# taz.de -- Der Ex-Kanzler und der Fußball: Vom Acker
       
       > Gerhard Schröder sieht derzeit überall die Rote Karte – aus guten und
       > nicht so guten Gründen. Doch warum wurde der jemals verpflichtet?
       
 (IMG) Bild: Alte Bande: Gerhard Schröder und Wladimir Putin bei einem WM-Qualifikationsspiel 2009 in Moskau
       
       Das muss sich Gerhard Schröder nicht vorwerfen lassen: keine Ahnung zu
       haben, wie politisch der Fußball ist. Schon 1976 als Chef des Juso-Bezirks
       Hannover trug er einen Beschluss des Bundeskongresses seiner Organisation
       mit. „Solange das bürgerliche Leder rollt, müssen wir die revolutionären
       Forderungen des Fußballvolks in die Massen tragen“, hatten die
       SPD-Nachwuchs-Witzbolde formuliert: „Freie Wahl der Schiedsrichter durch
       das bewaffnete Spielervolk!“, oder „Für freien Zugang zum gegnerischen
       Tor!“
       
       Das war schon damals nicht lustig. Nicht ein demokratischerer Fußball war
       sein Ziel, sondern zusammenhangloses Dummgeschwätz vom „bewaffneten
       Spielervolk“. Es war nur lustig gemeint, Karrieristenhumor. 1988 beklagte
       Schröder, dass diese Juso-Forderungen „noch längst nicht erfüllt sind“. Und
       der damalige SPD-Fraktionsvorsitzende im niedersächsischen Landtag erzählte
       mit Blick auf das ZDF-Sportstudio: „Ich wäre gern einmal Moderator.“
       
       Dazu hat es nicht gereicht. Er musste Bundeskanzler werden, doch von seinem
       unangenehmen Drang, sich mittels Fußball volkstümlich zu inszenieren, ließ
       er nicht. Ungefragt erzählte er oft, dass er früher als Mittelstürmer des
       TuS Talle „Acker“ gerufen wurde. Schröder war die politisch treibende
       Kraft, die Fußball-WM 2006 nach Deutschland zu holen. Seinen Plan, sich so
       die Wiederwahl zu sichern, musste er aufgeben – die Bundestagswahl wurde
       auf 2005 vorgezogen. Der DFB aber wusste, was er an „Acker“ hatte. Er
       machte den abgewählten Kanzler zum „Ehrenmitglied Nr. 61“, denn: „Er bleibt
       unser Freund, ob mit oder ohne Amt, das ist nicht entscheidend“.
       
       Ein politisches Amt hat Schröder nicht mehr, aber der DFB prüft derzeit,
       ihm diese Ehrenmitgliedschaft abzuerkennen. Einer von Schröders vielen
       Lieblingsklubs, Borussia Dortmund, hat ihm diesen Titel schon weggenommen.
       Denn „die Übernahme von Führungspositionen in russischen Staatskonzernen
       durch ein BVB-Ehrenmitglied“ ist nicht akzeptabel, vor allem vor dem
       Hintergrund des russischen Kriegs.
       
       ## Darf Schröder im ADAC bleiben?
       
       DFB, SPD, BVB, der Liebesentzug, den Schröder erlebt, ist schon heftig.
       Doch es geht noch heftiger: „Der Vorstand des Hannoverschen Sportvereins
       von 1896 e.V. hat heute Herrn Gerhard Schröder, Bundeskanzler a.D., darüber
       informiert, dass ein Vereinsausschluss gegen ihn geprüft wird“, hieß es am
       Mittwoch. Dort ist Gerhard Schröder kein Ehren-, sondern zahlendes
       Mitglied. Bei aller zurecht heftigen Kritik an Schröder, seiner Kumpanei
       mit Putin und seinem Posten bei Gazprom, irritiert die Initiative des
       Zweitligisten schon sehr. Wirft der ADAC bald den Autokanzler raus,
       verlangt die Haftpflichtversicherung einer Erklärung? Jedenfalls hat
       Hannover 96 „offensichtlich mit den Werten des Vereins widersprechende
       Worte Schröders“ vernommen. Doch in diesem Satz ist nicht nur das Wörtchen
       „mit“ falsch gesetzt. Ehrlich gesagt, was Hannover 96 von seinem
       langjährigen Fan einfordert, ist etwa so gehaltvoll, wie alles, was Gerhard
       Schröder in seinem Leben über Fußball geäußert hat: unfassbar dumm.
       
       Der Politkarrierist Schröder hatte stets eine grobe Ahnung, dass er, wenn
       er es in hohe Ämter schaffen will, sich des Volkssports Fußball bedienen
       sollte. Und die Verbände und Vereine, die sich nun alle von ihm
       distanzieren, wollten ja einen wie Schröder in der Politik.
       
       Jetzt aber ist Schröder kein Politiker mehr und kann dem Fußball nichts
       bieten als seinen jährlichen Mitgliedsbeitrag. Und Vereine und -verbände
       merken, dass dieser Karrierist neuen fußballerischen Banden, die mit der
       Politik geschlossen werden, im Wege steht. Wenn Schröder seine neuen
       Kumpels bei Gazprom-Aufsichtsratstreffen herzt, ist klar: Den alten
       „Acker“, der so stolz war, oben mittun zu dürfen, braucht niemand mehr.
       
       4 Mar 2022
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Martin Krauss
       
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