# taz.de -- Digitalausschuss-Chefin über Telegram: „Wir werden Druck machen“
       
       > Grünen-Politikerin Tabea Rößner über den Umgang mit Hetze auf Telegram
       > und die Pläne der Ampelkoalition im Bereich Digitalisierung.
       
 (IMG) Bild: Tabea Rößner sitzt seit 2009 im Bundestag
       
       taz: Frau Rößner, die Bundesregierung entdeckt Telegram [1][als Hort der
       Demokratiefeinde] und will nun dagegen vorgehen. Wie gefährlich ist
       Telegram? 
       
       Tabea Rößner: Der Messengerdienst als solcher ist nicht gefährlich. Aber er
       wird auch genutzt, um eine große Verbreitung von rechtswidrigen Inhalten zu
       erwirken. Das hat Auswirkungen auf den Meinungsbildungsprozess.
       
       Muss der Gesetzgeber gegen den Messengerdienst vorgehen? 
       
       Bei Telegram geht es nicht mehr nur um eine 1-zu-1-Kommunikation, sondern
       der Dienst wird über seine öffentlichen Gruppen als
       Massenverbreitungsinstrument genutzt. Man muss daher prüfen, ob
       Messengerdienste wie Telegram damit unter das Netzwerkdurchsetzungsgesetz
       fallen. Darüber gab es in der Vergangenheit unterschiedliche Auffassungen.
       Ich denke, wenn ein Messengerdienst solche Reichweiten erzielt, unterliegt
       er natürlich den Pflichten des NetzDG.
       
       Telegram ist ein Kommunikationskanal. Wie wollen Sie zwischen Alltagschat
       und strafrechtlich relevanten Inhalten filtern? 
       
       Telegram wird auch in der alltäglichen Kommunikation genutzt und nicht nur,
       um Hass und Hetze zu verbreiten. Aber: Die Verbreitung von Inhalten über
       öffentlich zugängliche Gruppen ist hier ein Thema. In erster Linie müssen
       die Strafverfolgungsbehörden aktiv werden, wenn strafrechtlich relevante
       Inhalte verbreitet werden. Wenn sich die Betreiber aber nicht für
       Bußgeldbescheide interessieren – wie hier bei Telegram mit Sitz in Dubai –,
       müssen auch andere Maßnahmen greifen. Zum Beispiel kann man die Betreiber
       von Smartphones verpflichten, solche Apps nicht anzubieten. Aber das darf
       nur das letzte Mittel sein. Wir wollen die Meinungsfreiheit nicht
       einschränken. Das ist ein schmaler Grat.
       
       Es ist nicht das erste Mal, dass Telegram als Ort für kriminelle
       Machenschaften, für digitale Gewalt auffällt. Auch die Aufrufe von
       [2][Rechtsextremen, von Querdenker:innen, von Terrorist:innen] werden
       in offenen Gruppen verbreitet. Trotzdem scheinen Behörden und
       Entscheider:innen überrascht. Warum? 
       
       Die Regulierung solcher Dienste wurde bisher sehr kritisch gesehen. Das
       Netz ist ein öffentlicher Raum. Für diesen Raum gibt es Regeln. Bei aller
       Vorsicht vor Überregulierung: Die Anbieter solcher Plattformen müssen sich
       daran halten. Aber wir benötigen eine bessere technische und personelle
       Ausstattung der Sicherheitsbehörden. Sie brauchen die richtigen
       Instrumente, um gegen strafbare Inhalte vorzugehen. Und man muss den Druck
       auf nicht kooperierende Dienste insgesamt erhöhen.
       
       Davon ist bisher wenig die Rede. Statt dessen wird auf EU-Richtlinien
       gehofft. 
       
       Wir brauchen auch Instrumente, um den europäischen Rechtsrahmen zu
       harmonisieren. Das passiert derzeit über neue Gesetze für digitale Märkte
       und digitale Dienste auf EU-Ebene. Aber es muss auch die Möglichkeit geben,
       dass nationale Gesetze umgesetzt werden. In Deutschland geht es dabei vor
       allem um Inhalte, die volksverhetzend sind.
       
