# taz.de -- Deutschland und der Ukrainekrieg: Wir schaffen das nicht, wir verwalten das
       
       > Organisieren, strukturieren, managen. Darin ist Deutschland gut. Warum
       > finden diese Leute jetzt nicht den richtigen Weg, um den Krieg zu
       > beenden?
       
 (IMG) Bild: Eine werdende Mutter nach dem russischen Beschuss eines Krankenhauses in Mariupol am 9. März
       
       Bestimmte Fragen werde ich für immer stellen wie ein Kind. Das sind [1][vor
       allem ethische Fragen, solche, auf die „die Welt ist eben kompliziert“]
       entgegnet wird. Eine dieser Fragen lautet: Warum tut denn niemand was?
       
       Vielleicht liegt es ja an der Identitätskrise. Deutschland, wer? Dichter,
       Denker, Umdichter, Querdenker? Man denkt gern an Goethe und baut auf dessen
       Schaffen ein feines Selbstbild auf. Man denkt nicht so gern an die
       Nazigroßeltern. Schade übrigens, dass Merkel gegangen ist. Wer ist man noch
       ohne die Raute? Wofür steht man, wenn politischer Normcore-Fanatismus nicht
       mehr reicht im Angesicht von Krieg und Krisen?
       
       Dichter und Denker und Verwaltungsfachangestellte. Was man hier kann,
       ist Management. Nicht nur in Unternehmen, auch in Krisen. Montag früh
       landete der Branchennewsletter einer Jobplattform in meinem Postfach, von
       dem ich mir einrede, er würde meinen Horizont erweitern: „Die deutsche
       Automobilindustrie bewältigt Krisen bisher mit Bravour. Doch der Krieg in
       der Ukraine trifft die Branche ins Mark.“ Klares Managementproblem.
       Kabelbäume aus der Ukraine sind für deutsche Autobauende unverzichtbar.
       Jetzt muss man aber verzichten. Shit. Zeitgleich wird das eingekesselte
       Mariupol zur neuesten Schande europäischer Untätigkeit.
       
       ## Möglichst geringe Kosten
       
       Wegverwalter und Rausorganisiererinnen. Ist ja nicht so, als täte man
       nichts. Manche tun wirklich viel. Aber wenn wir Menschen live beim Sterben
       zusehen können, tut man dann genug und das Richtige? Die Bundesregierung
       wirkt gerade wie eine, die sich das alles möglichst wenig kosten lassen
       will. Wie eine, die alles versucht, um den Krieg zu managen. Nicht wie
       eine, die alles tut, um ihn zu beenden.
       
       Man hat sich scheinbar damit arrangiert, auch die dringlichsten Probleme
       unserer Zeit innerhalb der amtlich geltenden Bearbeitungszeiträume und nach
       Prüfung aller Sachlagen und Risikominimierungsanalysen etwa im Jahr 2050
       mit einem zukunftsfähigen und kompromissbasierten Handlungskonzept
       anzugehen. Klimakatastrophe, überlastetes Gesundheitssystem, Ungleichland –
       wir schaffen das nicht, wir verwalten das. Und jetzt verwalten wir auch
       Krieg, mal wieder.
       
       Nicht mal das Sterben reicht also, die Angst der Deutschen vor Unwägbarkeit
       und Radikalität zu überwinden. Ein Land klammert sich an seine
       Wohlstandskäseglocke. Ein Bundeskanzler sagt „Zeitenwende“, aber ein echtes
       Energieembargo bleibt aus. [2][Ein Ex-Bundespräsident findet, man müsse
       frieren für die Freiheit.] Aber niemand fragt: „Würden Sie uns wieder
       wählen, wenn wir Menschenleben für schützenswerter hielten als die schwarze
       Null?“ Vielleicht, weil sie fürchten, die Antwort wäre nein. Vielleicht
       haben sie recht. Doch wer sich Teil einer Wertegemeinschaft nennt, der
       bräuchte andere Maximen als Nationalstaat first, Humanismus second. [3][Was
       ein Kind fragt: Warum beendet niemand den Krieg?]
       
       29 Mar 2022
       
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