# taz.de -- Die Wahrheit: Kalifornische Kaftane und Feze
       
       > Demnächst beginnt in San Diego das „Tiki Oasis“ – ein Festival für alle
       > Freunde des verstiegenen amerikanischen Schnickschnacks. Eine Vorschau.
       
       Das kalifornische San Diego liegt knapp 9.400 Kilometer Luftlinie von
       Berlin entfernt. Und ich spiele gerade mit dem Gedanken hinzutrampen. Das
       würde ein wenig dauern, aber ich müsste auch erst Anfang August dort sein,
       mit Hawaii-Kleidern und einem Kaftan im Gepäck. Vom 3. bis 9. August findet
       in San Diego nämlich die alljährliche „Tiki Oasis“ statt, ein Festival für
       Tiki-Fans, und schon die Titel der Veranstaltungen machen einem den Mund
       wässrig.
       
       Im Freitagsseminar „Underwater Posing & Portraits“ ließen sich garantiert
       Erkenntnisse fürs Leben gewinnen. Die Seminarleiterin „MeduSirena, the Fire
       Eating Mermaid“ ist dafür bekannt, „jeden unter Wasser gut aussehen zu
       lassen“. Das dort entstehende Foto wäre eine immerwährende Erinnerung –
       auch an meine Aquaphobie.
       
       Danach trocknet man sich ab, wirft einen Kaftan über und geht zum
       „Breakfast with the Aloha Caftan Society“, einer wünschenswerten Peer Group
       mit außergewöhnlich gutem Geschmack. Es gibt Granola & Joghurt Parfait
       Shots, vegetarisches Eiersoufflé, Taquitos mit Mango Salsa und Bloody Mary,
       vor allem Letztere birgt Kleckergefahr, so ein Kaftan – meiner besteht aus
       grüner Seide – ist eine Menge Stoff und lässt sich nicht gut waschen.
       
       Nach einem „Singalong with King Kukulele“ könnte man sich einen
       musikalischen Vortrag über Ska Music in Jamaica anhören, um dann, sofern
       man über 18 ist, zur Mittagszeit einer Veranstaltung namens „Rum. Power.
       People.“ beizuwohnen, in der bei einem „Portobello Rum Punch“ die
       Verknüpfung von Rum mit Kolonialismus und organisiertem Verbrechen
       aufgearbeitet wird. „Rum has quite a spirited history“, kündigt der Dozent,
       ein afrobritischer Tiki-Bartender an. Hoffentlich beeinträchtigen die
       Spirits nicht die Aufnahmefähigkeit. Und wenn doch, lässt sich bei einem
       „Hangover be gone!“-Work-0ut mit El Vez, dem mexikanischen Elvis, einiges
       herausschwitzen.
       
       Nachmittags steht eine Lektion „Tropical Flower Arrangements“ auf dem
       Programm – ein unverzichtbarer Kurs, die dort erworbenen Kenntnisse lassen
       sich auf meine präferierten Pflanzen Kakteen und Geldbäume sicher anwenden.
       
       Als Letztes winkt der Vortrag „History of the Fez: From Ottoman Empire to
       Tiki Bar Icon“. Der Dozent ist Rechtsanwalt und Kulturwissenschaftler, hat
       in „Flohmarktkunde“ promoviert und besitzt über dreißig Feze. In einem etwa
       zehnminütigen, selbstproduzierten YouTube-Trailer für das Seminar trägt er
       einen schwarzen mit einer irritierend langen Quaste. Seine Ankündigung
       konnte mich nicht wirklich davon überzeugen, an dem Seminar teilzunehmen.
       Mich beschlich eher das Gefühl, dass es sich eventuell um einen etwas
       exzentrischen Vielschwätzer handeln könnte.
       
       Aber der Portobello Rum Punch wird für Milde sorgen. Und wenn nicht, helfe
       ich mit einem Royal Navy Fog Cutter nach. Die Wörter „Kulturelle Aneignung“
       lassen sich schließlich auch noch mit zwei Promille buchstabieren.
       
       1 Jul 2022
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jenni Zylka
       
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