# taz.de -- Fake-Anzeigen bei Telegram: Ärzte unter Impfpass-Verdacht
       
       > Werbung für Fake-Impfnachweise führt auf Telegram zu kruden Ergebnissen:
       > Mediziner*innen geraten offenbar unverschuldet unter Betrugsverdacht.
       
 (IMG) Bild: Unter der Lupe: Impfpässe bei der Kriminalpolizei in Dillingen im Januar 2022
       
       Berlin taz | Telegram hat sich als Plattform für Kleinkriminelle bewährt,
       da hier einfach und anonym ein besonders großer Kreis von InteressentInnen
       für illegale Produkte angeworben werden kann. So floriert dort auch der
       Handel mit gefälschten Impfpässen.
       
       Dabei werben „Dr. Jürgen“, „impftante“ und dergleichen eindeutige
       Fakeprofile – teilweise mit eindeutig als solche erkennbaren Stockfotos im
       weißen Arztkittel als Profilbild – um Kund*innen. Oft steckt auch einfach
       ein Bot hinter den Profilen, erkennbar an Antworten mit fragwürdiger
       Grammatik.
       
       Mittendrin: eine Liste mit acht Telegramprofilen, an die man sich wenden
       könne, wenn man einen Impfpass erhalten wolle. Die zugehörige Impfung werde
       ins Waschbecken gekippt. 450 Euro soll der Impfnachweis samt QR-Code
       kosten. So jedenfalls heißt es in dem Beitrag.
       
       [1][Der Handel mit gefälschten Impfpässen scheint in Deutschland zu
       boomen]: Erst am Dienstag starteten Polizei und Staatsanwaltschaft eine
       Razzia in vier Bundesländern. Eine Woche zuvor hatten 260 Polizisten 70
       Wohnungen und eine Firma im Rheinland wegen [2][gefälschter Impfpässe]
       durchsucht. Die Polizei in Köln hat sogar eine eigene Ermittlungsgruppe
       namens „Stempel“ wegen des Delikts eingerichtet. Bald dürfte sie weniger zu
       tun haben. Denn mit den ab kommenden Sonntag bundesweit geltenden
       Coronaregeln entfällt vielfach die Notwendigkeit eines Impfpasses.
       
       ## „Ärztin für Aufklärung“
       
       Unter den acht Telegram-Profilen fällt sofort ein Name ins Auge, der
       komplett ausgeschrieben ist. Ein Klick führt zum Kanal einer aktiven
       Impfgegnerin: [3][Carola Javid-Kistel]. Sie hat sich als „Ärztin für
       Aufklärung“ einen Namen gemacht, steht mit Rolf Kron und Daniel Langhans
       auf Rednerbühnen und bezeichnet in ihrem Kanal Maßnahmen wie die
       Kontaktnachverfolgung als „kranke Pläne“ und die Impfung als „genetisches
       Experiment“. Ihr folgen knapp 21.000 Menschen.
       
       Auch findet sich in Javid-Kistels Kanal das besagte Angebot einer „privaten
       Impfsprechstunde“: Ein Beleg für dessen Echtheit? Führt also die gesamte
       Liste zu echten Ärzt*innen, die in der Impfgegner*innen-Szene aktiv sind?
       Und wie kommt es, dass gegen die Ärzt*innen, die hier unter Klarnamen
       auftreten, bisher nicht ermittelt wird? Per Klick verbergen sich auch
       hinter anonymisierten Namen wie “Dr. K“ die vollen Namen von Ärzt*innen
       aus der gesamten Bundesrepublik.
       
       Direkt gefragt antwortet Javid-Kistel anders als erwartet. Sie betont zwar
       in einer Mail, die sie später ausführlich hinterherschickt, dass sie sich
       niemals an Impfkampagnen beteiligen werde, auch wenn man ihr eine Pistole
       auf die Brust setze.
       
