# taz.de -- Rückgabe an Kamerun: Die Göttin darf gehen
       
       > Stiftung Preußischer Kulturbesitz will mit Kamerun über Rückgabe von
       > „Ngonnso“ verhandeln. Aktivist*innen feiern die Heimkehr der
       > verehrten Figur.
       
 (IMG) Bild: Die „Schalenträgerfigur“ Ngonnso in der Ausstellung im Humboldt Forum
       
       Berlin taz | Der Weg für die Rückkehr von „Ngonnso“ nach Kamerun ist frei:
       Der Rat der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) hat am Montag seinen
       Präsidenten Hermann Parzinger ermächtigt, mit den zuständigen Kameruner
       Stellen über die Rückgabe der Statue zu verhandeln.
       
       Parzinger begrüßte die Entscheidung: „Der Beschluss macht deutlich, dass es
       bei der Frage der Rückführung von Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten
       nicht allein auf einen Unrechtskontext ankommt. Auch die besondere – vor
       allem spirituelle – Bedeutung eines Objekts für die Herkunftsgesellschaft
       kann eine Rückgabe begründen. Wir werden nun daran arbeiten, mit der
       Republik Kamerun und den Vertretern der Nso den Rückgabeprozess zu
       gestalten“, sagte er laut Pressemitteilung.
       
       Ngonnso ist eine mit Kaurischnecken beklebte Holzfigur von rund einem Meter
       Höhe, die von EthnologInnen als „Schalenträgerfigur“ bezeichnet wird. Seit
       der Eröffnung des Ethnologischen Museums im Humboldt Forum vergangenen
       September ist sie im 2. Stock im Kamerun-Saal zu sehen. Allerdings gibt es
       seit Jahrzehnten Rückgabeforderungen, viele Kameruner*innen sagen, sie
       sei ihnen während der deutschen Kolonialherrschaft gestohlen worden.
       
       ## „Schenkung“ an Kolonialsoldaten?
       
       Seitens der SPK wurde das lange zurückgewiesen, wie die Institution auch in
       anderen Fällen über Jahrzehnte alle Rückgabeforderungen rigoros abgebügelt
       hat. Ngonnso sei eine Schenkung des preußischen Offiziers Kurt von Pavel,
       hieß es immer. Doch Pavel war kein friedlicher Sammler, sondern Kommandeur
       der Kaiserlichen Schutztruppe und Leiter diverser „Strafexpeditionen“ in
       Kamerun, mit denen die Deutschen den antikolonialen Widerstand ersticken
       wollten. Dabei kam er im Januar 1902 auch in die Region Banso und deren
       Hauptort Kumbo, wo er in den Besitz der Figur kam – wie genau, ist wohl
       unklar.
       
       In Kamerun ist diese Geschichte schmerzlich lebendig. Vom Volk der Nso, das
       im Nordwesten des Landes lebt, wird Ngonnso bis heute als Urmutter,
       Gründerin und spirituelle Kraft verehrt. Nicht wenige schreiben ihrer
       Abwesenheit kollektive Unglücke zu, von Missernten bis hin zum seit
       einigen Jahren währenden Bürgerkrieg der englischsprachigen Nordwestregion
       gegen die frankophone Zentralregierung.
       
       Forderungen nach Rückgabe wurden daher in den letzten 40 Jahren immer
       wieder formuliert, etwa vom Fon der Nso, dem traditionellen Führer.
       Bewegung kam in die Sache aber erst mit der Eröffnung des Humboldt Forums
       und dem Protest von Aktivist*innen der Gruppe „[1][BringbackNgonnso]“,
       die vor dem Museum demonstrierten und deren Wortführerin [2][Sylvie Vernyuy
       Njobati] später mit Parzinger sprechen konnte.
       
       Im Dezember 2021 tauschten sich dann Vertreter der Nso mit
       Museumsvertreter*innen und Wissenschaftler*innen zur
       Provenienzgeschichte und der Bedeutung der Figur für die Nso aus. „Sie
       stellten gemeinsam fest, dass die Ngonnso zwar nicht durch Plünderung im
       Rahmen von Kriegshandlungen (…) entfernt wurde. Jedoch war von Pavels
       Aufenthalt in Kumbo auch ohne konkrete Kampfhandlungen Ausdruck ungleicher
       Machtverhältnisse und struktureller, kolonialer Gewalt, denn er wurde von
       Soldaten und bewaffneten Trägern begleitet und sollte einschüchternd auf
       die Nso’ wirken“, erklärte die Stiftung am Montag.
       
       ## Inspiration für andere Communities
       
       Auf Seiten der Aktivist*innen wurde die Nachricht mit großer Freude
       aufgenommen. „Finally“, kommentierte Nyobati für #bringbackngonnso auf
       Twitter. „We are bringing back Ngonnso“. Sie hoffe, dass dies auch andere
       Communities ermuntere, Gerechtigkeit zu verlangen. „[3][I am very opened to
       sharing experiences and learning as well from any one or institution
       interested“], schrieb sie.
       
       Die nun anstehenden Verhandlungen dürften für Parzinger aber nicht einfach
       werden, da er sowohl mit dem Fon als auch mit der Zentralregierung über die
       Modalitäten der Rückgabe verhandeln muss. Laut eines Spiegel-Artikels
       erhofft sich der Nso-Führer durch Ngonnsos Rückkehr eine Stärkung seiner
       Macht, was der Regierung in Yaoundé im aktuellen Konflikt kaum schmecken
       werde.
       
       Andererseits: Im Fall von Nigeria, wo es um [4][die Rückgabe der
       Benin-Bronzen] geht, haben sich lokale und nationale Autoritäten trotz
       Streitereien auch zusammengetan, um gemeinsam mit den Deutschen zu
       verhandeln.
       
       27 Jun 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://twitter.com/ngonnso?ref_src=twsrc%5Egoogle%7Ctwcamp%5Eserp%7Ctwgr%5Eauthor
 (DIR) [2] /Aktivistin-ueber-koloniales-Erbe/!5808577
 (DIR) [3] https://twitter.com/ngonnso/status/1541377759573942273
 (DIR) [4] /Einigung-zu-Raubkunst-aus-Nigeria/!5808206
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Susanne Memarnia
       
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