# taz.de -- Initiative der Finanzwirtschaft: 130 Billionen Dollar auf Klimakurs
       
       > 450 Finanzinstitutionen wollen ihre Anlagen am Klimaschutz orientieren.
       > NGOs drängen auf klare Regeln.
       
 (IMG) Bild: Klimaaktivisten bei der „Billion Dollar Bash“-Aktion in Glasgow
       
       Glasgow taz | Die großen Namen sind verschwunden, [1][die Staats- und
       Regierungschefs sind nach zwei Tagen] vom Klimagipfel abgereist. In der
       Zeltstadt am Kongresszentrum in Glasgow ist es dadurch deutlich ruhiger
       geworden. Die großen Zahlen sind dagegen geblieben: Nach den umfangreichen
       Versprechen zum Thema Waldschutz folgten am Mittwoch gewaltige Zusagen für
       den Finanzsektor.
       
       130 Billionen US-Dollar sollen in Zukunft nur noch so angelegt werden, dass
       die Investments in Einklang mit dem 1,5-Grad-Ziel stehen, kündigte der
       ehemalige Gouverneur der Bank of England, Mark Carney, am Mittwoch in
       Glasgow an. Das entspricht etwa 40 Prozent des weltweiten Anlagevermögens.
       Um dieses Ziel zu erreichen, haben sich 450 Finanzinstitutionen aus 45
       Ländern zur [2][Glasgow Financial Alliance for Net Zero] (GFANZ)
       zusammengeschlossen, berichtete Carney, der die Initiative koordiniert.
       
       Die von den beteiligten Instituten verwalteten Gelder sollen künftig
       komplett so angelegt werden, dass sie Klimaneutralität bis zum Jahr 2050
       gewährleisten. Und bis 2030 im Vergleich zu heute einen Rückgang der durch
       das eigene Portfolio verursachten Emissionen um 50 Prozent sicherstellen.
       
       Dazu müssen die Unternehmen wissenschaftsbasierte Szenarien mit
       Fünfjahreszielen und jährliche Berichte vorlegen, betonte Carney. Die
       detaillierten Kriterien dafür sollen gemeinsam mit staatlichen und
       zivilgesellschaftlichen Akteuren entwickelt werden.
       
       ## Londoner Finanzwelt soll klimaneutral werden
       
       In zwei Jahren könnten ähnliche Regeln sogar für alle in England aktiven
       Finanzakteure gelten: Der britische Finanzminister Rishi Sunak kündigte in
       Glasgow an, London zum weltweit ersten auf Klimaneutralität ausgerichteten
       Finanzplatz zu machen. Alle dort tätigen Finanzinstitutionen und alle an
       der Londoner Börse notierten Unternehmen müssten bis spätestens 2023 Pläne
       für den Übergang zum klimaneutralen Zeitalter ausarbeiten, sagte Sunak.
       
       Zivilgesellschaftliche Beobachter begrüßten die Ankündigungen, äußerten
       zugleich aber teilweise Zweifel an ihrer konsequenten Umsetzung. „Das ist
       ein großer Schritt“, sagte Ed Matthew vom Thinktank E3G. „Verbindliche
       Klimaneutralitätspläne sind ein entscheidender Baustein in der
       Finanzarchitektur, die nötig ist, um die Billionen zu mobilisieren, die für
       den Umstieg zu einer grünen Wirtschaft nötig sind.“
       
       Auch David Ryfisch, Finanzexperte bei der deutschen Umwelt- und
       Entwicklungsorganisation Germanwatch, ist grundsätzlich erfreut über die
       Ankündigungen. „Der Finanzsektor bewegt sich mit großer Dynamik“, sagte er
       der taz. „Die Märkte haben verstanden, in welche Richtung es geht.“
       
       Der Start der Glasgow Financial Alliance sei auf jeden Fall ein Fortschritt
       – wie groß dieser sei, hänge aber an einigen Details, über die derzeit noch
       verhandelt wird. Entscheidend sei beispielsweise, inwieweit
       Kompensationsmaßnahmen in anderen Ländern bei der Klimaneutralität
       angerechnet werden und ob auch alle Emissionen berücksichtigt werden, die
       von den hergestellten Produkten im Laufe ihrer Lebensdauer ausgehen.
       
       Kritischer fällt die Einschätzung der internationalen Organisation Global
       Witness aus. „Wir haben wieder und wieder erlebt, dass
       Selbstverpflichtungen von Banken nicht das Papier wert sind, auf dem sie
       geschrieben sind“, erklärte Veronica Oakeshott. „Und bisher haben wir
       keinen Grund, zu glauben, dass es diesmal anders ist.“ Wenn die Ankündigung
       des Finanzministers mehr sein solle als Greenwashing, müsste sie mit klaren
       gesetzlichen Vorgaben durchgesetzt werden.
       
       Deutlich wird durch die Ankündigung aus Großbritannien erneut, dass
       Deutschland beim Thema nachhaltige Finanzen bisher Nachzügler ist, denn in
       Berlin gibt es noch keine vergleichbaren Pläne. Auch in den laufenden
       Koalitionsverhandlungen sei das Thema nicht wirklich präsent, kritisierte
       Germanwatch-Vertreter Ryfisch.
       
       3 Nov 2021
       
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