# taz.de -- Wieder in den Berliner Kinos: Entrückte Karrieren
       
       > Landwirtschaft unter Druck im Zeughauskino, feministisches Kino mit
       > „Mädchen im Frack“ und Filme über das Filmemachen von Dziga Wertow.
       
 (IMG) Bild: So ein Frack setzt in Szene: Karin Swanströms „Mädchen im Frack“ (Schweden 1926)
       
       Die Dokumentarfilme des österreichischen Regisseurs Nikolaus Geyrhalter
       handeln allesamt von der rücksichtslosen Ausbeutung der Erde durch den
       Menschen: gnadenlose Dummheit im Namen des Kommerzes. Geyrhalter besuchte
       etwa in „Pripyat“ (1999) das Katastrophen-AKW von Tschernobyl und dessen
       Umgebung und zeigte in „Erde“ (2019), welche Mengen an Oberflächenmaterial
       der Mensch täglich bewegt (und wie er dabei die Umwelt zerstört).
       
       In „Unser täglich Brot“ (2005), der jetzt in der [1][gleichnamigen
       Filmreihe] im [2][Zeughauskino] zu sehen ist, blickt er auf die Folgen der
       Industrialisierung von Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion – und
       kann logischerweise einmal mehr kein positives Fazit ziehen. Dass
       Geyrhalter dem menschlichen Treiben skeptisch gegenübersteht, daraus macht
       er in seinen Filmen keinen Hehl. Interessant ist jedoch, dass er sowohl
       Didaktik als auch das Format Fernsehdoku strikt vermeidet. Stattdessen
       schafft der Regisseur, der meist auch sein eigener Kameramann ist, Bilder
       für die große Leinwand und führt Interviews, die immer auch von spürbarem
       Respekt für die Gesprächspartner geprägt sind (29.3., 20 Uhr,
       Zeughauskino).
       
       Gab es früher Frauen in verantwortlichen Positionen der internationalen
       Filmindustrie? Ja, durchaus – nur eben nicht in vergleichbaren Zahlen wie
       bei den Männern. Gelegentlich werfen kleine Entdeckungen einen Blick auf
       eine dieser dem Spotlight längst entrückten Karrieren: So etwa der
       Stummfilm „Flickan i frack“ („Mädchen im Frack. Eine sommerleichte
       Filmgeschichte“, 1926) in der Regie von Karin Swanström, den das
       [3][Filmmuseum Potsdam] in Zusammenarbeit mit den Internationalen
       Stummfilmtagen Bonn zeigt.
       
       ## Schwedischer Hosenauftritt
       
       Ursprünglich eine populäre Schauspielerin, spielte Swanström bis zu ihrem
       Tod 1942 im Alter von 69 Jahren eine höchst aktive Rolle im schwedischen
       Film – unter anderem hatte sie von 1934 bis 1942 gemeinsam mit ihrem Mann
       Stellan Claësson die Produktionsleitung des wichtigsten schwedischen
       Filmstudios AB Svensk Filmindustri (heute: SF Studios) inne.
       
       „Flickan i frack“ war ihre letzte Regiearbeit und erzählt eine kleine
       Emanzipationsgeschichte, die in komödiantischem Gewand herkömmliche
       Geschlechterrollen infrage stellt: Hauptprotagonistin Katja (Magda Holm)
       besucht darin als Protestaktion einen Ball im Frack ihres Bruders und löst
       mit diesem Hosenauftritt einen Riss in der Gesellschaft ihres kleinen
       Heimatortes aus, der nur schwer wieder zu kitten ist. Die Geschichte fand
       man übrigens dreißig Jahre später immer noch so aktuell, dass in den 1950er
       Jahren ein Remake (R: Arne Mattsson) entstand (26.3., 19 Uhr, Filmmuseum
       Potsdam).
       
       Der sowjetische Filmregisseur Denis Kaufman alias Dziga Wertow hatte ein
       klares Ziel vor Augen: die absolute Filmsprache, befreit von den Zwängen
       des Theaters, sprich Schauspieler, Kostüme und Kulissen. Sein bekanntester
       Film „Der Mann mit der Kamera“ (1929) thematisiert das Filmemachen selbst,
       indem er die Erzeugung von Bildern mit dem Aufnahmeapparat in den
       Mittelpunkt stellt und den gesamten Weg des Filmmaterials bis in den
       Kinosaal nachvollzieht. Beim [4][Stummfilm um Mitternacht] begleiten
       Stefano Pilia und Paolo Spaccamonti (Gitarren und Electronics) den
       Filmklassiker musikalisch (26.3., 23.59 Uhr, [5][Babylon Mitte]).
       
       24 Mar 2022
       
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 (DIR) [4] https://babylonberlin.eu/film/2845-stummfilm-um-mitternacht-der-mann-mit-der-kamera
 (DIR) [5] https://babylonberlin.eu/
       
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