       Doch gleichzeitig besteht sie darauf, niemals Impfpässe zu fälschen:
       „Dieses Angebot ist definitiv nicht von mir und wurde von einem
       Fake-Account von mir erstellt, wie sie leider immer wieder im Umlauf
       sind!!! Ich hatte das gestern in meinem Kanal richtiggestellt, dass ich
       niemals zu solchen Straftaten aufrufen würde und mich absolut davon
       distanziere und jeden davor warne, solche dubiosen Angebote zu nutzen!“
       
       ## Ärzte nicht auf Telegram aktiv
       
       Mehrfach habe sie solche Profile schon gemeldet, manche seien schon
       gelöscht worden, erklärt sie. „Das“ gehe nun schon seit mehr als einem Jahr
       so; dennoch gebe es immer neue Fake-Profile, weil man ihr schaden wolle.
       Tatsächlich zeigt ein erneuter Blick in ihren Telegram-Kanal, dass man nur
       besonders geduldig an dass Ende des von ihr geteilten
       Fake-Impfpass-Angebots scrollen muss, um ihre Warnung zu finden.
       
       Ein weiterer Check der ominösen Liste ergibt: Die übrigen Ärzt*innen –
       zumindest die vier, die antworten – sind selbst gar nicht auf Telegram
       aktiv. Dementsprechend reagieren sie auch auf die Anfrage: „Wir werden
       umgehend rechtliche Schritte einleiten“, erklärt die Stuttgarter Ärztin
       Bettina Widmaier und ergänzt: „Wir standen auch schon im Kontakt mit der
       Polizei, da gefälschte Impfpässe im Umlauf sind, die mit einem gefälschten
       Stempel im Namen unserer Praxis gestempelt wurden.“ Susanne Götz möchte
       ebenfalls Anzeige erstatten: „Ich bin entsetzt, wütend und fühle mich
       ohnmächtig“, schreibt die Frankfurter Hausärztin. Auch Cathrin Klaus aus
       Berlin betont: „Ich distanziere mich entschieden gegen diesen Inhalt und
       Abbildungen.“ Sie habe bereits mehr als 5.000 Impfungen verabreicht, sagt
       sie. Wie ihre Kolleg*innen erklärt sie, über keinen Telegram-Account zu
       verfügen. Und dass sie Anzeige erstatten werde.
       
       Nur Geertje und Klaus Sprenger zeigen sich nicht überrascht. Bereits am 27.
       Januar hätten sie Anzeige wegen Verleumdung erstattet, sie nennen sogar die
       zuständige Dienststelle der Dortmunder Polizei. Sie hätten in ihrer Praxis
       bereits mehr als 7.000 Impfungen verabreicht. Erfahren hätten sie von dem
       Beitrag auf Telegram durch eine anonyme Anfrage per Mail, ob sie denn einen
       gefälschten Impfpass ausstellen würden.
       
       Die Pressestelle der Polizei verweist für den Sachstand weiter zur
       Staatsanwaltschaft. Dort die Auskunft: Das Verfahren sei am 14. Februar
       eingestellt worden, da kein Täter habe ermittelt werden können. Wenig
       Hoffnung also für die drei weiteren Betroffenen, die nach dem Hinweis per
       Presseanfrage ebenfalls Anzeige erstattet haben.
       
       ## Keine Rückmeldung von der Polizei
       
       Götz etwa hat bis zum 17. März keine Rückmeldung von der Polizei zum
       Sachstand ihrer Anzeige erhalten, die Staatsanwaltschaften Berlin und
       Frankfurt haben die jeweiligen Anzeigen bislang nicht vorliegen und können
       auch generell nicht sagen, wie viele Verfahren wegen Impfpassfälschungen
       eingeleitet worden seien. Die Begründung lautet überall einheitlich: „Dies
       wird nicht gesondert erfasst.“
       
       Ob hier vorschnell kapituliert wird? [4][Laut der Europäischen Kommission]
       muss aus gültigen QR-Codes zumindest die ausstellende Stelle auslesbar
       sein, die wiederum zu den Betrüger*innen führen könnte. Daher
       verzichten wohl einige Fälscher*innen auch explizit auf das Ausstellen
       digitaler Zertifikate; es würde sie zu einfach überführbar machen.
       
       18 Mar 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Gefaelschte-Impfnachweise/!5820337
 (DIR) [2] /Gefaelschte-Impfnachweise/!5816486
 (DIR) [3] /Geschaefte-machen-mit-der-Pandemie/!5754871
 (DIR) [4] https://ec.europa.eu/info/policies/justice-and-fundamental-rights/eu-citizenship/movement-and-residence/eu-digital-covid-certificate-vaccinations-and-travel-restrictions_de
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Lena Reiner
       
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