# taz.de -- DFB-Team in EM-Form?: Formen und performen
       
       > Wo steht das deutsche Team? Einige unbekannte Variablen machen den
       > Ausgang dieser Europameisterschaft für die DFB-Elf zum Vabanquespiel.
       
 (IMG) Bild: Implementierung von Überraschungsmomenten: Bundestrainerin Voss-Tecklenburg
       
       Das deutsche Team hat sich rargemacht [1][vor der Europameisterschaft]. Nur
       zwei Begegnungen standen die letzten zwölf Wochen auf dem Programm. Es
       blieben zwei Eindrücke haften, die gegensätzlicher kaum sein könnten. Das
       letzte Pflichtspiel Mitte April bei der WM-Qualifikation in Serbien ging
       mit 2:3 völlig überraschend verloren und war ein Zeugnis verstörender
       Hilflosigkeit. Einer Machtdemonstration dagegen glich der EM-Test vor gut
       zehn Tagen gegen die Schweiz (7:0), die [2][in der Fifa-Rangliste weit vor
       Serbien] rangiert. Wie gut ist der deutsche Frauenfußball also noch?
       
       Mit dieser Frage beschäftigt man sich beim Dauereuropameister zwischen 1995
       und 2013 spätestens seit dem unrühmlichen EM-Ausscheiden 2017 im
       Viertelfinale. Die vorläufige Antwort darauf wird mitunter durch das
       nächste Spiel (Dienstag, 21 Uhr, gegen Spanien) widerlegt. Ein Grund
       vielleicht, warum Trainerin Martina Voss-Tecklenburg ihrem Team vor der EM
       eine Art Klausur in Herzogenaurach verordnete mit intensiven Übungsstunden
       und nur einem öffentlichen Auftritt.
       
       Im möglichst frustrationsfreien, sicheren Raum soll Stabilität geschaffen
       werden. Und Voss-Tecklenburg will dafür auch mit Worten Schwächen in
       Stärken umwandeln: „Andere Nationen wissen im Moment nicht so genau, wozu
       wir in der Lage sind. Das kann für uns zu einem Riesenvorteil werden, und
       wir müssen das für uns nutzen“, erklärte sie jüngst der Süddeutschen
       Zeitung.
       
       Möglichst eingängig versuchte sie Anfang März die Herausforderung für das
       DFB-Team zu beschreiben: „Wir müssen noch ein bisschen formen, um zu
       performen.“ Die 54-Jährige ist immer noch auf der Suche nach der Umsetzung
       ihrer Vorstellung eines attraktiven und offensiven Fußballs, der gerade aus
       den Umschaltphasen heraus seine Wirkung zeigen soll. Für die WM 2019 stand
       der damals neuen Bundestrainerin nur ein halbes Übungsjahr zur Verfügung.
       Gute Ansätze, aber die angestrebte Olympiaqualifikation wurde durch das
       Scheitern im Viertelfinale gegen Schweden verpasst. So lautete im Anschluss
       die nüchterne Bilanz.
       
       ## Viel zu gewinnen, viel zu verlieren
       
       Seither formt und formt Martina Voss-Tecklenburg ohne wirklich bleibende
       Wirkung. Das hat auch mit allerlei Widrigkeiten zu tun. Im sich dynamisch
       entwickelnden Frauenfußball haben etliche aufstrebende Nationen wie etwa
       Gastgeber England oder die Niederlande und Spanien viel zu gewinnen und der
       einstige Dominator Deutschland hat viel zu verlieren. Die durch die
       Pandemie gesteigerten personellen Unberechenbarkeiten haben es erschwert,
       eine eingespielte Elf herauszubilden. Beim wichtigen Vorbereitungsturnier
       im Februar mit EM-Gastgeber England, Spanien und Kanada musste das DFB-Team
       14 Absagen verkraften.
       
       Aber auch bei freier Wahl plagt die Bundestrainerin ein Problem. Sie
       verfügt über einen nicht ausbalancierten Kader. Während Voss-Tecklenburg
       für das Offensivspiel zwischen vielen Optionen wählen kann, ist der Ausfall
       von Defensivkräften deutlich schwieriger zu kompensieren. [3][Marina
       Hegering], die aufgrund von Knieproblemen und einer Covid-Infektion nur
       fünf Saisoneinsätze in der Bundesliga hatte, ist etwa aus der
       Innenverteidigung kaum wegzudenken, zumal neben ihr die gelernte
       Außenbahnspielerin Kathy Hendrich vor gut einem halben Jahr erst umgeschult
       wurde. Freiwillig hat sich Voss-Tecklenburg bei der Nominierung auf nur
       sechs Abwehrspielerinnen beschränkt, weil sie in der Not lieber weitere
       Umschulungsmaßnahmen vornimmt. Flügelstürmerin Nicole Anyomi etwa könnte
       hinten rechts aushelfen.
       
       Aber auch mit einer Fülle an Möglichkeiten ist nicht einfach umzugehen.
       Angesichts der großen Offensivauswahl an unterschiedlichsten Typen von
       Spielerinnen, mit viel Zukunft vor sich wie Jule Brand (19) und Klara Bühl
       (21) oder viel Erfahrung wie Svenja Huth (31) und Alexandra Popp (31),
       müsste das deutsche Team eigentlich eine große Unberechenbarkeit entfalten
       können.
       
       Allerdings wirkten in der jüngsten Vergangenheit gerade die
       Angriffsbemühungen der DFB-Elf gegen stärkere Teams häufig allzu
       schematisch. In schwierigen Momenten limitierte man sich mit dieser steifen
       Disziplinierung selbst. Der Rückzug des deutschen Teams zuletzt in
       Herzogenaurach dürfte für Improvisationsübungen genutzt worden sein, um
       mehr Überraschungsmomente schaffen zu können.
       
       Durch den Ausfall von so erfahrenen wie hochklassigen Spielerinnen wie
       Melanie Leupholz (Schwangerschaft) und Dzenifer Marozsán (Kreuzbandriss)
       ist das mehr denn je im deutschen Kader zu einer Frage des Kollektivs
       geworden. Bislang fehlte diesem gerade nach Rückständen noch die Fähigkeit
       zur Selbstregulation.
       
       Auch deshalb ist die DFB-Elf einerseits Kandidat für ein historisch
       frühzeitiges Ausscheiden, weil die Gruppengegner Spanien und Dänemark viel
       Qualität mitbringen. Andererseits ist das Team nicht nur für DFB-Direktor
       Oliver Bierhoff ein Kandidat für das EM-Halbfinale. Wo der deutsche
       Frauenfußball steht, wird vermutlich selbst nach diesem Turnier nicht
       einfach zu sagen sein, weil derzeit allerorten so viel in Bewegung ist.
       
       9 Jul 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://de.uefa.com/womenseuro/
 (DIR) [2] https://www.fifa.com/de/fifa-world-ranking/women?dateId=ranking_20220617
 (DIR) [3] https://de.wikipedia.org/wiki/Marina_Hegering
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Johannes Kopp
       
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