# taz.de -- EU-Gipfel zum Ukrainekrieg: EU-Gipfel enttäuscht Ukraine
       
       > Die EU-Regierungschefs versprechen der Ukraine mehr Geld für Waffen. Aber
       > keinen schnellen EU-Beitritt oder Stopp der Energieimporte aus Russland.
       
 (IMG) Bild: EU-Gipfeltreffen in Versailles: Freundlich entschlossene Nicht-Einigung
       
       Brüssel taz | Klare Kante gegen Russland, mehr Waffen für die Ukraine –
       aber kein Blitz-Beitritt und kein Energie-Embargo: Die Europäische Union
       hat sich vor dem Hintergrund des immer brutaleren Krieges im Osten Europas
       neu aufgestellt.
       
       Bei einem Sondergipfel in Versailles gaben die 27 EU-Staaten dem russischen
       Präsidenten Wladimir Putin die Alleinschuld an der militärischen
       Eskalation. Putin wurde aufgefordert, den von ihm ausgelösten Krieg sofort
       zu beenden. „Russland und sein Komplize Belarus tragen die volle
       Verantwortung für diesen Angriffskrieg“, heißt es in der Gipfelerklärung.
       Die Verantwortlichen müssten „für ihre Verbrechen“ zur Verantwortung
       gezogen werden. Dies gelte vor allem für Attacken auf Zivilpersonen und
       [1][zivile Einrichtungen wie Krankenhäuser] oder Schulen.
       
       Der Ukraine wurde erneut mehr Unterstützung zugesagt. So will die EU
       weitere Waffenlieferungen im Wert von bis zu 500 Millionen Euro einfädeln.
       „Ich habe vorgeschlagen, unseren Beitrag um 500 Millionen Euro zu
       verdoppeln“, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Das Geld soll aus
       der sogenannten Friedensfazilität kommen – einem Finanztopf außerhalb des
       EU-Budgets, der ursprünglich für Friedensmissionen gedacht war. Nun wird er
       für tödliche Kriegswaffen genutzt. Allerdings ist unklar, welche
       Waffengattungen die EU finanzieren will.
       
       Das Treffen im Spiegelsaal von Versailles, wo 1919 der historische “Frieden
       von Versailles“ ausgerufen worden war, sollte ein Zeichen gegen den
       russischen Angriffskrieg setzen. Die EU sei einig und entschlossen wie nie,
       sagte Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron, der den Gipfel wie eine
       königliche Familienfeier inszeniert hatte.
       
       Doch die Einheit war schnell dahin. Acht Stunden rangen die 27 EU-Chefs um
       den richtigen Kurs gegenüber Russland und der Ukraine. Polen und die
       baltischen Staaten forderten klare Zeichen der Solidarität mit der Ukraine,
       Deutschland und die Niederlande lehnten schnelle Festlegungen ab. Kanzler
       Olaf Scholz geriet in die Defensive.
       
       Deutschland und die EU könnten nicht von heute [2][auf morgen auf Gas und
       Öl aus Russland verzichten], sagte Scholz. Er sei deshalb gegen ein
       Embargo, wie es die [3][USA bereits beschlossen] haben. Die bisher
       verhängten EU-Sanktionen zielten bereits auf ein Ende des Krieges, so
       Scholz. Man müsse aber auch die Auswirkungen in Europa im Blick behalten.
       „Diesen Kurs sollten wir auch weiter verfolgen.“
       
       ## Keine Einigung, nur Andeutung weiterer Sanktionen
       
       Rückendeckung bekam Scholz aus Österreich. Kanzler Karl Nehammer erklärte,
       sein Land könne jetzt nicht einfach sagen, wir verzichten auf russisches
       Erdgas – denn „wir brauchen es“. Neben Österreich und Deutschland sind auch
       Ungarn, Italien und Bulgarien von Energielieferungen aus Russland abhängig.
       
       Für einen schnellen Ausstieg sprachen sich Polen, Litauen und Lettland aus.
       „Ich bin überzeugt, dass wir die Entscheidung treffen sollten,
       Energieimporte aus Russland zu stoppen, um (den russischen Präsidenten
       Wladimir) Putin zum Verhandlungstisch zu bringen und den Krieg zu beenden“,
       sagte der lettische Premier Krisjanis Karins.
       
       Eine Einigung zeichnete sich am Ende des ersten Gipfeltags nicht ab. In der
       am Freitagmorgen veröffentlichten Gipfel-Erklärung hieß es lediglich, man
       sei bereit, schnell mit weiteren Sanktionen zu handeln. Die EU-Kommission
       warb zudem dafür, die Energieimporte aus Russland bis zum Jahresende um
       zwei Drittel zu reduzieren und ein festes Datum für den Ausstieg zu
       vereinbaren.
       
       Streit gab es auch über den [4][EU-Beitritt] der Ukraine. Präsident
       Wolodymyr Selenskyj hatte in der vergangenen Woche in einem symbolischen
       Akt einen Beitrittsantrag eingereicht und eine schnelle Entscheidung
       gefordert. In der Nacht zu Freitag legte er noch einmal nach. Die
       Beitrittsfrage sei die „finale Prüfung für Europa“.
       
       Doch die Mühlen der EU mahlen langsam, ein Blitz-Beitritt ist im
       komplizierten Regelwerk der Union nicht vorgesehen. „Einen beschleunigten
       Beitritt, so etwas gibt es nicht“, sagte der niederländische Premier Mark
       Rutte. Man müsse sich an die Regeln halten, forderte Xavier Bettel aus
       Luxemburg. Ähnlich äußerte sich Scholz.
       
       Am Ende dürfte die EU die Ukraine nur auf die Liste der Beitrittskandidaten
       setzen – gemeinsam mit den Ländern des westlichen Balkans, die nach dem
       Jugoslawienkrieg schon mehr als 20 Jahre auf das Ticket in die EU warten.
       In der Abschlusserklärung des Gipfels heißt es lediglich, die Ukraine
       gehöre zur europäischen Familie.
       
       Dieser Text wurde um 16.10 aktualisiert.
       
       11 Mar 2022
       
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