# taz.de -- Volleyballchef über SC Potsdam: „Die Chance müssen wir nutzen“
       
       > Die Volleyballerinnen vom SC Potsdam spielen überraschend um den
       > deutschen Meistertitel. Sportdirektor Rieger erklärt, worum es jetzt
       > geht.
       
 (IMG) Bild: Schlagkräftig: die Potsdamerin Anett Németh unter den Augen von Trainer Guillermo Naranjo Hernández
       
       taz: Herr Rieger, am Dienstag hat der SC Potsdam nicht nur überraschend,
       sondern mit 3:0 Sätzen auch deutlich beim Favoriten MTV Stuttgart die erste
       Partie der Finalserie gewonnen. Dieses Kunststück hat das Team in der
       Hauptrunde schon einmal vollbracht. Was bedeutet dieser Erfolg? 
       
       Stuttgart ist immer noch Favorit, aber wir wissen auch, wie es geht. In der
       Hauptrunde hat noch jeder gesagt, Stuttgart habe ja wegen der vielfachen
       Belastung ein, zwei Spielerinnen geschont. Am Dienstag haben wir taktisch
       einfach sehr gut gespielt.
       
       Stuttgart hat mit geschätzten zwei Millionen Euro in etwa einen doppelt so
       hohen Etat wie Potsdam. Wie lässt sich diese Kluft schließen? 
       
       Stuttgart ist derzeit der finanzstärkste Verein in Deutschland. Am Ende
       muss man das aber aufs Feld bringen. Dass sie das können, haben sie diese
       Saison oft genug bewiesen. Wir haben nur die Mittel, die uns zur Verfügung
       stehen. Aber natürlich müssen wir die steigern.
       
       Wie sehr hilft dabei der erstmalige Einzug in die Finalserie? 
       
       Wenn wir es jetzt nicht schaffen, den Etat ein deutliches Stück zu erhöhen,
       dann weiß ich auch nicht. Die Chance müssen wir jetzt nutzen, um auch die
       ein oder andere Spielerin nach Potsdam für die kommende Saison zu locken.
       Vielleicht auch für nicht allzu viel Geld, weil viele Spielerinnen in die
       Champions League wollen. Damit wäre man interessant.
       
       [1][Seitdem der SC Potsdam 2009] in die 1. Bundesliga aufgestiegen ist,
       geht es Schritt für Schritt nach oben. Es scheint, Erfolg ist planbar. 
       
       Nein, das glaube ich nicht. Unser Erfolg zuletzt hängt viel mit dem
       Trainerteam um Guillermo Naranjo Hernández zusammen, das ja auch beim
       griechischen Nationalteam zusammenarbeitet. Das Training, die Struktur, das
       Scouting, alles stimmt. Wir spielen seit 2018 relativ schnellen Volleyball,
       wie wir es die Jahre davor nicht gemacht haben. Es ist ein ganz anderes
       Konzept, mit dem wir es neben Stuttgart, [2][Schwerin] und Dresden unter
       die ersten vier geschafft haben.
       
       Scouting ist ein gutes Stichwort. Sie haben sich vor der Saison mit
       Spielerinnen aus Ungarn, Italien, den USA, der Schweiz, Serbien und
       Griechenland verstärkt. Warum hat der SC Potsdam einen so guten Überblick? 
       
       Der große Vorteil ist, dass unser Trainerteam beste Kontakte [3][in die
       Volleyballwelt] hat. Dass sie ganz viele Videos und Statistiken anschauen
       und natürlich auch danach entscheiden, was finanziell möglich ist. Wir
       können nicht so viel ausgeben wie andere Vereine. Anett Németh zum Beispiel
       ist ungarische Nationalspielerin, hatte aber vor anderthalb Jahren einen
       Kreuzbandriss. Das ist für uns ein Risiko gewesen, aber wir haben auf sie
       gesetzt, weil sie ein Megatalent ist. Oder Anastasia Cekulaev …
       
       … die für viele das größte deutsche Volleyballtalent ist. 
       
       An ihr waren auch finanzstärkere Vereine wie Dresden und Schwerin
       interessiert. Wir haben viel mit ihr gesprochen. Ein Vorteil war
       sicherlich, dass sie beim Probetraining bei uns war und das Trainerteam
       kennen gelernt hat. Dass sie sich als 18-Jährige so schnell entwickelt und
       in ihrer ersten Saison Stammspielerin wird, war auch nicht planbar.
       
       Im Vergleich zu Stuttgart, Dresden und Schwerin ist Potsdam auch bei den
       Zuschauerzahlen noch schwächer aufgestellt. 
       
       Die Leute kommen, wenn Erfolg da ist. Hat man mal einen Titel geholt und
       lässt etwas nach, kommen die Leute auch noch. 2019/20 haben wir eine sehr
       gute Saison gespielt und gesehen, wie die Zuschauerzahlen in der Saison
       stetig angestiegen sind. Die Coronapandemie hat uns in der Entwicklung dann
       zurückgeworfen. Was den Publikumszuspruch angeht, sind wir aber die
       erfolgreichste Frauenliga in Deutschland. Wir haben mehr Zuschauer als die
       Fußballerinnen und auch mehr als Männer in der Volleyball-Bundesliga.
       
       Im internationalen Vergleich schaut es nicht gut aus. Warum hat es der
       Frauensport hier so schwer? 
       
       In Italien oder in der Türkei sind die Firmen eher bereit, Geld zu
       investieren. Das erhöht die Qualität und die Spannung. Wenn man in der
       Türkei Spiele besucht, da brennt die Halle. Man muss in Deutschland mehr an
       das Produkt Frauensport glauben. Da fehlt es bislang noch an Mut. Wir
       können einen genauso attraktiven und tollen Sport bieten wie die Männer.
       Das hat man auch am Dienstag gesehen.
       
       28 Apr 2022
       
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