# taz.de -- Lieferungen von Gronau in die Ukraine: Urangeschäft bleibt Urangeschäft
       
       > Den „guten Kunden“ Ukraine will der Betreiber von Deutschlands einziger
       > Urananreicherungsanlage weiter mit Brennstoff versorgen.
       
 (IMG) Bild: Uran-Transportzug auf dem Firmengelände von Urenco in Gronau (Archivbild)
       
       Bochum taz | Trotz des [1][Beschusses von Atomkraftwerken durch die
       russische Armee] will sich Deutschlands einziger Urananreicherer Urenco die
       Lieferung von Atombrennstoff in die Ukraine weiter offenhalten. Zwar sei
       das Unternehmen angesichts des Kriegs in Osteuropa „tief besorgt“.
       Andererseits sei die Ukraine ein „guter Kunde“, dem man „Hilfe“ anbiete,
       sagte Firmensprecher Chris Breuer auf Anfrage der taz.
       
       Geschäftsverbindungen nach Russland, [2][wohin Urenco Zehntausende Tonnen
       als „Wertstoff“ deklarierten Atommüll exportiert hat], habe die
       Geschäftsführung angesichts der russischen Aggression dagegen gekappt.
       
       Das deutsch-niederländisch-britische Joint Venture Urenco betreibt im
       münsterländischen Gronau Deutschlands einzige Urananreicherungsanlage – und
       hat die Ukraine über die Brennelementefabrik des US-Konzerns Westinghouse
       im schwedischen Västeras offenbar seit Jahren mit Atombrennstoff beliefert.
       Das [3][ukrainische Staatsunternehmen Energoatom, das bis zur russischen
       Invasion sämtliche AKWs des Landes betrieben hat], nannte die
       Zusammenarbeit mit Urenco deshalb im Juni 2021 „extrem wichtig“. Die letzte
       Ausfuhrgenehmigung für 100 Tonnen angereichertes Uran Richtung Västeras
       wurde laut Exportliste des Bundesumweltministeriums am 1. Februar 2022
       erteilt.
       
       In welchen der 15 ukrainischen Reaktorblöcke das radioaktive Material aus
       Gronau genau im Einsatz ist, will Urenco-Sprecher Breuer nicht sagen.
       Unklar bleibt daher, ob das Uran auch die Kernspaltung in Europas größtem
       AKW im südukrainischen Saporischschja am Laufen hält. Saporischschja war in
       der Nacht vom 3. auf den 4. März völkerrechtswidrig von russischen Truppen
       angegriffen worden.
       
       ## Überwachung unmöglich
       
       Artilleriegeschosse sollen auch auf dem Gelände eines Lagers für
       ausgediente Brennelemente gefunden worden sein. Zwar wurde bisher kein
       Austritt von Radioaktivität gemeldet – doch an diesem Mittwoch erklärte der
       Chef der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA, Rafael Grossi, nach
       Tschernobyl sei auch die Verbindung zu Überwachungsgeräten in
       Saporischschja verloren gegangen.
       
       Von einem „Albtraumszenario“ spricht Matthias Eickhoff vom Aktionsbündnis
       Münsterland gegen Atomanlagen, das immer wieder ein Ende der
       Urananreicherung in Gronau gefordert hat. Offenbar sei „extrem
       leichtfertig“ Atombrennstoff in die Ukraine geliefert und die Gefahr eines
       militärischen Angriffs ignoriert worden: „Im Süden und Osten der Ukraine
       herrscht seit 2014 Krieg, und Saporischschja liegt nur 200 Kilometer von
       der umkämpften Kontaktlinie im ostukrainischen Donbass entfernt“, sagt
       Eickhoff.
       
       ## „Tickende Bombe“
       
       Die Bundesregierung müsse alle Uran- und Brennelementlieferungen deshalb
       „sofort unterbinden“, fordert auch die Europavorsitzende der
       Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW), Angelika
       Claußen. Die Atombrennstofflieferungen sorgten für „massive geopolitische
       und sicherheitspolitische Gefahren“ – schließlich dürfte angereichertes
       Uran aus Gronau über den südkoreanischen Brennelementehersteller Kepco auch
       in andere Krisenregionen etwa am Persischen Golf geliefert werden.
       
       Der Krieg in der Ukraine zeige, dass „jeglicher Urantransport von Gronau in
       ein anderes Land über Nacht zur tickenden Bombe werden“ könne, sagt Udo
       Buchholz, Sprecher des Bundesverbands Bürgerinitiativen Umweltschutz
       (BBU).„Die Bundesregierung muss jetzt handeln“, fordert Buchholz. Denn mit
       dem Abbruch des Russland-Geschäfts ist auch die Entsorgung des anfallenden
       Atommülls ungeklärt. Offiziell als „Wertstoff“ deklariert hat Urenco bisher
       rund 45.000 Tonnen abgereichertes und hochgiftiges Uranhexaflouorid (UF6)
       in Richtung Ural geliefert.
       
       Nach Aussagen des [4][Trägers des Alternativen Nobelpreises, Wladimir
       Sliwjak], rosten die Atommüllfässer dort unter freiem Himmel vor sich hin.
       Urenco hat jetzt angekündigt, das UF6 in chemisch stabileres Uranoxid
       umwandeln und in Gronau lagern zu wollen.
       
       11 Mar 2022
       
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