# taz.de -- Meeresbiologin über Rettung der Ozeane: „Verzicht rettet die Welt nicht“
       
       > Polar- und Tiefseeforscherin Antje Boetius sieht noch Chancen, die
       > Weltmeere vor den Folgen des Klimawandels zu schützen – und damit die
       > Menschheit.
       
 (IMG) Bild: Gefahr fürs Meer aus dem Meer: Ölbohrplattform Mittelplate im Wattenmeer
       
       taz: Frau Boetius, angesichts dessen, was der Mensch dem Meer antut, von
       der Überfischung bis zur Ölbohrung, vom Dünger bis zum Atommüll: Wie
       vermeidet eine Meeresbiologin da eine Depression? 
       
       [1][Antje Boetius]: Zu verstehen, was mit dem Ozean und uns geschieht, die
       Prozesse, die Faktoren, wirkt bei mir eigentlich eher aktivierend.
       
       Sie haben also noch Zuversicht? 
       
       Grundsätzlich immer. Aber solche Gefühlszustände haben ja keine Auswirkung
       auf physikalische Gesetze. Ich frage mich also: Was kann ich tun, was muss
       noch erforscht werden, wie kann ich mein Wissen teilen, damit wir das
       Richtige tun? Mit dem Klimawandel und dem Artensterben stehen wir vor der
       fundamentalsten Herausforderung der Menschheitsgeschichte – also kommt es
       auf jeden an.
       
       Kommen wir zur Rolle der Natur: Welche betonen Sie in Ihrem Vortrag „Mensch
       und Meer“? 
       
       Vor allem die Wichtigkeit der großen Stellschrauben. Ich zeige auf, wie die
       Ozeane sich global verändern, vor allem durch die Zunahme von
       Treibhausgasen in der Atmosphäre. Ich bespreche, wie vielfältig die
       Konsequenzen sind und erkläre [2][das Prinzip von Kipp-Punkten], jenseits
       derer der Mensch kaum noch Einfluss hat – zum Beispiel, wenn Gletscher
       abschmelzen oder Arten verschwinden.
       
       Jeder von uns, heißt es, könne etwas tun. Aber wie weit bringt uns
       individuelles Handeln? Müssen wird nicht vorrangig die großen Player ins
       Gebet nehmen – die Wirtschaft, das Militär? 
       
       Alle! Klar, jeder von uns kann was beitragen. Aber die Konzentration auf
       den Individualverzicht finde ich sehr gefährlich. Die Lösung liegt in der
       internationalen Zusammenarbeit, fossile Energieträger durch regenerative zu
       ersetzen, und damit in einer weltgemeinschaftlichen Transformation. Der
       Individualverzicht, der bei uns dauernd diskutiert wird, rettet die Welt
       nicht. Es geht nur durch Innovation und Umbau!
       
       Wenn ich Regierungspolitiker wäre: Welche Klimaschutzmaßnahmen würden Sie
       mir anraten – oder von mir fordern –, die zugleich Meeresschutz sind? 
       
       Einer der wichtigsten Beiträge ist der schnelle Ausstieg aus Kohle, Öl und
       Gas – in dieser Reihenfolge. Das Meer und seine Lebewesen sind stark
       betroffen. Der Ozean nimmt über 90 Prozent der menschengemachten Wärme auf,
       25 Prozent der CO2-Emissionen, und verändert sich dadurch total.
       
       Wenn Sie am Meer stehen: Können Sie das noch genießen? Oder denken Sie
       ständig daran, was der Mensch dort anrichtet? 
       
       Wenn ich am Meer stehe – oder abtauche –, wenn ich diesen ungeheuren Raum
       und die Kraft des Wassers spüre, stelle ich fest, wie klein wir Menschen
       sind. Wir sagen, wir müssen die Ozeane schützen. Aber im Grunde geht es
       darum, dass wir uns selbst schützen! Der Ozean ist auch ohne Menschen
       weiterhin Ozean. Für unsere Zukunft geht es aber darum, in eine Art von
       fruchtbarem Gleichgewicht zu kommen zwischen Mensch und Ozean. Das ist,
       zeigt die Wissenschaft, durchaus möglich, auch mit acht Milliarden
       Menschen. Das gibt Hoffnung.
       
       11 Jan 2022
       
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