# taz.de -- Hilfesystem für junge Flüchtlinge: Jugend-Notdienst ist überlastet
       
       > Aufnahme für junge Flüchtlinge seit Monaten überbelegt. Hilferuf der
       > Beschäftigten: Den Kindern gehe es schlecht. Behörde dementiert
       > Polizeieinsätze.
       
 (IMG) Bild: Seit September schon reisen wieder deutlich mehr Minderjährige allein ein: Ankunft in Deutschland
       
       Hamburg taz | Ein anonymer Hinweis wies dieser Tage die taz auf „aktuell
       prekäre Verhältnisse“ beim Hamburger [1][Kinder & Jugendnotdienst] (KJND)
       hin. Die Erstaufnahme für junge, unbegleitete Flüchtlinge in der
       Feuerbergstraße sei stark überbelegt. „Und keiner weiß mehr, wohin mit den
       in Obhut genommenen Kindern“, heißt es in dem Schreiben. Es gebe viele
       Gewaltmeldungen und Polizeieinsätze. „Den verwahrten Kindern geht es
       schlecht.“
       
       Die taz hat ferner Kenntnis von einer behördeninternen Mail, die schon Ende
       Mai vor einer Zuspitzung warnte und die Jugendämter aufforderte, sich bei
       freien Trägern der Jugendhilfe um Plätze für die Kinder zu bemühen.
       
       [2][Der Notdienst besteht aus drei Abteilungen]: einem Mädchenhaus mit elf
       Plätzen, einer allgemeinen Unterbringung für Kinder ab zehn Jahren mit
       maximal 46 Plätzen und besagter „Erstaufnahme“ für unbegleitete junge,
       männliche Kinder und Jugendliche ab acht Jahren mit 44 „betriebserlaubten“
       Plätzen.
       
       So steht es jedenfalls in der Antwort auf eine [3][Linken-Anfrage von Ende
       Juni], in der Hamburgs Senat die hohe Belegung bestätigt. Die städtische
       Einrichtung ist die einzige in Hamburg, die Kinder nicht abweisen darf und
       aufnehmen muss.
       
       ## Personalschlüssel ist deutlich schlechter
       
       Die Hinweisgeber, die anonym bleiben wollen, berichten, dass die
       Heimaufsicht der KJND-Erstaufnahme eigentlich vor etwa zwei Wochen einen
       Belegungsstopp auferlegt habe. Dies habe sie aber auf Ansage der
       Behördenleitung zurücknehmen müssen und sei nun angewiesen „die Füße still
       zu halten“.
       
       Wie aus der Linken-Anfrage hervorgeht, gibt es zudem keine Gleichbehandlung
       der Kinder und Jugendlichen im Betreuungsschlüssel. So ist im Idealfall für
       die inländischen Kinder ein Personalschlüssel von 1:1,09 vorgesehen, für
       die eingereisten Kinder ein Schlüssel von 1:5 – ein deutlich schlechteres
       Betreuungsverhältnis also für die ausländischen Kinder.
       
       Für die 44 aktuell erlaubten Plätze für allein aus dem Ausland eingereiste
       Kinder und Jugendliche gibt es auf dem Papier nur 18 Pädagogenstellen, von
       denen aber zudem Ende Juni viereinhalb unbesetzt waren. Also leisten
       faktisch 13,5 Fachkräfte die Rund-um-die-Uhr-Betreuung. Hinzu kommen
       Krankenfehltage und Fluktuation. Das führte offenbar zu diesem Hilferuf.
       
       ## Stellen spät ausgeschrieben
       
       Der Senat räumt in der Anfrage ein, dass vier dieser Stellen erst im Mai
       ausgeschrieben wurden. „Die Bewerbungsfrist läuft noch.“ Der ohnehin magere
       Stellenschnitt war bis dahin noch nicht angepasst worden, obwohl seit
       September 2021 im Zuge des Afghanistan-Abzuges die Zahlen deutlich
       anstiegen.
       
       Auf Anfrage der taz erklärt die Sozialbehörde, dass im März 107, im April
       62, im Mai 77 und im Juni 66 Kinder und Jugendliche in der Erstaufnahme
       waren. „Es handelt sich dabei um die insgesamt im Monat betreuten, nicht um
       gleichzeitig betreute Personen“, sagt Sprecher Martin Helfrich. In der
       Regel liege die Verweildauer bei vier Wochen. Aktuell, Stand Mitte Juli,
       seien dort 32 junge Menschen untergebracht, so der Sprecher. Laut jenen
       Hinweisgebern ist die Lage trotzdem prekär.
       
       Helfrich berichtet, es seien in den letzten Monaten viele junge Geflüchtete
       aus Afghanistan und der Ukraine gekommen. Die Überschreitung der
       vorgesehenen Belegung sei „durch die Heimaufsicht genehmigt“. Gefragt, ob
       es stimme, dass die Heimaufsicht einen Belegungsstopp zurückziehen musste,
       sagt er: „Die Behördenleitung war mit den diesbezüglichen Entscheidungen
       nicht befasst.“ Auch Polizeieinsätze habe es nicht gegeben. Nur eine
       Gewalttat sei bekannt.
       
       Besagte Personalstandards ergäben sich daraus, dass die Unterbringung in
       der Erstaufnahme nur vorübergehend sei. Allerdings halten sich die jungen
       Geflüchteten laut Daten aus der Linken-Anfrage dort im Schnitt sogar länger
       auf als die inländischen KJND-Kinder in ihrer Unterbringung.
       
       ## Zwei-Klassen-System der Jugendhilfe?
       
       Die Linken-Abgeordnete Sabine Boeddinghaus will nun noch mal eine Anfrage
       stellen, um Licht in die Sache zu bringen. Sie wolle hier niemanden an den
       Pranger stellen, aber generell müsse dieses Hilfesystem auf den Prüfstand.
       „Man müsste überlegen, ob die Kapazitäten ausreichen und ob der KJND nicht
       besser dezentral organisiert wäre.“
       
       Der frühere Jugendreferent der Linken und heutige Straßenkinder-Botschafter
       Ronald Prieß sieht zudem das Problem einer „Zwei-Klassen-Jugendhilfe“. So
       seien die Personalstandards auch in den Folgeeinrichtungen für junge
       Geflüchtete schlechter. Ermöglicht werde dies durch den [4][Einsatz von
       Sicherheitsdiensten]. Prieß: „Das ist fachlich inakzeptabel.“
       
       15 Jul 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/80315/kinder_und_jugendnotdienst_als_problematischer_ort_konzeption_plaetze_und_aktuelle_belegungsquote.pdf
 (DIR) [2] /Hamburger-Kinder--und-Jugendnotdienst/!5773055
 (DIR) [3] https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/80315/kinder_und_jugendnotdienst_als_problematischer_ort_konzeption_plaetze_und_aktuelle_belegungsquote.pdf
 (DIR) [4] /Security-in-der-Hamburger-Jugendhilfe/!5509057
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kaija Kutter
       
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