# taz.de -- Die Wahrheit: Schwarzrotgoldige Lage
       
       > Nichts funktioniert mehr im alten Macherland. Eine Imagekampagne für
       > Deutschland muss dringend her! Bitte schön …
       
 (IMG) Bild: Verblasste Landesfarben sollen wieder aufgefrischt werden
       
       Zu wenig Masken, keine Kontaktnachverfolgung, zu wenig Impfstoff –
       Deutschland offenbart pandemische Schwierigkeiten. Das ist hart für das
       Land, das wegen seiner eiskalten Finanzpolitik lange Zeit in Europa
       gefürchtet war. Und wegen dieser Sache mit den zwei Weltkriegen. Doch die
       Bundesregierung möchte nicht tatenlos zusehen, wie das so hart erarbeitete
       und organisierte Image zerfällt. Der PR-Berater der BRD, Peter Schneider
       (Name von der Red. so gelassen), hat deshalb die Kampagne „Deutschland kann
       es noch!“ entwickelt.
       
       Wir treffen Schneider in seinem hippen Co-Working-Space in einem
       Stadtviertel, das aus Angst vor weiterer Gentrifizierung lieber anonym
       bleiben möchte. Hier arbeitet Schneider mit seinem zwölfköpfigen Team aus
       unbezahlten Schülerpraktikantinnen an der neuen Public-Relation-Kampagne,
       mit der ihn die Regierung direkt beauftragt hat. „Ich will jetzt nicht
       behaupten, dass der Auftrag von ganz oben kam, aber ich sage mal so: Der
       Name meines Auftraggebers fängt mit ‚Helge‘ an und hört mit ‚Braun‘ auf“,
       zwinkert Schneider.
       
       ## Marke kaputt
       
       Warum genau möchte die Bundesrepublik ihr Image „aufpolieren“, wie wir in
       lupenreinem Achtziger-Jahre-Marketingheinisprech aus ihm herauslocken
       wollen? Und warum ist das notwendig? Schneider erklärt: „Den
       Handlungsbedarf für eine Imageaufbesserung habe ich ehrlich gesagt schon
       vor Corona gesehen: Die Merkel guckt ja schon sehr niedlich. Solche
       Kleinigkeiten können eine Marke schnell kaputt machen. Und dann sind
       blitzkriegartig zwei Weltkriege für die Katz. Und seit Beginn der Pandemie
       häufen sich die organisatorischen Pannen: Zuerst gibt es keine Masken, dann
       nicht genug Impfstoff, dann kann niemand die Gesundheitsämter erreichen,
       weil Jens Spahn sich die Nummer auf den Arm geschrieben hat und duschen
       gegangen ist … Und wenn sich so was wiederholt, gucken sich andere Staaten
       das schon an und denken: Okay, wir haben die Deutschen nie gemocht, aber
       früher haben sie wenigstens was auf die Kette gekriegt.“
       
       Diesem neuen Bild soll Schneider etwas entgegensetzen. Er soll zeigen, dass
       Deutschland „es immer noch kann“, immer noch organisatorische
       Topleistungen bringt. Wie muss man sich das vorstellen? „Das müssen Sie
       sich jetzt mal so vorstellen“, erklärt Schneider: „Ein Schwarzweißbild von
       Leuten, die geordnet in der Schlange vor dem Impfzentrum stehen. Und alle
       bekommen die Impfung. Zwar die Grippeschutzimpfung, aber das sieht man
       nicht. Jens Spahn an seinem Schreibtisch, der ordentlich und völlig frei
       von Papierkram ist. Weil alles so organisiert ist, dass er nichts zu tun
       hat! Ein Video einer Mitarbeiterin des Gesundheitsamts, die für jeden an
       Corona Erkrankten penibel fünf verschiedene Aktenvermerke macht. Das dauert
       natürlich. Das zieht den Zuschauer richtig rein. Das hypnotisiert den.
       Merkel, wie sie persönlich FFP2-Masken verteilt. Mit nur ganz wenigen
       Löchern. An alle Pflegekräfte Deutschlands. Es wird ein sehr langes Video.
       All diese Bilder. Und dann der Slogan: ‚Deutschland kann es noch!‘
       Natürlich in Schwarz-Rot-Gold.“
       
       Neben diesem Videoclip, der als 90-minütiger Block im
       ARD-Nachmittagsprogramm ausgestrahlt werden soll, haben Schneider und sein
       Team Internetformate entwickelt. Da Schneider laut Schülerpraktikantinnen
       aber nicht versteht, „wie Internet geht“, besteht die Kampagne aus einem
       Twitter-Bot, der jede Stunde „Nach wie vor Organisationsweltmeister!
       #deutschlandkannesnoch“ tweetet. Die Aktion ist ein voller Erfolg: Die
       Tweets erreichen teilweise bis zu zwölf Likes und haben nur selten
       Verspätung.
       
       ## Neue Kampagne
       
       Doch die neue Kampagne soll nicht nur „digital laufen“, sondern auch
       weltweit auf den Straßen: Schneider will Schauspielschülerinnen in jede
       Hauptstadt schicken, wo sie vor Touristenattraktionen in grauen Anzügen an
       Klappschreibtischen sitzen sollen und alle paar Minuten kurze Anweisungen
       brüllen wie „Einmal rasch die Akte C4!“, „Sie rufen außerhalb der
       Geschäftszeiten an!“, „Dafür bin ich nicht zuständig“, „Treffer, versenkt!“
       oder: „Herrgott, jetzt setzen Sie sich mal gerade hin hier!“, bevor sie
       kurz und schmerzlos an einem Herzinfarkt sterben, weil Schneider ihnen
       etwas in den Kaffee gemischt hat. Er nennt das eine „authentic experience“,
       die Hinterbliebenen nennen es vorsätzlichen Mord, letztlich muss jede und
       jeder eine eigene Wahrheit finden, sie liegt wahrscheinlich irgendwo in der
       Mitte.
       
       Schneider geht davon aus, dass die Kampagne ein voller Erfolg wird. Bis es
       wirklich losgehen kann, dauert es noch, weil er alle seine Entwürfe einzeln
       ausdrucken und ans Kanzleramt faxen muss. „Bei den Videos kommt da
       natürlich ganz schön was zusammen, selbst wenn wir uns auf 24 Bilder die
       Sekunde beschränken“, erklärt Schneider zermürbt. Deutschland kann es noch
       – das gilt auf jeden Fall für die Bürokratie.
       
       16 Jun 2021
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Laura Brinkmann
       
       ## TAGS
       
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