# taz.de -- Gentrifizierung und Polizeigewalt: Berlin bleibt dreckig
       
       > Polizeiwache am Kotti, Disney-Architektur am Hermannplatz: die neue
       > Koalition will Berlin aufpolieren. Doch zum Glück gibt es Widerstand.
       
 (IMG) Bild: Scheißen auf Großprojekte: Spatzen am Hermannplatz
       
       Wer einen Blick auf Berlins Zukunft erhaschen will, sollte Bauzäunen mehr
       Beachtung schenken. Pflastert ein Immobilienunternehmen mal wieder eine der
       letzten Brachen der Stadt mit Stahl und Beton zu, lässt es sich es meist
       nicht nehmen, als Vorgeschmack eine [1][computeranimierte Visualisierung]
       des fertigen Gebäudes an den Zaun zu hängen.
       
       In den Computeranimationen versuchen die Immobilien- entwickler*innen,
       ihre Idealvorstellung von städtischem Leben zu visualisieren: makellos
       glänzende Glasfassaden, saftiges, aber keineswegs unkontrolliertes Grün,
       das von Balkonen und Dachterrassen sprießt. Auf den Parkplätzen laden
       verheißungsvoll Tesla-Autos. Menschen gibt es auch, meistens gekleidet wie
       in einem Steuerbüro, genauso makellos sauber wie die Glasfassade und fast
       immer Weiß.
       
       Besonders unter Franziska Giffey, die in der letzten Wahl mit dem
       Versprechen von [2][„Sauberkeit und Sicherheit“] ihre Partei zum Sieg
       führte, scheint es sich die Berliner SPD zur Aufgabe gemacht zu haben, ganz
       Berlin in eine Bauzaun-Grafik zu verwandeln.
       
       ## Law & Sauberkeit
       
       So bedeutet „Sicherheit“ vor allem, unerwünschte Gruppen wie bettelnde
       Obdachlose, Drogennutzer*innen oder herumhängende Jugendliche mit
       erhöhter Polizeipräsenz zu verdrängen. Dieser Logik folgend, plant die
       Koalition die Errichtung einer Polizeiwache und [3][Videoüberwachung am
       Kottbusser Tor]. Bereits jetzt gibt es sieben „kriminalitätsbelastete Orte“
       (KbO) in Berlin, an denen die Polizei verdachtsunabhängige Kontrollen
       durchführen darf.
       
       Das [4][Bündnis „Ihr seid keine Sicherheit!“] kritisiert, KbO würden
       soziale Probleme nicht lösen, sondern nur verschärfen. Menschen, die
       aufgrund ihres Aussehens in das Profil der Polizei passten, liefen ständig
       Gefahr, erniedrigenden Polizeikontrollen ausgesetzt zu sein. Daher ruft das
       Bündnis zu einem Aktionswochenende für die Abschaffung
       kriminalitätsbelasteter Orte auf. Die Aktivist*innen haben ein
       umfangreiches Programm aus Workshops, Vorträgen, Küche für Alle, Musik und
       Perfomances zusammengestellt. Als Abschluss findet am Sonntag eine Demo
       gegen die Polizeiwache am Kotti statt. (Freitag bis Sonntag, 1.-3. April.
       Auftakt am Freitag, Panoramastraße 1, 10178. [5][Detailliertes Programm
       Online.])
       
       Der Abriss funktionaler Gebäude, die nicht „schön“ genug für maximale
       Profitverwertung sind, ist ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Ästhetik
       der Bauzaun-Grafiken. So wie in der [6][Habersaathstraße 41-48], wo ein gut
       erhaltener Plattenbau schicken Eigentumswohnungen weichen soll – zumindest,
       wenn es nach dem Willen des Eigentümers geht. Die verbliebenen
       Mieter*innen wehren sich schon seit Jahren gegen den spekulativen
       Leerstand im Gebäude und die Pläne des Eigentümers, das Haus abzureißen.
       [7][Am Freitag veranstaltet die im Umfeld des Hauses aktive Initiative
       Leerstand-hab-ich-Saath einen „Stadtpolitischen Spaziergang gegen
       Instandhaltungsrückstau und Abriss“] (Freitag, 1. April, Habersaathstraße
       48, 17 Uhr)
       
       ## Hermannplatz im Fokus
       
       Ähnlich geht der österreichische Immobilienriese Signa in Neukölln vor. Der
       Karstadt-Eigner möchte gerne die Filiale am Hermannplatz durch einen Neubau
       mit historischer Fassade erweitern. [8][Innensenator Andreas Geisel (SPD)
       hatte das Projekt zuletzt entgegen aller Versprechen von
       Bürger*innenbeteiligung durchgeprügelt.] Die SPD hofft, dadurch den
       als schmuddelig geltenden Hermannplatz aufwerten zu können.
       
       Gegner*innen des Projekts warnen schon seit Jahren, dass diese
       Aufwertung vor allem die Verdrängung ärmerer und unerwünschter
       Bevölkerungsgruppen bedeute. Die Kiezversammlung 44 veranstaltet daher am
       Samstag eine Kundgebung gegen Verdrängung, Mietenwahnsinn und Rassismus mit
       dem Titel: [9][„Giffey, Geisel & Co. auf den Mond schicken!“] (Samstag, 2.
       April, Hermannplatz, 14 Uhr)
       
       Dass Berlin in weiten Teilen immer noch eine vielfältige, bunte und zum
       Glück nicht allzu saubere Stadt geblieben ist, ist auch der starken
       stadtpolitischen Bewegung zu verdanken, die sich unermüdlich gegen
       Verdrängung und für den Erhalt von Freiräumen einsetzt. Zum Ende der
       diesjährigen [10][Housing-Action-Week] veranstalten die Aktivist*innen
       von Deutsche Wohnen Enteignen eine Kundgebung am Ostkreuz unter dem Motto
       [11][„Friedrichshain hat Eigenbedarf!“]. Neben Redebeiträgen gibt es auch
       Live-Musik und DJs. (Samstag, 2. April, Annemirl-Bauer-Platz, 15 Uhr)
       
       29 Mar 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://dstrctberlin.com/de/
 (DIR) [2] /Wahlkampf-mit-Franziska-Giffey/!5795582
 (DIR) [3] /Polizeiwache-am-Kottbusser-Tor/!5826104
 (DIR) [4] https://www.ihrseidkeinesicherheit.org/aktionswochenende/
 (DIR) [5] https://www.ihrseidkeinesicherheit.org/aktionswochenende/
 (DIR) [6] /Habersaathstrasse-in-Berlin-Mitte/!5735337
 (DIR) [7] https://strassegegenleerstand.de/?p=868
 (DIR) [8] /Geplanter-Karstadt-Umbau/!5838464
 (DIR) [9] http://www.kiezversammlung44.de/veranstaltungen/kundgebung-gegen-verdraengung-mietenwahnsinn-und-rassismus/
 (DIR) [10] http://www.kiezversammlung44.de/veranstaltungen/housing-action-week/
 (DIR) [11] https://stressfaktor.squat.net/node/211977
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jonas Wahmkow
       
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