# taz.de -- Macht in der Zukunft: Das Matriarchat
       
       > Wir schreiben das Jahr 2036. Vor drei Jahren wurde die Herrschaft der
       > Frauen eingeführt. Was für eine Last für die Männer!
       
 (IMG) Bild: Geht nicht im Matriarchat: kurze Hosen, vor allem nicht an alten Männern mit weißen Beinen
       
       Früher wollten alle wissen, was sie erwartet, heute haben die meisten schon
       von der Gegenwart genug. Wir blicken trotzdem einmal im Monat immer ein
       Jahrzehnt voraus: 
       
       Wir schreiben das Jahr 2036. „Hüte dich vor der Dings …“, ruft mein
       Futurologe Zbigniew aus dem Future Room herüber, wo er ein Tool entwickelt,
       mit dem man in der Zukunft liegende Zeiträume verwalten kann – ein
       Hexenwerk! „Du weißt schon, vor deiner Hausnymphe – wie heißt die gleich:
       Anaphylactica?“
       
       „Apocalypso.“ – „Genau. Du sagst ja, sie lässt dir alle Freiheiten, aber
       den Frauen darfst du echt nie trauen. Seit Jom Kipppunkt bestimmen sie und
       niemand sonst, ob und welche Freiheiten du hast. Und die können sie auch
       noch jederzeit widerrufen.“
       
       Jom Kipppunkt bezeichnet den fatalen Moment vor genau drei Jahren, als am
       27. Juni 2033 um 13.13 Uhr die nach 5.000 Jahren Patriarchat gerade erst
       erreichte Geschlechtergerechtigkeit auf einmal in die andere Richtung
       kippte. Das Matriarchat war da. Es begann unspektakulär. Mit
       Tom[1][cat-Calling] („du stinkst, Alter!“), oder dem „Female Gaze“, der
       ungeniert über die Metal-Motive auf unseren T-Shirts wandert. Abschätzig
       von oben bis unten, als steckte da kein Mensch drin, sondern nur eine
       Witzfigur aus Fleisch.
       
       Doch das war nur der Anfang. Mittlerweile verfügen sie wie
       selbstverständlich über unsere Körper. Sie definieren, wie wir auszusehen
       und wie wir uns zu kleiden haben. Im Sommer keine kurzen Hosen, vor allem
       nicht an alten Männern mit weißen Beinen. Sie selbst hingegen laufen rum
       wie sie wollen. Ständig müssen wir Würste essen und [2][Bier trinken],
       damit unsere Bäuche lustig aussehen und sich gut anfassen. Wer nicht
       mitmacht, wird öffentlich geshamt. Schlimm, dass sich daran auch viele
       Männer beteiligen. Anstatt sich solidarisch zu zeigen, schmeißen sie sich
       tatsächlich an die Unterdrückerinnen ran.
       
       Immerzu müssen wir irgend eine sinnlose Scheiße zusammendübeln, den Rasen
       mähen, böse und gefährlich gucken, im Garten grillen oder Fußball glotzen –
       es ist so demütigend, auf ein hohles Baumarktbastelmännchen reduziert zu
       werden. Als hätten wir keine anderen Fähigkeiten, als hätten wir nichts im
       Kopf.
       
       Doch unsere Frauen wollen vor ihren Freundinnen mit uns angeben: Was für
       stattliche Bäuche wir haben, wie perfekt wir nach ihrer Pfeife tanzen,
       kurzum, wie gut sie uns abgerichtet haben.
       
       Aber meine Hausnymphe Apocalypso ist wirklich anders. Sie sieht in mir den
       Menschen und nicht den Mann. Ich darf sogar eine Stunde am Tag mansplainen,
       und sie streicht mir dabei über den Kopf. Das erkennt am Ende auch Zbigniew
       an. Stolz zeigt er mir das Tool, das er gebastelt hat: „Ich denke, ich
       nenne es Kalender.“ Er ist der beste Futurologe auf der ganzen Welt.
       
       30 Jun 2022
       
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