# taz.de -- Juso-Chefin über Russland-Ukraine-Konflikt: „Russland ist der Aggressor“
       
       > Wenn Russland weiter so auftritt, könne Nord Stream 2 nicht in Betrieb
       > gehen. Jessica Rosenthal spricht über die Haltung der SPD, Schröder und
       > Scholz' Besuch in den USA.
       
 (IMG) Bild: „Mit Verhandlungen und Diplomatie den Frieden bewahren“, so Jessica Rosenthal
       
       taz: Frau Rosenthal, Gerhard Schröder hat die Ukraine aufgefordert, das
       Säbelrasseln einzustellen – als wäre die Ukraine der Angreifer. Ist das
       nur eine seltsame Meinungsäußerung oder schon parteischädigendes Verhalten? 
       
       Jessica Rosenthal: Gerhard Schröder äußert sich nicht als Funktionär der
       SPD. Er trägt keine Verantwortung mehr in der Partei – und das ist auch gut
       so. Die SPD und die Jusos vertreten ganz klar eine andere Haltung.
       
       Schröder ist keine Stimme der Sozialdemokratie? 
       
       Nein, [1][Gerhard Schröder redet als Interessenvertreter Russlands] – und
       als nichts anderes. Das muss man klar so benennen.
       
       Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin in Schwerin, befürwortet die Pipeline
       Nord Stream 2 und hat mit Geld von Gasprom eine Klimaschutzstiftung gründen
       lassen. Ist diese Verknüpfung von Energiepolitik und finanzieller
       Unterstützung problematisch? 
       
       Ich verstehe die Haltung von Manuela Schwesig aus ihrer regionalen
       Perspektive. Die Pipeline soll ja in Mecklenburg-Vorpommern ankommen.
       
       Es scheint in der SPD ziemlich unterschiedliche Sichtweisen auf Russland zu
       geben. 
       
       Das sehe ich nicht so. Im Parteivorstand und in der Fraktion gibt es die
       einhellige Meinung, dass wir den Weg der Diplomatie gehen. Das passiert
       derzeit auch. Es gehört zum Wesen der Diplomatie, dass die oft hinter den
       Kulissen stattfindet. Wenn das Normandie-Format …
       
       … die Gespräche zwischen Frankreich, Russland, Ukraine und Deutschland … 
       
       … jetzt wieder auflebt, ist das ein Schritt nach vorn, auch wenn es keine
       schnellen Ergebnisse geben wird. Mit Verhandlungen und Diplomatie den
       Frieden bewahren, das ist der Weg, den die SPD vertritt.
       
       Haben jüngere Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten einen kritischeren
       Blick auf Russland als Ältere? 
       
       Das ist keine Generationenfrage – und man sollte den
       Russland-Ukraine-Konflikt auch nicht zu einer machen. Ich haben diese
       Ansicht auch in einigen Artikeln gelesen. Mir scheint das eine plumpe
       Analyse zu sein.
       
       Wieso? 
       
       Weil junge Menschen in der Politik zu schnell zu einer Generation
       zusammengefasst werden und Differenzierungen auf der Strecke bleiben. Wir
       streben eine wertebasierte Außenpolitik an. Mit „Wir“ meine ich die ganze
       SPD, nicht nur die Jusos.
       
       Im Fokus der Debatte steht die [2][Pipeline Nord Stream 2], die Russland
       und Deutschland direkt verbindet. Soll die in Betrieb gehen? 
       
       Als Erstes: Russland ist der Aggressor. Russland hat die Krim besetzt und
       stellt die territoriale Integrität der Ukraine infrage – und auch dessen
       Freiheit, als souveräner Staat das Bündnis zu wählen, das es möchte. Das
       ist nicht akzeptabel. In dieser aktuellen Situation kann das Projekt Nord
       Stream 2 nicht fortgeführt werden.
       
       Was bedeutet das konkret? Die Genehmigungsverfahren dauern ja noch ein paar
       Monate. Und dann soll Deutschland die Pipeline nicht in Betrieb nehmen? 
       
       Wenn Russland weiter so auftritt, wie es das gerade tut, brauchen wir eine
       klare Haltung. Dann kann Nord Stream 2 nicht in Betrieb gehen.
       
       Also geht die Pipeline nur ans Netz, wenn Russland seine Truppen von der
       ukrainischen Grenze zurückgezogen hat? 
       
       Es geht nicht darum, sich nur auf Nord Stream 2 zu fokussieren. Aber in der
       aktuellen Situation ist es undenkbar, Nord Stream 2 in Betrieb zu nehmen.
       Die Bundesregierung sollte, unabhängig von den Genehmigungsverfahren,
       klarmachen, das sie in der aktuellen Lage nicht gewillt ist, dieses Projekt
       weiter voranzutreiben.
       
       Common Sense ist, dass Nord Stream 2 im Topf möglicher Sanktionen ist,
       falls es eine weitere militärische Eskalation gibt. Ihre Forderungen gehen
       weiter: Soll Deutschland die Pipeline, auch wenn sie genehmigt wird und die
       Lage in der Ukraine unverändert ist, nicht in Betrieb nehmen? 
       
       Ja, richtig. Angesichts dieser Bedrohungslage muss Deutschland bei Nord
       Stream 2 eine klare Ansage machen. Ich will kein Schwarz-Weiß-Denken und
       keine Dämonisierungen. Es soll enge wirtschaftliche Verbindungen zwischen
       der EU und Russland geben. Wir setzen auf Diplomatie. Aber dazu gehören
       zwei Seiten. Russland muss den Weg der Eskalation verlassen.
       
       Scholz hat erst ein Mal mit Putin telefoniert und will Mitte Februar nach
       Moskau reisen. Ist das nicht zu wenig und zu spät? 
       
       Es wird oft so getan, als ob wir schon seit Jahren regieren. Die Ampel ist
       kaum zwei Monate im Amt. Olaf Scholz war in Polen und Frankreich. Das waren
       wichtige Zeichen für die Beziehungen zu unseren Nachbarländern. Natürlich
       ist es gut, dass Olaf Scholz bald auch nach Moskau reist.
       
       Und vorher nach Kiew. Da werden vielleicht wieder Waffenlieferungen eine
       Rolle spielen. Die Verteidigungsministerin hat 5.000 Helme an die Ukraine
       geliefert. Sind deutsche Waffenlieferungen an Kiew ein richtiges Mittel? 
       
       Ich weiß, dass sich manche über die Helme mokiert haben. Aber die Ukraine
       hat darum gebeten, wir haben geliefert. Weil wir solidarisch an der Seite
       der Ukraine stehen. Waffenlieferungen halte ich für falsch. Zu kurz kommt
       in der öffentlichen Debatte, dass wir mit 1,8 Milliarden Euro der
       zweitgrößte Geldgeber hinter der USA für die Ukraine sind. Wir tun etwas.
       
       Scholz ist am Montag in Washington. Was erwarten Sie? 
       
       Einen Schulterschluss zwischen Deutschland und den USA. Und eine
       Verständigung, wie man gemeinsam diplomatische Wege findet, um Krieg und
       Eskalation in der Ukraine zu vermeiden.
       
       6 Feb 2022
       
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