# taz.de -- Russlands Außenpolitik: Putins verquere Logik
       
       > Mehr Nato-Präsenz in Osteuropa, Nato-Beitritte, Aufrüstung der Ukraine:
       > Putins zerstörerische und brutale Außenpolitik wendet sich nun gegen
       > Russland.
       
 (IMG) Bild: Ein langer Tisch allein macht noch keine Politik
       
       Es ist eine gefühlte Ewigkeit her, da empfing Wladimir Putin Staatsgäste am
       langen Tisch, Nord Stream 2 galt als privatwirtschaftliches Projekt und dem
       russischen Außenminister Sergei Lawrow wurde aufmerksam zugehört. Da
       verlangte Russland „Sicherheitsgarantien“ und der Westen beriet darüber
       sorgfältig.
       
       Zu diesen Sicherheitsgarantien gehörte neben dem Beharren, die Ukraine
       dürfe nie der Nato beitreten, der Abzug aller Nato-Truppen aus den
       osteuropäischen Nato-Beitrittsstaaten und ein Ende aller militärischen
       Nato-Aktivitäten dort, ein vertraglicher Verzicht auf jeden weiteren
       Nato-Beitritt und ein Ende der „nuklearen Teilhabe“, also der Stationierung
       atomarer Kurz- und Mittelstreckenraketen der USA in Westeuropa.
       
       Im Gegenzug bot [1][Russland:] nichts. Die Forderungen waren unverhandelbar
       und wurden daher auch nicht verhandelt. Wenige Wochen später überfiel
       Russland die Ukraine. Moskau überzieht das Nachbarland seither im Namen der
       „Entmilitarisierung“ mit grausamsten [2][Kriegsverbrechen] und setzt eine
       im Namen der „Entnazifizierung“ gepredigte genozidale Auslöschungsrhetorik
       in die Tat um. Und als Folge tritt alles ein, was Russland mit seinem
       Forderungskatalog vorgeblich stoppen wollte.
       
       Die Nato-Militärpräsenz in Osteuropa wird ausgeweitet, die Ukraine wird
       aufgerüstet, eine Erhöhung der US-Nuklearpräsenz ist im Gespräch ebenso wie
       ein [3][Nato-Beitritt] bislang „neutraler“ Staaten wie Finnland oder
       Schweden – und Brüssel und Kiew sprechen über einen EU-Beitritt der
       Ukraine. Alles, was Russland vehement ablehnt, wird also in Reaktion auf
       Russland Realität.
       
       Man kann Putins Außenpolitik daher als ausgesprochen kontraproduktiv
       bezeichnen. Vielleicht hofft der russische Präsident, dass im Westen die
       üblichen Mahner weiter davor warnen, Russland zu „provozieren“ – so als ob
       Russland nicht schon unprovoziert schlimm genug agiert. Zu befürchten ist
       aber eher, dass diese Entwicklung gewollt ist. Putin zeichnet gegenüber dem
       russischen Volk ein Zerrbild des Westens als aggressive Kraft, die die
       russische Zivilisation im Namen der europäischen Liberalität zerstören
       will. Mit seiner Gewalt will er jetzt den Westen dazu bringen, diesem
       Zerrbild zu entsprechen – damit Russland als Führungsnation eines
       aggressiven „Antiwestens“ auftreten kann. Die Ukraine ist dafür Putins
       Fußabtreter.
       
       Gerade deswegen aber ist der Kurs, die Nato zu stärken, richtig und
       alternativlos. Wer daran zweifelt, braucht nur den Menschen in der Ukraine
       zuzuhören. Sie können davon Zeugnis ablegen, was passiert, wenn Russland
       sich durchsetzt. Wenn sie es überleben.
       
       12 Apr 2022
       
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