# taz.de -- Hungerstreik von Klimaaktivist:innen: Erneut Person in Klinik gebracht
       
       > Seit Ende August verweigern mehrere Aktivist:innen die Nahrung.
       > Politiker:innen und Bewegungsforscher Dieter Rucht warnen vor einem
       > Streik „bis zum bitteren Ende“.
       
 (IMG) Bild: Seit nunmehr fast drei Wochen im Hungerstreik: Klimaaktivist:innen im Berliner Regierungsviertel
       
       Berlin dpa/epd/taz | In Berlin ist erneut ein Mitglied der
       Klimaaktivist:innen im Hungerstreik nach einem Schwächeanfall ins
       Krankenhaus gebracht worden. Die 19-jährige Lina Eichler sei in die Charité
       eingeliefert worden, sagte die Sprecherin Hannah Lübbert am Samstag der
       dpa. Ob die junge Frau die Aktion danach fortsetzen wolle, sei noch unklar.
       
       Insgesamt sechs Klimaaktivist:innen haben am 30. August vor dem
       Reichstag [1][einen unbefristeten Hungerstreik begonnen]. Ihr Ziel ist zum
       einen ein öffentliches Gespräch mit den drei Kanzlerkandidat:innen
       über die Realität des Klimawandels. Die Gruppe hat dafür einen Termin
       wenige Tage vor der Bundestagswahl vorgeschlagen: Donnerstag, den 23.
       September, um 19 Uhr.
       
       Zum anderen [2][verlangen sie die Einsetzung eines Bürgerrats], der der
       Politik Sofortmaßnahmen zum Klimaschutz vorgeben soll. Bereits am Dienstag
       war ein junger Mann im Hungerstreik vorübergehend in ein Krankenhaus
       gebracht worden, konnte danach aber weitermachen.
       
       Alle drei Kanzlerkandidat:innen haben die Hungernden inzwischen
       aufgefordert, ihre Protestaktion abzubrechen. Dann seien sie zu Gesprächen
       bereit, allerdings erst nach der Bundestagswahl, einzeln und nicht
       öffentlich. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz sagte, er habe sich mit
       Annalena Baerbock und Armin Laschet verständigt: „Wir sind bereit, jeder
       einzeln, mit den Hungerstreikenden zu sprechen, nach der Bundestagswahl.“
       Der Hungerstreik könne schlimme Folgen für das Leben mit sich bringen.
       
       ## Baerbock: „Falscher Weg des Dialoges“
       
       Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock hat den Hungerstreik der
       Aktivist:innen als „falschen Weg des Dialoges“ kritisiert. In einer
       Demokratie könne man immer miteinander sprechen, aber nicht im Zusammenhang
       mit einem Hungerstreik, sagte sie am Freitag bei einem Wahlkampfauftritt in
       Chemnitz. Denn die Aktivist:innen gefährdeten dabei sich selbst.
       
       Die Grünen-Politikerin appellierte an sie, wieder zu essen. Eine
       Zuschauerin hatte gefragt, warum sie nicht auf die Gesprächsbitte der
       Hungerstreikenden eingehe. Sie habe mit ihnen telefoniert und Fragen zur
       Klimapolitik besprochen, versicherte Baerbock. Auch andere Besucher
       forderten auf Plakaten: „Sprecht mit den Hungernden!“
       
       Auch Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace hatten die Klimaschützer
       gebeten, ihren Hungerstreik zu beenden. Man teile das Anliegen, appelliere
       aber aus Sorge um Gesundheit und Wohlergehen, „junges Leben nicht aufs
       Spiel zu setzen“.
       
       Der Berliner Soziologe und Protestforscher Dieter Rucht hat sich ebenfalls
       kritisch zum Klima-Hungerstreik der sechs jungen Erwachsenen im Berliner
       Regierungsviertel geäußert. „Einerseits ist es wichtig, das Thema
       Klimaschutz ganz in den Vordergrund zu rücken. Andererseits ist der Sprung
       von den bisherigen Protesten hin zum Hungerstreik zu groß.“
       
       ## Rucht: Hungerstreik kann eigenem Anliegen schaden
       
       Ein Hungerstreik sei eigentlich das letzte Mittel, wenn alle anderen
       Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Politik, der
       Aufmerksamkeitsgewinnung, versagt haben, sagte Rucht weiter. So gesehen
       finde er es „problematisch“, wenige Tage vor der Bundestagswahl einen
       Hungerstreik zu machen. Auch sei der Hungerstreik eigentlich ein
       klassisches Mittel von Menschen, die keine Möglichkeit haben, an die
       Öffentlichkeit zu gehen, etwa Gefängnisinsassen.
       
       Rucht betonte, es sei „naiv zu hoffen, man könnte den drei Kandidaten vor
       den Hungerstreikenden etwas abringen, was sie in Dutzenden von Talkshows
       und Interviews nicht getan haben“. Der Hungerstreik sei aber keine
       moralische Erpressung der Kanzlerkandidaten. Dabei sei es „kontraproduktiv,
       den Hungerstreik bis zum bitteren Ende durchzuziehen“. Damit würden diese
       Aktivisten ihrem Anliegen sogar schaden, weil sie „als Hochmotivierte
       weiter für die politische Auseinandersetzung gebraucht werden“, sagte
       Rucht.
       
       18 Sep 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Hungerstreik-vor-dem-Reichstag/!5797513
 (DIR) [2] /Hungerstreik-wegen-der-Klimakrise/!5801998
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Schwerpunkt Fridays For Future
 (DIR) Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
 (DIR) Annalena Baerbock
 (DIR) Olaf Scholz
 (DIR) Bündnis 90/Die Grünen
 (DIR) GNS
 (DIR) IG
 (DIR) Schwerpunkt Fridays For Future
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
 (DIR) Extinction Rebellion
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Extinction Rebellion
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Jung und alt im Wahlkampf: Zoomer gegen Boomer
       
       Frühreife KlimaaktivistInnen versus bornierte EgoistInnen: Wie wir aus der
       Wahlkampf-Logik des inszenierten Generationenkonflikts herauskommen.
       
 (DIR) Hungerstreik von Klima-Aktivist*innen: Neues Ultimatum
       
       Die Hungerstreikenden in Berlin setzen den Kanzlerkandidat*innen ein
       Ultimatum bis Donnerstag: Ein Gespräch – oder der Hungerstreik werde
       verschärft.
       
 (DIR) Folgen eines Wahldebakels der Union: Nach ihm das Gemetzel
       
       Wenn es kommt, wie es kommen sollte, dann stehen nicht nur der Union
       düstere Zeiten bevor. Sondern auch der Demokratie.
       
 (DIR) Jacob Heinze hungert für das Klima: „Wir müssen mutig sein“
       
       Der Hamburger Jacob Heinze ist einer der Aktivist:innen, die derzeit in
       Berlin in einen Hungerstreik getreten sind. Er ist zu allem entschlossen.
       
 (DIR) Hungerstreik vor dem Reichstag: Entschlossen und kraftlos
       
       Seit 18 Tagen befinden sich Klimaaktivist:innen vor dem Reichstag im
       Hungerstreik. Sie wollen ein Gespräch mit Baerbock, Scholz und Laschet.
       
 (DIR) Demonstration fürs Klima: Hungerstreik wird fortgesetzt
       
       Seit zwei Wochen befindet sich eine Gruppe junger Menschen im Berliner
       Regierungsviertel im Hungerstreik für mehr Klimaschutz. Die Sorge wächst.