# taz.de -- Pressefreiheit in Hongkong: Kein Einzelfall
       
       > Das „nationale Sicherheitsgesetz“ unterdrückt kritische Presse in
       > Hongkong. Mit Allan Au wurde nun ein renommierter Journalist verhaftet.
       
 (IMG) Bild: Dem Journalisten Allan Au droht eine Haftstrafe von bis zu zwei Jahren
       
       PEKING taz | Allan Au hatte es sich zur Angewohnheit gemacht, jeden Tag mit
       einem „Guten Morgen“ auf seinem Facebook-Account zu beginnen. Es war ein
       scheinbar triviales Zeichen mit einer ernsten Botschaft, die da lautete:
       Ich befinde mich in Sicherheit.
       
       Am Montag hatte der 54-jährige Journalist keine Zeit mehr für sein
       Morgenritual. Um 6.30 stürmten Sicherheitsbeamte in seine Wohnung [1][im
       Hongkonger Stadtteil Kwai Chung]. Stundenlang wurde Au verhört, ehe
       allmählich Details über seine Verhaftung an die Öffentlichkeit
       durchsickerten: Angeblich wird ihm vorgeworfen, „aufrührerische Inhalte“
       publiziert zu haben. Diese wurden im mittlerweile eingestellten Stand News
       veröffentlicht – und laut Angaben der South China Morning Post wird ihm
       auch vorgeworfen, „Hass gegen die Regierung“ angefacht zu haben. Allan Au
       drohen nun bis zu zwei Jahre Gefängnis.
       
       Damit hat es nun einen der renommiertesten Kollegen der Stadt getroffen.
       Der Hongkonger gewann in seiner über Jahrzehnte spannenden Karriere etliche
       Preise, war einst Recherche-Stipendiat in Stanford und moderierte bis vor
       Kurzem seine eigene Talkshow im Radio. Seine Kolumnen wurden von einer
       treuen Leserschaft debattiert, seine feingeistigen wie kritischen
       Blog-Einträge auf den sozialen Medien von Branchenkollegen aufmerksam
       verfolgt.
       
       Sein Schicksal ist kein Einzelfall, sondern wird immer mehr zur traurigen
       Regel. Noch immer werden fast täglich kritische Journalisten in Hongkong
       verhaftet. Etliche weitere Kolleginnen und Kollegen der mittlerweile
       eingestellten unabhängigen Medien haben bereits vorzeitig die Reißleine
       gezogen. Sie arbeiten mittlerweile als Taxifahrer, Lieferkuriere oder haben
       eigene Restaurants eröffnet. Die Gefahr ist schließlich [2][zu groß
       geworden, hinter Gittern zu landen] – nicht zuletzt, weil die „roten
       Linien“ in Hongkong alle paar Wochen neu gezogen werden. Wo die Grenzen des
       Erlaubten verlaufen, wird immer undurchsichtiger.
       
       ## Höhnische Aussagen
       
       Die jetzige Festnahme von Allan Au lässt sich trotz allem als neue
       Eskalationsstufe bezeichnen – und eine ganz offensichtliche
       Machtdemonstration der Regierung, die schon bald ihre Führung auswechseln
       wird: Carrie Lam wird bei den kommenden Scheinwahlen nicht mehr antreten
       und stattdessen ihrem wahrscheinlichen Nachfolger John Lee Platz machen.
       Dieser ist ein Apparatschik aus den Sicherheitsbehörden, der zunächst als
       Polizist Karriere gemacht hat.
       
       Beide – Lam und Lee – wollten sich, wenig überraschend, nicht weiter zu den
       Details der Verhaftung äußern, doch gaben sie unisono an, dass die
       Pressefreiheit in Hongkong weiter gewährleistet sei. Solch höhnische
       Aussagen versinnbildlichen, wie unverhohlen Hongkongs Führung an der
       Realität der Bevölkerung vorbei lügen kann.
       
       Seit die Zentralregierung in Peking der Sonderverwaltungszone [3][Hongkong
       vor knapp zwei Jahren ein „nationales Sicherheitsgesetz“] aufgezwungen hat,
       sind praktisch sämtliche kritische Publikationen in die Knie gezwungen
       worden. Ihre Vermögenswerte wurden eingefroren, die leitenden Angestellten
       ins Gefängnis geschickt. Jeder Leitartikel, jedes kritische Zitat eines
       Interviewten kann als Straftatbestand ausgelegt werden – etwa „Subversion“
       oder „Verschwörung mit ausländischen Kräften“.
       
       Wie Forscher des US-amerikanischen Georgetown Center for Asian Law in einer
       Analyse herausfanden, wird bis heute im Schnitt alle dreieinhalb Tage ein
       Hongkonger im Namen des „nationalen Sicherheitsgesetzes“ verhaftet – für
       Verbrechen wohlgemerkt, die laut dem Gesetz noch bis Mitte 2020 nicht als
       Straftaten galten. Als erste wurden die aktivistischen Blogger mundtot
       gemacht. Mit Allan Au hat es auch einen kritischen Intellektuellen
       erwischt, der nicht im Mindesten unter Verdacht stand, auf Krawall
       gebürstet zu sein.
       
       In seinen letzten melancholisch-resignierten Blogeinträgen vor der
       Verhaftung schreibt Au, dass er die regelmäßigen Deadlines seines früheren
       Arbeitsalltags vermisse. Und mit Ermüdung verfolge er die
       Fernsehnachrichten, in denen sich niemand mehr traue, gesellschaftliche
       Entwicklungen kritisch zu kommentieren. Zu gegenwärtig sei die Angst, gegen
       das vage formulierte „nationale Sicherheitsgesetz“ verstoßen zu können. Au
       schlussfolgert, dass jeder „vernünftige Mensch“ dieser Tage eigentlich
       Hongkong verlassen sollte. „Ich bin jedoch gerade sehr irrational“, schrieb
       Au nur wenige Tage vor seiner Verhaftung.
       
       12 Apr 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Fabian Kretschmer
       
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