# taz.de -- Die Wahrheit: Hochtourig verschwitztes Völkchen
       
       > Die Kanada-Woche der Wahrheit: Fit bis zum Elchumschubsen – so sportelt
       > die nordische Nation im Sommer wie im Winter.
       
 (IMG) Bild: Was haben diese Elche mit der kanadischen Elchschubsernationalmannschaft gemacht?
       
       Kanada ist ein grausames Land für Sporttreibende. Während diese Masse Land
       im Winter so verschneit ist, dass der Basketball einfach unter der
       Schneedecke verschwindet und erst im Frühjahr wiedergefunden werden kann,
       wird sie im Sommer so heiß, dass schon mehrere Nationalfußballspieler mit
       ihren Schuhen am Kunstrasen festgeschmolzen und qualvoll verdurstet sind.
       
       Doch warum sehen die Kanadierinnen und Kanadier trotzdem so hot aus wie die
       letzte Hitzewelle? Mit bestem Beispiel geht hier Premierminister Justin
       „Jawline“ Trudeau voran. Angesichts des schnittigen Kiefers des
       Regierungschefs fragen sich Betrachter: Ja, warum bloß? Weil es sich bei
       ihnen um ein findiges – und vor allem oberflächliches – Völkchen handelt,
       das sich an die widrigen Umstände angepasst und geeignete Sportarten
       entwickelt hat.
       
       Anfängern fällt da vor allem eines ein: Eishockey. Doch das Rumschlittern
       auf dem glitschigen Eis erfreut sich in Kanada entgegen der
       Außendarstellung lediglich bei Unfallchirurgen und Dentisten großer
       Beliebtheit, die nach dem Spiel grinsend eigene und fremde Rippen wie auch
       Zähne von der Eisfläche sammeln.
       
       Die Einwohnerinnen und Einwohner Kanadas, die weniger psycho und weniger
       wohlhabend sind, bringen ihren Puls allerdings anders auf Hochtouren. In
       der Sommerhitze reicht es häufig schon, die Wohnung zu verlassen, um sein
       halbes Körpergewicht durch die Poren zu verlieren, und zwar in Form von
       Schweiß. Besonders, wenn man in einem der Torontoer Hochhäuser lebt und der
       Fahrstuhl mal wieder kaputt ist.
       
       ## Nordstern des Einfallsreichtums
       
       Doch erst im Winter entfaltet sich die ganze Kreativität der Kanadierinnen
       und Kanadier, erst da leuchtet der Nordstern ihres Einfallsreichtums so
       hell, dass man ihn sogar durch den Schneesturm sehen kann, der Kanada jedes
       Jahr pünktlich zum ersten Oktober heimsucht und sich erst Mitte Juni wieder
       legt. In dieser Zeit wird dem beliebten Volkssport des Elchumschubsens
       nachgegangen. Dafür trinken sich die Teilnehmer Mut an mit einer Maß
       Ahornsirup, bevor sie in den Wald ziehen, um das Riesengeweihtier zu
       suchen. Fun Fact: Der nächste Wald ist in Kanada höchstens 0,2 Kilometer
       entfernt, so will es das Gesetz.
       
       Den Elch versuchen die sportelnden Kanadier dann unter vereinten Kräften
       umzuschubsen. Profis erkennt man daran, dass es die ganze Gruppe von einer
       Seite versucht. Liegt der Elch am Boden, entschuldigt man sich höflich bei
       ihm und zieht von dannen. Findet man den Weg zurück nach Hause, hat man die
       Partie gewonnen, verirren sich alle im Wald, steht nach dem Auftauen im
       Juni die Revanche an.
       
       Auch die Elche beteiligen sich an diesem Spiel, indem sie versuchen, den
       Schubsern durch gezielte Tritte ein Auge zu entfernen, sie auf ihrem
       Heimweg in die falsche Richtung zu schicken oder einfach auf sie
       draufzufallen. Für jede dieser Aktivitäten gibt es einen Punkt, momentan
       steht es zwischen Elchen und Kanadiern unentschieden, was auch daran liegen
       kann, dass die Elchschubsernationalmannschaft seit Wochen verschollen ist.
       
       Doch es gibt auch Möglichkeiten, Sport zu treiben, die weniger Elche
       involvieren. Für das beliebte Ringewerfen braucht man beispielsweise
       lediglich einen Elch, der auch noch mitmachen darf, so er nett fragt. Dabei
       müssen Plastikringe, die man zuvor aus einem zugefrorenen Freibad geborgen
       hat, auf die Krone des Elches geworfen werden. Wer die meisten Treffer
       „landet“, gewinnt und darf als Preis den Kopf des Elches behalten. Gewinnt
       der Elch, wird der Kopf seiner Familie vermacht.
       
       ## Sportarten ohne Elche
       
       Mittlerweile regt die kanadische Regierung jedoch an, weniger elchbasierte
       Sportarten zu betreiben, da sich die Bestände drastisch dezimiert haben und
       man die übrig gebliebenen Tiere für die nächsten olympischen Winterspiele
       benötigt. Deswegen haben viele Kanadierinnen und Kanadier diesen
       traditionsreichen Sportarten den Rücken gekehrt, nicht ohne trotzdem von
       Elchen zertrampelt zu werden.
       
       Stattdessen haben sie sich neue ausgedacht. Bei dem beliebten Poutine-Spiel
       müssen alle Teilnehmer eine möglichst große und schmackhafte Portion des
       Ekelnationalgerichts Poutine zubereiten, die dann in den Garten gestellt
       wird. Die Person, deren Poutine mit Pommes, Cheddar-Käse und deftiger
       Bratensauce am schnellsten einfriert, gewinnt. Der Verlierer muss sämtliche
       gefrorenen und halbgefrorenen Portionen Poutine essen, bis er aufgibt.
       Womit er ein weiteres Mal verloren hat und alle gefrorenen Portionen essen
       muss oder als Totalverlierer stirbt. Der Gewinner bekommt einen Elchkopf,
       ein weiterer wird auf dem Grab des Verlierers niedergelegt.
       
       Egal, wie das Spiel ausgeht: Klar ist, dass die kanadische Sportkultur sehr
       vielfältig und facettenreich ist. Solange ein Elch vorkommt. Zur
       Frankfurter Buchmesse 2021 hat das Gastland versprochen, seine besten Teams
       einzufliegen und in der Mainmetropole ein großes kanadisches Sportfest zu
       veranstalten. Die Elche scharren bereits mit den Hufen.
       
       19 Oct 2021
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Laura Brinkmann
       
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