# taz.de -- Umstrittene Energiekooperation in Nahost: Wasser, Sonne und Protest
       
       > Solarstrom gegen entsalztes Wasser: Das sieht eine geplante Kooperation
       > zwischen Jordanien und Israel vor. Doch es regt sich Protest.
       
 (IMG) Bild: Amman am vergangenen Freitag: Proteste gegen die jordanisch-israelische Zusammenarbeit
       
       Amman taz | Mit einer Hand umklammert Ismail Abu Anas seine braune
       Gebetskette, mit der anderen reckt er ein rotes Schild in die Luft. „Gas
       vom Feind ist Besatzung“, steht in arabischer Schrift darauf. „Es ist unser
       Gas, wieso bezahlen wir dafür?“, sagt der 54-Jährige sichtlich aufgeregt,
       „der Jordan ist unserer, wieso bezahlen wir für das Wasser? Das sind
       Steuergelder für die Besatzung.“ Eine Frau mit weißem Gesichtsschleier, die
       anonym bleiben möchte, fügt hinzu: „Das ist eine Schande.“
       
       Es ist kurz nach Mittag in der jordanischen Hauptstadt Amman. Das
       Freitagsgebet in der Al-Hussaini-Moschee ist seit wenigen Minuten vorbei.
       Vor den weißen Minaretten haben Dutzende Männer ihre Gebetsteppiche wieder
       eingerollt. Die Stimme des Muezzins ist nun Stimmen aus den Lautsprechern
       gewichen, die alle Anwesenden zum Protest auffordern – vor allem Männer wie
       Abu Anas, aber auch Frauen wie Abir al-Taher, 30 Jahre alt, Jeansjacke und
       Kufija, die mit einer Freundin eine palästinensische Flagge schwenkt. „Wir
       protestieren als Jordanier*innen und als vertriebene
       Palästinenser*innen, um zu beweisen, dass wir gegen jegliche Normalisierung
       (der Beziehungen mit Israel, d. Red.) sind und den Widerstand in Palästina
       unterstützen“, sagt sie entschlossen.
       
       Jung und Alt, in westlichen Klamotten oder beduinischen Gewändern: Sie alle
       lehnen sich auf gegen ein neues Kooperationsprojekt zwischen Israel und
       Jordanien, das einen Austausch von Solarenergie aus Jordanien und
       entsalztem Wasser aus Israel vorsieht, aber auch gegen eine bereits fünf
       Jahre alte Gasvereinbarung zwischen beiden Ländern sowie ganz allgemein
       gegen den jordanisch-israelischen Friedensvertrag von 1994. Der
       Demonstrationszug, angeführt von einem weißen Pick-up, schlängelt sich
       durch die engen Straßen des Zentrums, die mit kleinen Geschäften, Obst- und
       Gemüseständen gesäumt sind.
       
       Seit mehr als zwei Wochen hallen immer wieder Protestparolen durch die
       Straßen Ammans, vor allem rund um die Universität. Auslöser der Proteste
       war eine [1][Absichtserklärung], die Jordanien, Israel und die Vereinigten
       Arabischen Emirate (VAE) Ende November unterschrieben. Sie soll den Weg
       frei machen für den Austausch von Solarenergie und Wasser. Vereinbart
       wurden zunächst erst einmal Machbarkeitsstudien für den Bau einer
       Solaranlage, die Strom an Israel liefern würde, sowie für die Entsalzung
       von Meereswasser aus dem Mittelmeer, das nach Jordanien fließen soll.
       [2][Medienberichten] zufolge soll die Solaranlage in der Wüste Jordaniens
       von den VAE gebaut werden.
       
       Wie das jordanische Wasserministerium betont, hat die Absichtserklärung
       noch keine rechtlichen Auswirkungen; sie drückt lediglich den Willen der
       Partnerländer aus. Doch in Jordanien, wo viele Bürger*innen
       palästinensischer Abstammung sind und mehr als zwei Millionen
       palästinensische Geflüchtete leben, sorgt schon dies für Aufruhr. Die
       Demonstrationen der vergangenen Tage vereinten verschiedene politische und
       gesellschaftliche Gruppen: Islamisten, Linke, Studenten, lokale Stämme.
       
       ## Expert*innen haben Bedenken
       
       Die Idee eines Wasser-gegen-Energie-Tauschs stammt ursprünglich von der
       Umweltschutzorganisation Ecopeace Middle East, die im Nahen Osten aktiv
       ist. Das Projekt „nutzt die natürlichen Vorteile des jeweiligen Landes“,
       sagt die jordanische Direktorin, Yana Abu Taleb, gegenüber der taz.
       „Jordanien hat das Potenzial, ein regionaler Hotspot für die Produktion von
       erneuerbarer Energie zu werden, während Israel eine fortgeschrittene
       Entsalzungstechnologie besitzt.“ Hauptvorteil des Projekts seien die
       relativ geringen Kosten, mit denen die Beteiligten Wasser und Energie
       erhalten würden und ihre CO2-Ziele einhalten könnten.
       
