# taz.de -- Die Wahrheit: Breaking Bernau
       
       > In den unzugänglichen Urwäldern Brandenburgs florieren illegale
       > Plantagen. Vor allem Monsteras mit Gendefekt sind gefragt. Ein Insider
       > berichtet.
       
 (IMG) Bild: Mit gefragten Zierpflanzen lässt sich gutes Geld verdienen
       
       Am Ende musste es natürlich Verletzte und Tote geben. Irgendjemand hatte
       gequatscht, und die PEA (Plant Enforcement Administration) fackelte die
       ganze Plantage ab. Und mit ihr den ganzen schönen Stoff. Schöne Scheiße.
       
       „Neuseeländerin verkauft Monstera mit Gendefekt für 16.000 Euro“, stand vor
       ein paar Monaten in der Illustrierten. Die eingeschnittenen
       Monsterablätter hatten durch den Gendefekt weiße Flecken. Nach einem
       kurzen Blick auf meinen Rentenbescheid – stolze 38 Euro pro Monat, wenn ich
       bis 75 weitermaloche – fuhr ich ins Pflanzencenter. Dort gab es zwar alle
       möglichen Monsteras, „Gentechnik kommt uns aber nicht in die Tüte“, teilte
       man mir mit. Ich recherchierte weiter, bis ich auf einen ominösen
       Pflanzenmarkt im Darknet stieß.
       
       Wie viele „Babyplants“ ich brauche, fragte mich dort ein User namens Rodo.
       Für 0,25 Bitcoin erhielt ich 20 Stück. Zwei Tage später standen die Kleinen
       schon in meinem Wohnzimmer. Sechs Pflanzenlampen, kalkfreies Wasser und
       wärmende Blattstützer sollten meine Altersvorsorge zum Gedeihen bringen.
       
       Das Problem: Wenn sich Monsteras mit Gendefekt zu wohl fühlen, geben sie
       einen süßlichen Geruch ab, der sich nach ein paar Stunden im ganzen Haus
       verteilt. Um nicht aufzufliegen, packte ich alles in mein Wohnmobil und
       cruiste nach Brandenburg: Bernau, Schorfheide, optimale Anbaubedingungen.
       
       ## Von Bubiköpfen und Glückskastanien
       
       In einem Gehölz baute ich mir dann eine kleine Plantage und kreuzte die
       fleckigen Kameraden miteinander, die bald komplett weiß waren. Schon bald
       hatten die Monsteras eine beträchtliche Höhe erreicht, und es war Zeit für
       die Ernte. Wissen Sie, der veredelte Blütenstaub einer reifen Monstera mit
       Gendefekt – dagegen wirkt afghanischer Schlafmohn wie Malzbier. Bei
       Bernau-Schmetzdorf bot ich meine Ware feil, und mit dem ersten Geld heuerte
       ich mir Schergen aus dem Havelland an, und dann wurden wir richtig groß.
       
       So groß, dass eine andere Pflanzenbande jenseits der Grenze in
       Mecklenburg-Vorpommern Wind von unserer Sache bekam. Es waren Scharlatane,
       die billige Bubiköpfe und glücklose Glückskastanien mit Tipp-Ex weiß
       betupfen mussten, denn sie wollten einfach keinen Gendefekt bekommen.
       
       Also, da standen sie nun, vier derbe Kerle aus Carwitz, mit
       Gärtnerhandschuhen und Schürze. Was wir hier wollten, fragten sie. Seit
       Frühling 1987 seien sie schon hier und hätten Schwiegermutterzungen und
       Bubiköpfe für Margot Honecker persönlich gezüchtet. Wir sollten
       schleunigst verduften, sagten sie, als plötzlich ein Bulldozer durchs
       Unterholz brach. Die PEA!
       
       Dann ging alles ganz schnell. Weil die Monsteras mittlerweile Birken und
       Buchen überwucherten, hatte ein Bauer den süßen Staub eingeatmet und war
       mit seinem Trekker zugedröhnt in eine Polizeistreife gedonnert. Die
       Monsteras wurden vom Dozer zermalmt, den Rest erledigten Flammenwerfer. Wir
       beobachteten das Spektakel vom Dach des Wohnmobils aus. Zwei gescheckte
       Monsteras schlichen sich durch die Tür davon.
       
       27 Aug 2021
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Denis Gießler
       
       ## TAGS
       
 (DIR) GNS
 (DIR) Pflanzen
 (DIR) Brandenburg
 (DIR) Hanf
 (DIR) Ampel-Koalition
 (DIR) Kolumne Die Wahrheit
 (DIR) Dammbruch
 (DIR) Kolumne Die Wahrheit
 (DIR) Kolumne Die Wahrheit
 (DIR) Recycling
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Die Wahrheit: Wie weit ist es noch bis 1G?
       
       Auch im Handynetz ist jetzt 2G Pflicht. Ein Ex-DDR-Techniker dient dabei
       Deutschland flächendeckend, denn er verfügt über Knowhow von einst.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Schlaraffia 467
       
       Der Freitag wird wieder schwarz! Nicht so schwarz wie damals, als irgendwas
       mit der Börse war. Obwohl, mit Geschäften hat's schon zu tun.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Der Biber ist geil
       
       Kommen in Berlin Nager auf die Idee, einen Damm in die Spree zu bauen, muss
       ein neuer Castor-Transport her. Aber schnell, die beißen sonst alles weg.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Meine DDR beim Impfen
       
       Ein kleines knallrotes Ding sorgt für Aufregung im Impfzentrum. Auf dem
       Einband prangt das Logo des „Arbeiter- und Bauernstaats“.
       
 (DIR) Die Wahrheit: In der Italo-Spielhölle
       
       Wo ist das Land geblieben, in dem die Zitronen blühen, wo das Arkadien der
       Jugend, in dem am Automaten liebevoll gedaddelt werden konnte?
       
 (DIR) Die Wahrheit: Enterhaken für Minister Scheuer
       
       Verrostete leben länger: Zu Besuch auf dem der Humanität zutiefst
       verpflichteten Berliner Gnadenhof für alte Autos.