# taz.de -- Abtreibungsgesetz und Selbstbestimmung: 150 Jahre Paragraf 218 sind genug
       
       > Ulrike Lembke hat sich die Geschichte des Abtreibungsverbots angesehen.
       > Sie findet, dass sich mehr ändern muss.
       
 (IMG) Bild: Demonstration in Bonn gegen den Paragrafen 218 im Jahr 1990
       
       Seit 150 Jahren werden Schwangerschaftsabbrüche durch die Paragrafen 218
       und 219 des Strafgesetzbuchs kriminalisiert. Diese Strafnormen begründen
       unverhältnismäßige Grundrechtseingriffe und sind eine Gefahr für Gesundheit
       und Gleichberechtigung. Zum Jubiläum steht ihre Verfassungsmäßigkeit auf
       dem Prüfstand.
       
       Im deutschen Rechtsdiskurs hat es hierzu niemals eine Kontroverse gegeben,
       sondern nur eine herrschende Meinung. Diese wurde vom
       Bundesverfassungsgericht 1975 und 1993 bestätigt, wobei es allen ungewollt
       Schwangeren eine „Austragungspflicht“ auferlegte. Übersehen wurde aber,
       dass zur Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht gegenüber dem Fötus nicht
       einfach die Gebärmutter einer anderen Person in Anspruch genommen werden
       kann. Die strafrechtlich erzwungene Schwangerschaft ist vielmehr ein
       unverhältnismäßiger Eingriff in körperliche Integrität, in
       Selbstbestimmung, Intimität und Familienplanung.
       
       [1][Unsere Rechtsansichten zu körperlicher Integrität] und zu
       Gleichberechtigung haben sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert.
       Eine wichtige Rolle hierbei spielen auch reproduktive Menschenrechte. Die
       staatliche Verfügung über gebärfähige Körper ist verfassungsrechtlich so
       nicht mehr begründbar. Wie also weiter mit dem Paragrafen 218? Strafwürdig
       ist nur der Abbruch gegen den Willen der Schwangeren. Im Übrigen gehört der
       Schwangerschaftsabbruch nicht ins Strafrecht, sondern ins Recht der
       Gesundheitsversorgung. Da ist viel zu regeln: ausreichendes Angebot,
       effektiver Zugang, medizinische Standards, Kostenübernahme, sachliche
       Informationen, Beratungsanspruch, Vor- und Nachsorge.
       
       Doch es geht nicht nur um reproduktives Gesundheitsrecht – das zudem
       Hebammenversorgung, gewaltfreie Geburt, Verbot der Sterilisation von
       Frauen* mit Lernschwäche, kinderfreundliche Gesellschaft etc. umfassen
       würde –, sondern auch um die Bedingungen von Geschlechterdemokratie.
       „Austragungspflicht“ und Gleichberechtigung sind unvereinbar. Es ist Zeit
       für verfassungskonforme Alternativen zum Paragrafen 218.
       
       27 Aug 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://arbeitskreis-frauengesundheit.de/wp-content/uploads/2021/06/Fachpolitischer-Kongress_150-Jahre-%C2%A7218-StGB.pdf
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrike Lembke
       
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