# taz.de -- Humoristin Stefanie Sargnagel über Tabus: „Gewisse Witze mache ich privat“
       
       > Die Wiener Autorin Stefanie Sargnagel liest in Hamburg aus ihrem
       > Debütroman „Dicht“. Ein Gespräch über Humor, Tabus und Mehrdeutigkeiten.
       
 (IMG) Bild: Mit Lust am Tabu: Stefanie Sargnagel steht 2020 im Volkstheater München auf der Bühne
       
       taz: Frau Sargnagel, in einem Artikel schrieben Sie mal über sich:
       „[1][Schon als Vierjährige faszinierten mich Tabus] und wie ein falsches
       Wort alles durcheinanderbringen konnte.“ Was reizt Sie heute an Tabus?
       
       Stefanie Sargnagel: In Tabus steckt ganz viel Verdrängung. Es gibt ja viele
       verschiedene Arten von Tabus, [2][jetzt gerade interessiert mich zum
       Beispiel das Erben]. Ich finde, wir sollten insgesamt mehr über Geld
       sprechen. Über das Einkommen redet man in Österreich eigentlich nicht – das
       ist ein großes Tabu. Und in allen Dingen, die tabuisiert sind, steckt eben
       sehr viel humoristisches Potenzial.
       
       Inwiefern? 
       
       Beim Humor geht es ja immer darum, Normvorstellungen
       durcheinanderzubringen. Deswegen [3][gehören für mich Humor und Tabus auch
       stark zusammen]. Alles was tabuisiert ist, macht neugierig – also gehört es
       bearbeitet.
       
       Welche Tabus gehören denn „bearbeitet“? 
       
       Mich interessieren die Tabus am meisten, die eine Ungerechtigkeit
       aufrechterhalten. Tabus sind ja auch Ausdruck von Machtverhältnissen.
       Allerdings geht es mir nicht einfach nur um den Tabubruch. Denn: Die
       Sexualisierung von Kindern ist ja auch ein Tabu – und das darf gerne so
       bleiben.
       
       Der Tabubruch ist also keinhumoristischer Selbstzweck für Sie. Inwieweit
       variiert denn, was überhaupt als Tabu wahrgenommen wird?
       
       Tabus sind sehr kontext-, kultur- und milieuabhängig. In linken Kreisen
       sind zum Beispiel Dinge tabuisiert, die es im Wirtshaus wahrscheinlich
       nicht sind, Stichwort political correctness.
       
       Beschneidet political correctness denn die Humorfreiheit? 
       
       Ich sehe das nicht so schwarz-weiß, deswegen kann ich keine eindeutige
       Antwort auf diese Frage geben. Einerseits haben Leute Angst, dass ihre
       Machtposition infrage gestellt wird. Dass sie also auch endlich mal darüber
       nachdenken müssen, was sie so selbstverständlich daherreden. Andererseits
       muss man auch aufpassen, dass man nicht mit so einer bildungsbürgerlichen
       Spracherziehung daher kommt und die Leute das Gefühl haben, dass sie
       milieubedingt nicht mehr mitreden wollen – und können.
       
       Erleben Sie das auch persönlich? 
       
       Ja, sogar ich, [4][die als Linke in linken Kreisen unterwegs ist], kenne
       mich teilweise nicht mehr aus. Manchmal weiß ich auch nicht mehr, welcher
       Begriff wo noch okay ist.
       
       Und was bedeutet das für Ihre Arbeit? 
       
       Dass ich mehr darüber nachdenke, was ich wie sage. Manche Witze von früher
       würde ich heute so nicht mehr machen, auch, weil sich mein Kontext
       verändert hat. Früher habe ich Witze vor und über eine Szene gemacht, das
       waren meist Linke und Hipster, ein kleines Milieu eben. Da hatte ich eher
       das Bedürfnis, denen ein bisschen vor den Kopf zu stoßen, ich habe da gerne
       den Proll raushängen lassen. Heute hört mir aber eine größere
       Öffentlichkeit zu, das macht schon einen Unterschied.
       
       Das heißt? 
       
       Gewisse Witze mache ich tatsächlich nur noch im Privaten, weil ich finde,
       dass sie in einer breiten Öffentlichkeit nicht passen. Witze können eben
       auch schnell instrumentalisiert werden. Mit vertrauten Personen kann man
       viel inkorrektere Witze machen, weil sie das besser einordnen können.
       Dieses Vertrauensverhältnis ist dabei wichtig, denn Witze spielen ja sehr
       viel mit Mehrdeutigkeiten. In der Öffentlichkeit muss ich mich eben ein
       bisschen mehr zusammenreißen. Aber das ist der Preis, den ich für mehr
       Reichweite und Einfluss zahlen muss.
       
       … der Preis, den Sie zahlen müssen  oder möchten? 
       
       Natürlich möchte ich diesen Preis auch zahlen. Mir geht es schließlich
       nicht darum, dass ich Angst davor habe, angegriffen zu werden. Das passiert
       sowieso immer, weil politische Szenen ein Problem mit Mehrdeutigkeiten
       haben. Meine Witze werden dann oft mit so einer politikwissenschaftlichen
       Brille gelesen, die ausblendet, dass Humor eben mit der Doppeldeutigkeit
       spielt. Aber Missverständnisse gibt es eh immer.
       
       Macht es denn einen Unterschied für Sie, wer Ihre Witze missversteht? 
       
       Absolut. Ich möchte nicht von den Leuten instrumentalisiert werden, die
       auch Spaß an Diskriminierung haben. Das ist mir wichtig. Aber manchmal wird
       auch vermeintliche Diskriminierung eines Witzes beklagt, bei dem ich
       erklären kann, dass er vielleicht einfach falsch gelesen wird. Bei diesen
       Klagen bin ich auch nicht grundsätzlich bereit, alles zu ändern, nur um ja
       nicht von irgendwem missverstanden zu werden. Dann könnte ich gleich mit
       dem Humor aufhören. Bis zur Kunstfeindlichkeit kann man es aus Rücksicht
       auch nicht treiben. Man muss mir schon logisch erklären können, warum etwas
       nicht geht, dann sehe ich das oft auch ein. Aber wenn man zu vorsichtig
       wird, dann macht man halt keine Kunst mehr, sondern Pädagogik.
       
       14 Jan 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Viorica Engelhardt
       
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