# taz.de -- Berlin plant Maßnahmen gegen Oligarchen: Rubel soll nicht mehr rollen
       
       > Um die Unterbringung von Geflüchteten aus der Ukraine zu refinanzieren,
       > will Finanzsenator Wesener russisches Kapital in Berlin „auftauen“.
       
 (IMG) Bild: Die 23 Berliner Finanzämter kommen ihren Aufgaben nach
       
       Luxusjachten wie die 700 Millionen Euro teure „Eclipse“ kreuzen nicht auf
       dem Berliner Wannsee. Dennoch ist auch die deutsche Hauptstadt seit der
       Finanzkrise 2008 zu „Berlingrad“ geworden. Darauf will [1][Finanzsenator
       Daniel Wesener (Grüne)] nun reagieren. „Russisches Kapital darf in Berlin
       nicht gewaschen werden“, sagte Wesener der taz. „Wir müssen auch die
       Superreichen aus Russland an den Kosten der Unterbringung von ukrainischen
       Kriegsflüchtlingen beteiligen.“
       
       „Russisches Vermögen auftauen“, heißt das in einem Papier aus der
       Finanzverwaltung, das der taz vorliegt. Auf knapp eine Milliarde Euro
       schätzen die Finanzbeamten das Vermögen von Oligarchen, das durch die
       Sanktionen der EU eingefroren wurde und Bezug zu Berlin hat. „Wir sind
       sicher nicht London oder Paris, aber auch in Berlin haben russische
       Investoren in der Vergangenheit stark investiert“, erläutert Wesener seinen
       Vorstoß.
       
       Tatsächlich baut etwa [2][der russische Investor Monarch] derzeit das erste
       der geplanten neuen Hochhäuser am Alexanderplatz. Bereits Anfang März hatte
       Wesener auf eine Anfrage der CDU im Abgeordnetenhaus erklärt, dass
       Zahlungen von Personen, die auf der [3][Sanktionsliste der EU] stehen, nach
       Russland und Belarus nicht durchgeführt würden. Die Embargo-Listen würden
       automatisch abgeglichen, so Wesener damals. Dabei würden Zahlungen nach
       Russland und Belarus „manuell durch die Landeshauptkasse erfasst und nicht
       ausgeführt“. Die 23 Berliner Finanzämter kämen ebenfalls ihren Aufgaben
       nach.
       
       Ganz erfolgreich scheint dieses „händische“ Einfrieren von russischem
       Kapital aber nicht zu sein. Vor Kurzem berichtete die zuständige
       [4][Referentin der Senatsverwaltung für Justiz, Susann Wettley,] dem
       Tagesspiegel: „Bisher ist uns noch kein Fall von einem Immobiliengeschäft
       in Berlin bekannt, das gestoppt wurde, weil der Verkäufer auf der
       Sanktionsliste der EU steht.“ Verkäufe von Firmen und Immobilien seien eher
       langwierige Vorgänge, das Einfrieren von Geschäften mit Kreml- und
       Putin-nahen Personen relativ neu und die Liste der damit Sanktionierten
       stetig im Aufbau.
       
       Das will Wesener nun ändern, indem er die Unschuldsvermutung für russisches
       Kapital zugunsten eines sogenannten „Unschuldsbeweises“ ändert. „Wir
       planen, alle Zahlungen nach Russland und Belarus einzufrieren“, sagte
       Wesener. „Die Betroffenen müssen dann einzeln bei den Finanzämtern
       nachweisen, dass sie nicht auf den Sanktionslisten stehen.“
       
       ## Überweisungen am Wochenende
       
       Dass bislang noch keine russischen Vermögen konfisziert wurden, hängt auch
       mit dem Zustand der Berliner Verwaltung zusammen. So mussten die
       Sanktionslisten der EU [5][per Fax] an die 23 Finanzämter übermittelt
       werden. Russische Investoren seien zudem dazu übergegangen, Überweisungen
       an Wochenenden zu tätigen, wenn die Finanzämter nicht besetzt seien. Auch
       gebe es bei den Behörden immer wieder Probleme mit der Transliteration
       kyrillischer Namen ins lateinische Alphabet.
       
       Und dann ist da noch die Frage nach dem Steuersitz der betroffenen
       Unternehmen. So werde Badeyan Vanik Gagikovich, Chef von Monarch, in der
       Moskauer Urkunde als „Alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer des
       persönlich haftenden Gesellschafters MonArch Europe Verwaltungs Gmbh“
       genannt, berichtet der Tagesspiegel. Die deutsche Abschrift habe ein
       Berliner Notar verfasst, der der Zeitung berichtete: „Badeyan ist der
       Schwiegersohn des Eigentümers der Gruppe Sergej Ambartsumyan.“ Russen seien
       sie beide nicht, sondern Armenier.
       
       Bislang stand der Finanzierung des Luxuswohnhochhauses am Alex also nichts
       im Wege. Mit dem Grundsatz des „Unschuldsbeweises“ aber müssten nun die
       Investoren ihr Geld in einem aufwendigen Prozedere wieder „entfrieren“.
       
       Wesener geht davon aus, dass dies zwar in 95 Prozent der Fälle klappen
       werde. „Aber das sind kleine russische Einzelhändler, die ihren Familien in
       Russland Geld über das chinesische Zahlungssystem überweisen“, sagt der
       Finanzsenator. „Interessant sind die fünf Prozent, die bei uns bleiben.“
       Wesener geht etwa von 450 Millionen Euro aus, die von den Finanzämtern
       „aufgetaut“, also rechtswirksam beschlagnahmt werden könnten.
       
       Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel erschien am 1. April. 
       
       Widerstand gegen die Pläne kommt von der AfD und Teilen der Linkspartei.
       „Faschistische Methoden, die denen des Naziregimes in Kiew nicht
       nachstehen“, twitterte der AfD-Abgeordnete Gunnar Lindemann. Lindemann hat
       gute Kontakte zu den selbst ernannten Volksrepubliken in Donezk und
       Luhansk. Die Linke in Marzahn-Hellersdorf schlug vor, russische
       Lebensmittelläden vom „Unschuldsbeweis“ auszunehmen.
       
       1 Apr 2022
       
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