# taz.de -- Es darf wieder gestreikt werden: Der Kampf geht weiter!
       
       > Vivantes muss vor dem Arbeitsgericht eine Niederlage einstecken. Die
       > Vivantes-Beschäftigten dürfen ihren Warnstreik fortsetzen.
       
 (IMG) Bild: Wenn die Politik nicht handelt, müssen eben die Gerichte ran
       
       Berlin taz | Einen ersten Arbeitskampferfolg haben die [1][Beschäftigten
       des kommunalen Krankenhauses Vivantes] am Dienstag vor dem Berliner
       Arbeitsgericht errungen. Das Gericht wies die einstweilige Verfügung
       zurück, die Vivantes am Montag erwirkt und damit den Streik der
       Vivantes-Beschäftigten vorläufig verboten hatte. Damit dürfen die
       Vivantes-Beschäftigten wieder in den Arbeitskampf eintreten.
       
       Die Gewerkschaft Verdi hatte nach dem Auslaufen des von der
       Krankenhausbewegung gestellten 100-Tage-Ultimatums von Montag bis Mittwoch
       Warnstreiks in allen 12 Standorten von Charité und Vivantes angekündigt.
       
       Für die Vivantes-Klinikleitung ist das Urteil eine Schlappe. Sie hatte
       argumentiert, der von Verdi geforderte [2][Tarifvertrag Entlastung (TV-E)]
       verstoße gegen die sogenannte Friedenspflicht, da die im TV-E geforderten
       Entlastungen bereits im Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD)
       „abschließend geregelt“ seien. Die Friedenspflicht untersagt es einer
       Gewerkschaft, gegen einen ungekündigten Tarifvertrag in den Streik zu
       ziehen.
       
       Der TV-E sieht Mindestbesetzungen für jede Station sowie einen
       Belastungsausgleich in Form von Freizeit oder Geld vor, falls diese
       unterschritten werden. Im TVöD werden dagegen, wie Verdi-Rechtssekretär
       Steffen Damm ausführte, nur Belastungen wie etwa Nachtschichten oder
       Überstunden geregelt. Belastungen, die sich aus Unterbesetzungen ergeben,
       würden nicht behandelt, weshalb der TV-E den bestehenden TVöD lediglich
       ergänze.
       
       ## Hunderte Beschäftigte können wieder streiken
       
       Richter Kirsch machte klar, dass ein endgültiges Urteil in der Sachfrage
       noch ausstehe. Da es sich um ein Eilverfahren handle, so Kirsch, könne das
       grundrechtlich verbriefte Streikrecht nur eingeschränkt werden, wenn der
       Verstoß gegen die Friedenspflicht „eindeutig“ sei. Dies sei nach Auffassung
       des Gerichts aber nur „denkbar, nicht feststehend“.
       
       Noch in einem weiteren Punkt wies das Gericht Vivantes zurecht: Die
       einstweilige Verfügung hatte auch bemängelt, dass durch den Streik die
       Notversorgung der Patient:innen nicht gewährleistet gewesen sei. Am
       Montag war das Gericht dieser Argumentation zunächst gefolgt.
       
       Es habe zu diesem Zeitpunkt noch keine Schutzschrift der Gewerkschaft
       vorgelegen, dass diese in jedem Fall einen Notdienst sicherstelle, so
       Richter Kirsch. „Wäre diese zuvor eingegangen, wäre der Antrag
       zurückgewiesen worden“, sagte der Richter. Nun erklärte er, „alles im
       allem“ gehe das Gericht davon aus, dass Verdi „genügenden Schutz angeboten“
       habe.
       
       Verdi-Gewerkschaftssekretär Tim Graumann sagte der taz, er sei vom Urteil
       „total beruhigt“. Das Gericht sei der bisherigen Rechtsprechung gefolgt,
       nach der ein Streik auch im Gesundheitssektor legitim sei, wenn die
       Gewerkschaft einen Notdienst sicherstellt. Der Arbeitskampf würde nun
       „geordnet“ wieder hochgefahren. „Am Mittwoch werden mehrere hundert
       Beschäftigte streiken“, so Graumann. „Ärgerlich“ sei allerdings, dass es
       Vivantes trotz Niederlage gelungen sei, den Beschäftigten effektiv einen
       ganzen Streiktag zu nehmen.
       
       ## Situation lässt auch SPD nicht kalt
       
       Am Dienstagmorgen hatten etwa 200 Aktivist:innen der
       Krankenhausbewegung das Rote Rathaus belagert, wo der Senat am Vormittag
       über den Arbeitskampf der Krankenhausbeschäftigten beriet. Auf der Bühne
       der Bewegung erklärte Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch, der Streik
       sei „verdammt lang angekündigt“ gewesen. Die offenen Fragen hätten im
       Vorfeld von den zuständigen Senator:innen behandelt werden müssen.
       Jarasch teilte damit in Richtung SPD aus, die die Senatsverwaltungen für
       Gesundheit und Finanzen innehat.
       
       Regierungschef Michael Müller (SPD) wies [3][solche Vorwürfe] auf der
       Pressekonferenz nach der Senatssitzung zurück. Er habe das
       100-Tage-Ultimatum der Beschäftigten nicht einfach so verstreichen lassen,
       zuletzt habe er „jeden Tag mehrere Gespräche geführt“. Die Lage in den
       Kliniken ließe auch seine Partei „sicherlich nicht kalt“.
       „Selbstverständlich“ sei der Senat daran interessiert, „dass sich die
       Situation für die Beschäftigten verbessert“.
       
       Müller drängte beide Seiten zu Kompromissbereitschaft. Zwar gehe er davon
       aus, dass sich beide Seiten in den Verhandlungen bereits näher gekommen
       seien, notfalls bot Müller aber auch an, einen neutralen Vermittler zu
       besorgen. Das „eigentlich Wichtige“ seien doch die anschließenden
       Tarifverhandlungen.
       
       24 Aug 2021
       
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