# taz.de -- Corona, Ukrainekrieg, Außenministerin: Emotionaler Entwaffnungsschlag
       
       > Polen hat Menschen aus der Ukraine aufgenommen, baut aber einen Zaun
       > gegen andere Geflüchtete. Baerbock ist laut einem Ranking die beliebteste
       > Politikerin.
       
 (IMG) Bild: Der ukrainische Präsident Selenski war diese Woche im Deutschen Bundestag zu Besuch – virtuell
       
       taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche? 
       
       Friedrich Küppersbusch: Wir lenken uns mit Corona von Ukraine ab.
       
       Und was wird besser in dieser? 
       
       Oder umgekehrt.
       
       Standing Ovations für Ukraines Präsident Wolodimir Selenski im Deutschen
       Bundestag. [1][In seiner Rede] richtet er sich auch direkt an Bundeskanzler
       Olaf Scholz. Dieser lässt den Appell unerwidert, danach geht’s direkt
       weiter mit der Tagesordnung. Debattiert wurde nicht der Krieg oder
       Deutschlands Verantwortung, sondern die Impfpflicht. Ein absurd klares
       Symbolbild für die Politik der Ampelkoalition? 
       
       Diese kleine Peinlichkeit ist nur mit einer großen zu beantworten. Es ist
       ein schmutziger Job, ich mach’s. Also. In einigen Jahren mit Toten,
       Zerstörungen und Katastrophen werden wir uns im ernüchterten Rückblick als
       Teil einer neuen, asymmetrischen Kriegsführung sehen. Präsident Selenski
       schaltet sich durch die Parlamente der Welt. In dem Regal, in dem er die
       feldgrünen Shirts findet, lägen auch Herrenoberhemden und Krawatten. Egal.
       Seine Reden heben bei historischen Berührungen an, führen von dort zu
       Ansprüchen, Klagen über nicht erfüllte Forderungen und münden in weitere,
       neue.
       
       Der verbrecherische Krieg des russischen Regimes zielt auf Demoralisierung
       – Selenskis Strategie auf Moralisierung. Sein Publikum, unter Schock wie
       er, hütet sich darob, kleingeistige, kaltherzige Betrachtungen zu erwidern:
       Argumente, Abwägungen, Verstand. Es ist ein emotionaler Entwaffnungsschlag.
       Der Bundestag hätte natürlich gut daran getan, das erst wegzuatmen, bevor
       er „zur Tagesordnung übergeht“. Auf der stünden dann Argumente, Abwägungen,
       Verstand.
       
       Die Ministerpräsident:innen wollen die in Deutschland ankommenden
       Geflüchteten aus der Ukraine schneller registrieren und besser verteilen.
       Warum wird man das Gefühl nicht los, dass mit diesen Geflüchteten so vieles
       reibungsloser und ohne große gesellschaftliche Grundsatzdebatten verläuft
       als noch mit denen, die 2015 kamen? 
       
       Ihr Lauser! Das sind insgeheim zwei Fragen. Erstens: 2015 zerfiel Merkels
       „Wir schaffen das“ in „Ich rede, ihr macht“. Also die politische Vorgabe
       der Kanzlerin, Flüchtlinge aufzunehmen, und die Arbeit vieler beruflicher
       und noch mehr ehrenamtlicher Helfer, die „es dann schafften“. Diesmal sind
       die ausführenden Strukturen, vor allem das eingeölte Engagement der
       Zivilgesellschaft, austrainiert am Start.
       
       Zweitens: gediegener Rassismus, dem der europäische Ukrainer doch näher
       scheint als der muslimische Syrer. Wird derzeit uneinholbar von Polen
       getoppt. Das kleinere, wirtschaftlich schwächere Nachbarland hat bereits
       1,9 Millionen Ukraine-Flüchtende aufgenommen, aber noch Geld über, um einen
       Zaun gegen ein paar Dutzend belarussische Schleuslinge zu bauen. Daran ist
       nun tunlichst nicht zu rühren, entsprechend großzügig schauen wir auf uns
       selbst. 
       
       Papst Franziskus nennt den Krieg – gemeint ist höchstwahrscheinlich der in
       der Ukraine – einen „perversen Machtmissbrauch“. Warum klingt diese
       Aussage so zynisch, wenn sie aus seinem Mund kommt? 
       
       Kyrill, Patriarch der Russisch-Orthodoxen Kirche, war als KGB-Offizier
       Kollege von Wladimir Putin. Dagegen ist Franziskus doch eher Laienprediger.
       
       An dieser Stelle würde ich gerne noch eine Frage stellen, die irgendetwas
       mit Frauen zu tun hat. Leider entdecke ich kaum eine, wenn ich mich im
       aktuellen Weltgeschehen umblicke. Außer Außenministerin Annalena Baerbock
       vielleicht, deren Job ihre Präsenz natürlich erfordert. Fällt Ihnen noch
       eine andere Frau ein? 
       
       Baerbock ist laut aktueller Spiegel-Messung beliebteste Politikerin, dafür
       Spiegel, Lambrecht, Lemke ans Ende der Skala sortiert. Das sagt erst mal
       nicht mehr, als dass die Grüne auch nichts ausrichtet gegen den notorischen
       Amtsbonus des Außenamts. Der international renommierte Feminist Erdoğan
       garnierte seinen Austritt aus der [2][Istanbul-Konvention] für Frauenrechte
       mit dem Lob: „Früher kam Merkel und hielt den Schlüssel zur Lösung des
       Problems in der Hand. So eine Führungsfigur fehlt heute.“ Finnland,
       Schweden, Dänemark hätten mit Marin, Frederikson und Andersson ein
       Triumfeminat zu bieten. Vielleicht kann man Putin damit drohen.
       
       Und was machen die Borussen? 
       
       Das Fanzine [3][schwatzgelb präsentiert ein Doppelinterview] mit den
       Borussenfans Oleg und Igor aus Russland und der Ukraine. Sie beobachten
       trotz allem ihren Klub, und ich bekomme Kitschalarm und Gänsehaut
       gleichzeitig beim Lesen. 
       
       Fragen: Anna Meyer-Oldenburg
       
       20 Mar 2022
       
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 (DIR) [1] /Selenskis-Rede-im-Bundestag/!5838766
 (DIR) [2] /Bedeutung-der-Istanbul-Konvention/!5756814
 (DIR) [3] https://www.schwatzgelb.de/artikel/2022/im-gespraech-mit/bvb-fans-in-der-ukraine-und-russland
       
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