# taz.de -- Krieg in der Ukraine: Europa öffnet seine Türen
       
       > Die Innenminister haben beschlossen, dass Ukrainer:innen sich 90 Tage
       > lang visafrei in der EU bewegen dürfen. Bislang ist keine Umverteilung
       > geplant.
       
 (IMG) Bild: Kinder aus der Ukraine in einer Flüchtlingsunterkunft im rumänischen Siret
       
       Berlin taz | [1][Rund 3 Millionen Menschen sind in den ersten 20 Tagen des
       Ukrainekriegs geflüchtet]. Dank des Beschlusses der EU-Innenminister, allen
       Ukrainer:innen eine pauschale Aufnahmezusage zu geben, müssen sie kein
       vorheriges Asylverfahren durchlaufen.
       
       Bislang ist für sie auch keine Länderzuweisung oder Umverteilung geplant.
       Ukrainer:innen können sich zunächst 90 Tage visafrei in der EU bewegen
       und selbst entscheiden, in welchem Land sie eine Aufenthaltserlaubnis
       beantragen wollen.
       
       Klar ist, dass es dabei starke Clusterbildungen geben wird. Wichtige
       Faktoren sind dabei die Sprache, die Größe der ukrainischen Diaspora und
       die geografische Nähe zur Ukraine. So wurden in den Nachbarstaaten bis
       Dienstag [2][1,8 Millionen Ankommende in Polen], 453.000 in Rumänien,
       337.000 in Moldau, 263.000 in Ungarn und 213.000 in der Slowakei
       registriert.
       
       Viele der Menschen sind aber zwischenzeitlich in andere Staaten
       weitergezogen. Die Bundespolizei etwa registrierte bis Dienstag offiziell
       160.000 Ankommende in Deutschland, doch nicht alle werden erfasst. Erst in
       den kommenden Wochen und Monaten wird sich zeigen, wo die Geflüchteten
       tatsächlich bleiben wollen.
       
       ## Soziale Versorgung ist ein Faktor für die Wahl des Ziellandes
       
       Ende der Woche treffen sich in Brüssel die EU-Innenminister. Dem Vernehmen
       nach ist nicht geplant, an dem „Free Choice“-Modell zu rütteln. „Darüber
       wird erst geredet, wenn die Zahlen noch deutlich weiter steigen und manche
       Länder wegen Erreichen der physischen Grenze Alarm geben“, sagt Karl Kopp,
       Europa-Referent von Pro Asyl.
       
       Für Flüchtende ohne persönliche Beziehungen in einen EU-Staat dürfte auch
       die zu erwartende soziale Versorgung ein Faktor für die Wahl des Ziellandes
       sein. Noch ist nicht entschieden, welche Sozialleistungen Ukrainer:innen
       jeweils bekommen. Wahrscheinlich ist aber, dass sich die Höhe an den
       Leistungen für Asylsuchende im jeweiligen Land bemisst. Die variiert
       innerhalb der EU erheblich: Während Asylsuchende in Deutschland bis zu 354
       Euro im Monat bekommen können, sind es etwa in Schweden 224 Euro, in
       Frankreich 204 Euro und in Griechenland nur 70 Euro.
       
       Frankreich etwa hat auf freiwilliger Basis bislang 13.500 Ukrainer:innen
       aus den Grenzstaaten aufgenommen, am Dienstag etwa 2.500 aus Moldau. Dafür
       fordert Paris London auf, die Ukrainer:innen, die am Ärmelkanal festsitzen,
       einreisen zu lassen. Die britische Regierung war heftig kritisiert worden,
       weil sie nur sehr restriktiv Visa an Ukrainer:innen vergeben hatte.
       Daraufhin hatte sie ein Programm aufgelegt, mit dem individuelle Visa für
       Schutzsuchende aus der Ukraine privat gesponsert werden können. Innerhalb
       eines Tages hatten sich am Montag fast 89.000 Briten registriert, um für
       mehrere Monate Flüchtlinge aus der Ukraine bei sich aufzunehmen. Kurz nach
       dem Start der Vermittlungswebsite am Montag brach diese kurzzeitig
       zusammen.
       
       Haushalte bekommen für die Hilfeleistung eine Aufwandsentschädigung von
       umgerechnet 415 Euro pro Monat. Interessierte müssen für mindestens sechs
       Monate einen Raum mietfrei bereitstellen und sich vorab Kontrollen
       unterziehen. Außerdem müssen sie die Flüchtlinge, die sie aufnehmen wollen,
       namentlich benennen können. Minister Michael Gove sagte, das Programm solle
       zunächst mit Ukrainern starten, die bereits Verbindungen nach
       Großbritannien hätten, aber im weiteren Verlauf auch anderen offenstehen.
       
       ## Ungleiche Lastenverteilung bei der Aufnahme
       
       Auch innerhalb der EU steht die Frage an, welchen finanziellen Ausgleich es
       für die ungleiche Lastenverteilung bei der Aufnahme der Ukrainer:innen
       geben wird. Zwei konkrete Vorschläge dazu gibt es bereits, über die in
       dieser Woche im EU-Parlament abgestimmt wird.
       
       Zum einen sollen von den Mitgliedstaaten nicht verbrauchte Mittel aus dem
       Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (Amif) nicht nach Brüssel
       zurückfließen, sondern für die Flüchtlingsversorgung ausgegeben werden
       dürfen. Damit sollen 420 Millionen Euro mobilisiert werden. Mit 10
       Milliarden Euro wesentlich größer ist der Posten, der 2022 aus dem
       sogenannten Kohäsionsfonds der EU für die Flüchtlingsaufnahme umgewidmet
       werden soll. Auch diese Summe wird aber kaum reichen, falls sich der Krieg
       in der Ukraine noch länger hinzieht.
       
       15 Mar 2022
       
       ## LINKS
       
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