# taz.de -- Frauen im Profiradsport: Ein bisschen weiblicher
       
       > Der Weltradsportverband feiert sich selbst, was er alles für
       > Geschlechtergerechtigkeit unternimmt. Doch bei Licht besehen ist das
       > nicht allzu viel.
       
 (IMG) Bild: Noch nicht raus aus dem Schlamm: Elisa Balsamo (Italien) beim Klassiker Paris-Roubaix
       
       Die UCI möchte auch einmal Vorreiter sein. Der oft gescholtene
       Radsportweltverband begann das neue Jahr mit der Nachricht, ein neues
       Niveau in Sachen Geschlechtergerechtigkeit erreicht zu haben. Die
       Zertifizierungsfirma EDGE vergab dem Weltverband das Zertifikat „Move“, das
       zweithöchste von dreien. „Die UCI ist weltweit der erste Sportverband, der
       das erreicht“, feierte sich die UCI selbst.
       
       Sie begründete den Aufstieg mit dem, was sie in den vergangenen Jahren
       gemacht hat. Mindestgehälter für weibliche Profis im Straßenradsport wurden
       eingeführt. Die Siegprämien bei den WM sind gleich. Julian Alaphilippe und
       [1][Elisa Balsamo] erhielten für ihre Siege bei den Straßenrennen in
       Flandern jeweils 8.000 Euro. Auch die Zeitfahrweltmeister*innen
       beider Geschlechter erhielten dieselbe Summe. 4.000 Euro gingen an die
       Sieger der U23-Kategorie – die gab es allerdings nur für den männlichen
       Nachwuchs – jeweils 2.000 Euro an Juniorinnen und Junioren im
       Regenbogentrikot. Auch die Siegprämien in der neu geschaffenen UCI Track
       Champions League liegen für Männer wie Frauen auf gleicher Höhe, bei 25.000
       Euro.
       
       Und auch der Schutz vor Übergriffen ist verbessert. Vor allem auf Druck der
       unabhängigen Fahrerinnengewerkschaft [2][The Cyclists’ Alliance] passte die
       UCI ihren Ethikcode an. Opfer von Übergriffen haben jetzt das Recht,
       angehört und besser über das gesamte Verfahren informiert zu werden, sowie
       eine Begründung zu erhalten. Täter können bestraft, Verdächtige suspendiert
       werden.
       
       Das sind Fortschritte, gewiss. Und das EDGE-Zertifikat ist ein Ausdruck
       dafür. Aber es bleiben Fragen: EDGE selbst ist ein weltweit benutztes
       Zertifizierungsverfahren in Sachen Geschlechtergerechtigkeit. Es wurde 2011
       beim Weltwirtschaftsforum in Davos vorgestellt. Und wie sich im Akronym
       verbirgt – EDGE steht für Economic Dividends for Gender Equality – geht es
       vor allem um ökonomische Impulse, die diverser geführte und diverser
       aufgestellte Unternehmen im Vergleich zu ihren patriarchaler geführten
       Konkurrenten haben. Diese Effekte gibt es durchaus. Die Beraterfirma
       McKinsey fand etwa heraus, dass die Unternehmen, die zum obersten Viertel
       in Sachen Geschlechtergerechtigkeit gehören, höhere Profitraten als der
       nationale Durchschnitt erzielen. Zertifikaten wie dem von EDGE kommt also
       eine höhere Bedeutung zu.
       
       ## Beim Verband bleibt alles in Männerhand
       
       Zudem entspricht das Zertifikat nicht immer der Realität. Über die bei der
       UCI angewandten Kriterien gab EDGE auf Nachfrage keine Auskunft. Aus den
       von der UCI selbst veröffentlichten Informationen lassen sich aber wenig
       schmeichelhafte Rückschlüsse treffen. 40 Frauen und 62 Männer arbeiteten
       laut dem letzten Jahresbericht der UCI festangestellt für den Weltverband.
       Das Gehaltsgefüge zwischen den Geschlechtern war auf den unteren und
       mittleren Ebenen laut einer Grafik ausgeglichen. Aber 21 männlichen
       Direktoren standen nur 6 Direktorinnen gegenüber. Bei Trainer*innen ist
       das Verhältnis 25:15. Nur auf der unteren Ebene sind Frauen mit 19 Stellen
       gegenüber 16 Männern in der Überzahl.
       
       Erst recht nicht in den Blick nimmt das Zertifikat die
       Geschlechterverhältnisse im Radsport insgesamt. Die Fahrerinnengewerkschaft
       TCA monierte etwa, dass jede dritte Fahrerin im Profifeld kein Gehalt
       erhielt. Das betrifft vor allem Frauen, die bei den Continental Teams
       angestellt sind. Dort gibt es kein Mindestgehalt. Die Lizenzen für die
       Rennställe vergibt die UCI. In der EDGE-Zertifizierung spielte auch keine
       Rolle, dass die TCA mit ihren über 200 Mitgliedern vom Weltverband nicht
       einmal als offizielle Vertretung anerkannt wurde.
       
       31 Jan 2022
       
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