       Aber nicht nur jordanische Bürger*innen sehen die geplante Kooperation
       kritisch. Auch Expert*innen haben Bedenken. Einige befürchten eine
       Abhängigkeit von Israel, andere die Kosten und Auswirkungen des Vorhabens.
       Bereits dieses Jahr ist ein langjähriges Kooperationsprojekt im Sand
       verlaufen. Der sogenannte Zweimeereskanal sollte Salzsole vom Roten Meer
       zum Toten Meer bringen. Das entsalzte Wasser hätten sich Jordanien, Israel
       und Palästina geteilt. Nach mehreren Jahren Stillstand ist die Vereinbarung
       nun aufgegeben worden.
       
       Omar Shoshan, Vorsitzender der Umweltorganisation Jordan Environmental
       Union, sagt über den geplanten neuen Energie-Deal: „Es ist nicht möglich,
       dieses Projekts mit dem Klimawandel zu rechtfertigen.“ Es handele sich um
       ein rein politisches Projekt. Shoshan begrüßt zwar die „grünen“
       Investitionen der VAE in Jordanien, betont aber die Wichtigkeit, „bei der
       Wasserversorgung auf nationale Optionen zu setzen“.
       
       Der Geopolitik-Experte Amer al-Sabaileh ist derweil kritisch hinsichtlich
       der Rolle der VAE: „Jordanien ist eines der Länder, die einen
       Friedensvertrag mit Israel haben, sowie Kooperationen im Bereich
       Sicherheit, Grenzen und so weiter. Wieso braucht man die Vereinigten
       Arabischen Emiraten für diesen Deal?“ Für al-Sabaileh liegt auf der Hand,
       dass es den VAE bei der Kooperation nicht allein um Energie geht, sondern
       auch darum, die eigene Rolle als Friedensstifter in der Region
       voranzutreiben. „Denn die jordanische Vision eines Friedensprozesses im
       Nahen Osten ist eine andere als die der VAE.“ In den VAE gebe es keinen so
       großen palästinensischen Bevölkerungsanteil wie in Jordanien, keine
       gemeinsamen Grenzen. „Für uns ist es anders, es gibt andere Punkte, die
       berücksichtigt werden müssen.“ Der Deal könnte Jordaniens Rolle schwächen.
       
       ## Absolute Wasserknappheit
       
       Und doch: Jordanien braucht dringend Wasser. „Jede zusätzliche Wassermenge
       ist willkommen“, sagt Jawad al-Anani, ehemaliger jordanischer
       Vizeministerpräsident für Wirtschaftsangelegenheiten und Ex-Außenminister
       des Landes, gegenüber der taz. Das Königreich ist laut Unicef das
       zweitwasserärmste Land der Welt. Jede*r Bewohner*in hat im Schnitt
       weniger als 90 Kubikmeter Wasser pro Jahr zur Verfügung. Die Schwelle zur
       sogenannten „absoluten Wasserknappheit“ liegt nach UN-Angaben schon bei 500
       Kubikmetern.
       
       „Entweder ändern wir unsere Gewohnheiten oder wir brauchen zusätzliche
       Strategien. Eigentlich sollten wir beides tun“, sagt al-Anani. Die
       Alternativen zum Deal – Wasser aus dem Roten Meer zu entsalzen oder im
       Untergrund auf der Suche nach Quellen zu bohren – seien viel teurer, auch
       wenn noch nicht klar sei, wie viel das neue Projekt am Ende kosten werde.
       
       Den Menschen auf den Straßen Ammans gehe es indes vor allem um das
       sogenannte [3][Abraham-Abkommen], in dessen Folge die VAE und andere
       arabische Staaten vergangenes Jahr diplomatische Beziehungen zu Israel
       aufgenommen haben, sagt Anani. Die Palästinenser*innen in Jordanien
       fühlten sich betrogen. „Es ist nicht einfach für Jordanien“, kommentiert
       er.
       
       Das jordanische Wasserministerium blieb auf Nachfrage der taz zurückhaltend
       und teilte mit, mit der Absichtserklärung solle zunächst nur die
       Machbarkeit des Projekts untersucht werden. Erst „nachdem die
       Machbarkeitsstudie abgeschlossen ist, können die Vorteile und die Bedeutung
       des Projekts evaluiert werden“, so ein Sprecher. Ähnlich drückte sich das
       israelische Energieministerium aus: „Die neue Kooperation zwischen
       Jordanien, den VAE und Israel befindet sich noch in der Anfangsphase.“
       
       9 Dec 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://petra.gov.jo/Include/InnerPage.jsp?ID=39142&lang=ar&name=en_news
 (DIR) [2] https://www.timesofisrael.com/israel-jordan-sign-uae-brokered-deal-to-swap-solar-energy-and-water/
 (DIR) [3] /Golfstaaten-und-Israel/!5714540
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Serena Bilanceri
       
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