       In der vergangenen Woche wurde eine der größten Sicherheitslücken bei einer
       Open-Source-Anwendung bekannt. Hat Sie das überrascht? 
       
       Nein. Es gibt wahnsinnig viele Angriffe derzeit unterschiedlichster Art.
       Dass es eine Open-Source-Anwendung betrifft, ist aber etwas Besonderes, da
       Schwachstellen durch den offenen Zugang in der Regel eher entdeckt und
       behoben werden.
       
       Ist Open Source ein Risiko? 
       
       Alle Anwendungen bergen Risiken in sich. Viele Anwendungen, die nicht Open
       Source waren, wurden genauso gehackt. Bei Open Source arbeiten viele
       Menschen zusammen an Anwendungen. Sie werden gemeinsam entwickelt, Lücken
       werden entdeckt und sie können auch wieder schnell geschlossen werden. Das
       ist der Vorteil bei Open Source. Allerdings sind Sicherheitschecks und
       Qualitätskontrollen hier nicht institutionalisiert, das passiert meist in
       Eigenregie ohne große Ressourcen dahinter – von einigen Spendern mal
       abgesehen.
       
       Und jetzt? 
       
       Die Sicherheitslücken müssen sobald wie möglich geschlossen und Daten
       gesichert werden. Zudem muss die 2-Faktor-Authentifizierung gestärkt
       werden. Leider müssen Nutzer:innen und Unternehmen immer noch darin
       bestärkt werden, sichere Passwörter zu verwenden. Dafür muss es ein
       stärkeres Bewusstsein geben.
       
       Das ist doch seit Jahren die Forderung – und nur wenig ist passiert. 
       
       Die Digitalisierung bringt viele Vorteile. Aber sie muss auch sicher sein.
       Wir müssen Support, Updates, die Wartung von Geräten immer mitdenken. Das
       ist in der Vergangenheit zu wenig passiert. Und wir wollen Open Source
       stärken, um Entwicklung, Instandhaltung und Sicherheit dieser Anwendungen
       professioneller aufstellen.
       
       Digitalisierung ist eines der wichtigsten Themen im Koalitionsvertrag.
       Themen und Fachbereiche sind zerfasert und nicht gebündelt. Blockiert das
       nicht die Umsetzung? 
       
       Digitalisierung ist eine Querschnittsaufgabe. Wenn nur ein Ministerium
       zuständig wäre, wäre das der falsche Weg. Alle Bereiche müssen sich fit
       machen. Die Verwaltung, der Gesundheitsbereich, die Behörden. Es geht um
       IT-Sicherheit, um Datenschutz, um technisch gute Anwendungen. Dafür gibt es
       jetzt ein besseres Verständnis. Das war in der alten Bundesregierung nicht
       der Fall.
       
       Sie sind Vorsitzende des Digitalausschusses im Bundestag. Was steht ganz
       oben auf Ihrer Agenda? 
       
       Wir müssen den Ausbau der digitalen Infrastruktur schnell auf den Weg
       bringen. Wir brauchen Glasfaser in der Fläche und keine
       Zwischentechnologien. Das Geld dafür ist da. Problem sind die
       Antragsverfahren. Die müssen einfacher werden. Neben IT-Sicherheit steht
       für mich der digitale Verbraucherschutz, die Nachhaltigkeit von
       Zukunftstechnologien sowie die Sicherung eines freiheitlichen
       Meinungsbildungsprozesses auf der Agenda. Dass der neue
       Bundesdigitalminister Volker Wissing auch im Namen des Ministeriums die
       Digitalisierung vorne anstellt, ist ein gutes Zeichen. Im Ausschuss werden
       wir ihm Druck machen, dass die Pläne aus dem Koalitionsvertrag auch
       umgesetzt werden.
       
       19 Dec 2021
       
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