# taz.de -- Großdemonstration in Berlin: Anschreien gegen den Krieg
       
       > In Berlin gehen Hunderttausende gegen den Ukraine-Krieg auf die Straße.
       > Nicht alle dort finden, dass Waffenlieferungen tabu sein sollten.
       
 (IMG) Bild: Schön wärs: „Peace“ steht in großen Buchstaben auf der Straße des 17. Juni in Berlin am Sonntag
       
       Berlin taz | Am Sonntag haben sich Hunderttausende in Berlin versammelt, um
       gegen den Krieg in der Ukraine zu protestieren und Solidarität mit dem
       EU-Nachbarland zu zeigen. Die Veranstalter sprechen gar von über 500.000
       Teilnehmer:innen. Die Demonstration unter dem Motto „Stoppt den Krieg!
       Frieden für die Ukraine und ganz Europa“ war eine von vielen
       Veranstaltungen, die weltweit von Auckland bis Washington am Wochenende
       stattfanden.
       
       Zu der Friedensdemo hatte ein breites Bündnis zivilgesellschaftlicher
       Vereine und Verbände aufgerufen, darunter die Bürgerbewegung Campact,
       Greenpeace, die Seebrücke, Verdi und die Gewerkschaft der Polizei.
       Gemeinsam fordern sie die russische Regierung auf, „alle Angriffe
       einzustellen, sich aus der Ukraine zurückzuziehen und deren territoriale
       Integrität wiederherzustellen“.
       
       Bevor die Kundgebung beginnt, spielt eine Band. Sie singen von Panzern.
       Eine Gruppe junger Studierender aus der Ukraine schreit gegen den Gesang
       an: „Musik aus! Wir haben Krieg!“ Eine der jungen Frauen hat Tränen in den
       Augen, als sie sagt: „Unsere Familien sterben zu Hause und sie spielen hier
       Musik. Das ist kein Fest.“
       
       Sie hätten versucht, ihre Familien zu überreden, nach Deutschland zu
       kommen, „aber sie wollen zu Hause bleiben und unsere Heimat verteidigen“.
       Ihre Freundin zeigt auf ihr Plakat: „Heute wir, morgen ihr“. Die Gruppe
       bahnt sich einen Weg nach vorne durch die Menge, um weiter gegen die Band
       anzuschreien.
       
       ## Importstopp für Öl und Gas gefordert
       
       Christoph Bautz von Campact ist sich sicher, dass Putin die öffentliche
       Meinung in Europa interessiere. Diese zu beeinflussen sei ein Ziel seiner
       Politik gewesen. Diese Demonstration, an der die breite Bevölkerung
       teilnehme, sei daher „ein Desaster“ für Putin. „Er wird merken, dass die
       Menschen in ganz Europa gegen diesen völkerrechtswidrigen und imperialen
       Angriffskrieg aufstehen.“
       
       Auch Alexander Lurz von Greenpeace glaubt an die Wirkmächtigkeit der
       Demonstration. Der Abrüstungsexperte weiß, dass Kriege nicht enden, weil
       die letzte Patrone verschossen ist. „Kriege enden dadurch, dass der
       moralische Druck hoch wird, das Leid der Opfer zu sehr gesehen wird“, sagt
       er. Diesem Druck könne sich auch die russische Führung nicht entziehen.
       
       Bautz fordert zudem weitere Sanktionen: einen Importstopp von Kohle, Öl und
       Gas. Auch wenn das für Deutschland massive Konsequenzen habe. „Das sollte
       uns die Freiheit, unsere Werte und das Leben der Ukrainer:innen Wert
       sein“, sagt Bautz.
       
       Waffenlieferungen in Krisengebiete steht das Friedensbündnis allerdings
       kritisch gegenüber. Es gebe das Selbstverteidigungsrecht, weshalb er die
       Entscheidung der Bundesregierung, Waffen in die Ukraine zu liefern,
       nachvollziehen könne. „Als Friedensbündnis sind wir aber der Meinung, dass
       mehr Waffen einen Konflikt auch anheizen können.“
       
       Unter den Demonstrierenden teilen nicht alle diese Meinung. Ein Mann
       erzählt, dass er zwar Teil der Ostdeutschen Friedensbewegung gewesen sei
       und deswegen in der DDR im Gefängnis gesessen habe, aber trotzdem störe ihn
       nun das „Wischi-Waschi“ der Friedensbewegung. „Immer dieses Glaube daran,
       dass Waffen nicht die Lösung sind“, schnaubt er, „erzähl das jetzt mal den
       Ukrainern“.
       
       Die in der Ukraine geborene Aktivistin Oleksandra Bienert sieht das
       ähnlich: „In der Ukraine wird der Frieden gerade nicht mit Gebeten
       verteidigt. Deshalb stehe ich heute auf einer Friedensdemo und fordere
       Waffen.“ Sie spricht auf der Bühne vor der Siegessäule und fragt, warum
       Deutschland blind gegenüber dem russischen Imperialismus gewesen sei.
       „Viele meiner deutschen Bekannten haben gesagt, der Krieg kommt so
       überraschend. Aber er kommt nicht überraschend.“ Diese Demonstration hätte
       schon 2014 stattfinden sollen, als Russland die Krim annektierte und einen
       Krieg in der Ostukraine begann.
       
       27 Feb 2022
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sophie Fichtner
       
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