# taz.de -- Sacharow-Preis für Alexei Nawalny: Sie sind nicht vergessen
       
       > Symbolische Solidarität für die russische Opposition ist wenig und besser
       > als nichts. Aber beileibe nicht genug.
       
 (IMG) Bild: Alexej Nawalny bei einer Gerichtsanhörung im Juni in Moskau
       
       Erst der Friedensnobelpreis für den Journalisten Dmitri Muratow, jetzt der
       Sacharow-Preis für Menschenrechte, mit dem das EU-Parlament den
       Kremlkritiker Alexei Nawalny ehrt: [1][So viel internationale
       Aufmerksamkeit und Solidarität] von höchster Stelle für die russische
       Opposition gab es schon lange nicht mehr.
       
       Die damit verbundene Botschaft lautet: Ihr seid nicht vergessen, wir lassen
       euch nicht allein. Das macht Mut und verleiht Stärke – zumindest moralisch.
       Vor allem für diejenigen, die ein anderes Russland wollen und dafür Leib
       und Leben riskieren, ist das nicht wenig und besser als nichts. Aber
       beileibe nicht genug.
       
       Denn zu glauben, der Sacharow-Preis könne für den [2][inhaftierten Nawalny]
       zu einer Art Lebensversicherung werden oder sogar zu seiner Freilassung
       führen, ist eine Illusion. Warum sollte sich ausgerechnet [3][Wladimir
       Putin], der Nawalny nicht einmal beim Namen nennt, davon beeindrucken
       lassen?
       
       Vielmehr dürfte der Kreml die Auszeichnung aus Straßburg als weiteren
       Affront verbuchen. Aber angesichts der Tatsache, dass die Beziehungen
       zwischen Russland und dem Westen mittlerweile noch frostiger sind als zu
       Zeiten des Kalten Krieges, kommt es auf eine „Provokation“ mehr oder
       weniger auch nicht mehr an.
       
       ## Das Beispiel Memorial
       
       Die Zeichen stehen weiter auf Repression im Umgang mit Andersdenkenden, und
       das härter denn je. Das zeigt auch das Beispiel Memorial. Die
       Nichtregierungsorganisation, die sich der Aufarbeitung des Stalinismus
       verschrieben hat, wurde 2009 mit dem Sacharow-Preis bedacht.
       
       Heute firmiert Memorial auf der Liste „ausländischer Agenten“ und das heißt
       in der Praxis: Strafverfahren, Geld- und Haftstrafen infolge von
       Schauprozessen gegen Memorial-Mitarbeiter*innen. Erst vor wenigen Tagen
       wurde die Vorführung eines Films über die Hungersnot in der Ukraine in den
       30er-Jahren von Sicherheitskräften gesprengt und viele der anwesenden Gäste
       festgenommen.
       
       Auch die Schikanen gegen Nawalny und seine Mistreiter*innen, die
       mittlerweile als „Extremist*innen“ gelabelt werden, gehen unvermindert
       weiter. Am Mittwoch, nur wenigen Stunden nach Bekanntwerden der
       Entscheidung in Straßburg, tauchte Ljubow Sobol, als Juristin für Nawalnys
       Anti-Korruption-Fonds tätig, in Russland auf einer Fahndungsliste auf.
       Zufall? Von wegen!
       
       Nein, Putin fühlt sich unantastbar. Er weiß nur zu gut, dass es auch im
       Westen mit dem hehren Anspruch, für Menschenrechte einzutreten, nicht mehr
       weit her ist – nämlich dann, wenn es um knallharte wirtschaftliche
       Interessen geht. Das wird schon alsbald zu besichtigen sein. Und zwar dann,
       wenn die erste russische Gaslieferung via Nord Stream 2 in Europa ankommt.
       
       21 Oct 2021
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Oertel
       
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