# taz.de -- Die Wahrheit: Kiffen mit Solarantrieb
       
       > Neues aus Neuseeland: Lordes „Solar Power“ erscheint demnächst. Schon
       > jetzt entschlüsseln ihre Jünger die geheimen Botschaften der Popsängerin.
       
 (IMG) Bild: Dreampop mit Klimaschutz, CD-Verpackung ohne Plastik: Lorde
       
       Die Nerven im Inselreich liegen blank. Wir haben den ersten
       Delta-Covid-Fall. Das ganze Land hängt an Jacinda Arderns Lippen: Wird die
       Premierministerin den harten Lockdown diese Woche verlängern? Parallel dazu
       hängen wir mit einer anderen Nationalheiligen zitternd in der Warteschleife
       – nicht vor Angst, sondern vor Aufregung. Denn am Freitag erscheint endlich
       Lordes drittes Album.
       
       Der Countdown für „Solar Power“ ist in den letzten Zügen, die Spannung kaum
       noch zu ertragen. Alles begann mit einem beneidenswerten Knack-Po. Anfang
       Juni enthüllte die Sängerin das Coverfoto: superblauer Himmel und ihre
       langen nackten Beine, von unten in den Schritt geknipst. Der frivole
       Schnappschuss am Strand war der Startschuss für ein kulturelles
       Weltereignis, das das Volk der Kiwis wie kein anderes sukzessiv
       beschäftigt.
       
       Tage später kam die erste Single heraus. Der Titelsong wurde 50 Millionen
       Mal heruntergeladen. Seitdem überschlagen sich die Mystifikationen und
       Deutungen. Denn nicht nur ist „Solar Power“ ein völlig anderer Sound als
       auf den Vorgängern „Melodrama“ und „Pure Heroine“ – statt genialer
       Düsterkeit jetzt Bubble-Gum-Pop mit Jack-Johnson-Vibe. Was will uns die
       Herrin sagen?
       
       Wenn es doch so einfach wäre. Das erfordert mehr als nur Musikgeschmack.
       Denn Lorde, die mit bürgerlichem Namen Ella Yelich-O’Connor heißt, ist eine
       Superheldin, wie sie Aotearoa noch nie gesehen hat. Was immer sie macht –
       es ist megabedeutungsvoll und voller Botschaften, deren Symbole
       entschlüsselt werden müssen. Die Interpretation ihres Videos stellt
       obsessive Verschwörungstheoretiker in den Schatten.
       
       Wir sehen den Star tanzend am Strand, umgeben von Anbetern. Wir wissen,
       dass Lorde im Jahr 2019 in der Antarktis war, sich seitdem ums Klima sorgt
       und außerdem ihr Hund Pearl gestorben ist – alles extrem signifikant. Ihr
       Gewand so gelb wie die Sonne, ihre Jünger entrückt wie Mitglieder einer
       New-Age-Sekte, und der Müll, der kurz im Bild auftaucht – das kann kein
       Zufall sein! Die Fans wissen: Das ist subtile Politik. Wacht auf, ihr
       Klimawandel-Ignorierer!
       
       Kaum war das Video live, ging die Suche los. Wo wurde es bloß gefilmt? In
       Neuseeland, so viel war klar, denn hier hat die 24-Jährige den Beginn der
       Pandemie ausgesessen. Anhand signifikanter Details im Hintergrund – eine
       Insel, ein Tanker – konnten Lorde-Fans rund um Auckland in Detektivarbeit
       das Geheimnis lüften. Es ist Cactus Beach auf der Insel Waiheke.
       
       Der Kaktus-Strand hat noch lange nicht ausgespielt. Er wird noch in
       weiteren Videos auftauchen und „seine Geheimnisse enthüllen“, verriet die
       Musikerin. Und verwirrt uns obendrein mit der Aussage: „Ich bin keine
       Klimaaktivistin, ich bin ein Popstar.“ Bis am Freitag die Bombe platzt,
       arbeiten wir uns noch an der zweiten Single-Auskopplung ab, „Stoned at the
       Nail Salon“. Bekifft im Nagelstudio kann eigentlich nur eines bedeuten: das
       Ende unseres Lockdowns, das sie vorhersieht.
       
       19 Aug 2021
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anke Richter
       
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