüssten wir
       zumindest, was auf uns zukäme.
       
       8 Aug 2022
       
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