# taz.de -- Biden telefoniert mit Selenski: Diplomatie per Telefon
       
       > Schon lange war Telefon in den USA bei Krisen zentral. Die bilaterale
       > Absprache ist jedoch schwierig.
       
 (IMG) Bild: Außenpolitische Krisen sind das Letzte, was er jetzt braucht: Joe Biden am Neujahrsabend
       
       [1][US-Präsident Joe Biden] versucht aktuell mithilfe des guten alten
       Telefons eine mögliche Invasion der Ukraine durch russische Streitkräfte zu
       verhindern. Die Gespräche zwischen Kiew, Moskau und Washington sorgen
       international für Schlagzeilen, doch in der amerikanischen Bevölkerung ist
       die Situation im entfernten Osteuropa nichts weiter als eine kleine
       Randnotiz.
       
       Die außenpolitischen Bemühungen des Weißen Hauses verblassen aktuell vor
       dem Hintergrund [2][der explodierenden Corona-Fallzahlen] im Land und dem
       bevorstehenden Jahrestag vom Sturm auf das US-Kapitol. Trotzdem geht es bei
       den Verhandlungen über die Ukraine-Krise um einiges für die USA. Denn nach
       vier schwierigen Jahren unter Ex-Präsident Donald Trump und dem Debakel
       beim Truppenabzug aus Afghanistan ist das Vertrauen in Washington
       angeschlagen.
       
       Wie kann es Biden also schaffen, außenpolitische Stärke zu zeigen und
       gleichzeitig die USA nicht in einen neuen Konflikt zu verwickeln? Im Moment
       setzt Washington auf Telefondiplomatie. [3][Der US-Präsident sprach noch
       vor dem Jahreswechsel mit Putin]. Während des Gesprächs sollen beide Männer
       ihre Positionen nochmals untermauert haben. Russland will
       Sicherheitsgarantien vom Westen, unter anderem, dass es zu keiner
       Nato-Osterweiterung kommen werde.
       
       Die USA drohen im Gegenzug mit drastischen wirtschaftlichen Sanktionen,
       sollte Moskau es wagen, die Ukraine anzugreifen. Am Sonntag telefonierte
       Biden dann mit dem ukrainischen Staatschef Wolodimir Selenski und sicherte
       ihm die volle Unterstützung zu. Auch mit Nato-Verbündeten und europäischen
       Partnern stehen die USA in ständigem Kontakt. Telefondiplomatie ist
       natürlich nichts Neues.
       
       Nach den Ereignissen der Kubakrise zu Beginn der 1960er-Jahre einigten sich
       die USA und die damalige Sowjetunion darauf, eine direkte
       Kommunikationsmöglichkeit zwischen beiden Regierungen einzurichten. Dies
       war die Geburt des „Red Telephone“, das in Wirklichkeit nie ein Telefon
       war.
       
       Trotzdem haben auch Telefongespräche immer wieder eine wichtige Rolle
       gespielt. Bereits 2014 ging es bei einem 90-minütigen Gespräch zwischen
       US-Präsident Barack Obama und Putin um die Ukraine. Auch damals rief
       Washington zur Deeskalation und Diplomatie auf. Der Erfolg blieb aus. Unter
       Trump kam dann Twitter-Diplomatie hinzu. Auch hier blieb der Erfolg aus.
       
       Um Szenen wie beim chaotischen [4][US-Truppenabzug aus Afghanistan] zu
       vermeiden, wollen die USA in der aktuellen Krise keine Entscheidungen ohne
       die Mitsprache von Verbündeten treffen. Diese fühlten sich beim Thema
       Afghanistan vor den Kopf gestoßen. Innerhalb der nächsten 14 Tage wird es
       deshalb zu mehreren diplomatischen Gesprächen kommen. Nicht bei allen
       werden jedoch Europäer am Tisch sitzen.
       
       Aufgrund der anhaltenden Reisebeschränkungen durch Corona wird auch in
       Zukunft das Telefon bei internationalen Angelegenheiten eine tragende Rolle
       spielen. Denn wie viele von uns während der vergangenen zwei Jahre
       schmerzhaft erfahren haben, [5][nicht jeder kommt mit den neuen
       Kommunikationsmöglichkeiten Zoom, Microsoft Teams usw. zurecht.] Und eine
       neue Krise, nur weil jemand den Stummschaltknopf nicht finden konnte – das
       ist es dann doch nicht wert.
       
       3 Jan 2022
       
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